Gewaltfreie Kommunikation: Das Miteinander stärken

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„People join companies and leave bosses“: Oftmals ist negatives Kommunikationsverhalten ein Auslöser. Professor Patrick Peters beschreibt, wie Gewaltfreie Kommunikation Konflikten vorbeugen kann.

Das Konzept der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg beruht darauf, bewusster, respektvoller und aufmerksamer zuzuhören. Das kann dabei helfen, Kommunikationsprobleme zu lösen und Konflikte gar nicht erst entstehen zu lassen.

Der bedeutende österreichische Kommunikationswissenschaftler, Psychotherapeut, Philosoph und Autor Paul Watzlawick hat bekanntermaßen das berühmte Axiom „Man kann nicht nicht kommunizieren“ formuliert. Vollständig heißt dieser erste der fünf fundamentalen Leitsätze: „Man kann nicht nicht kommunizieren, denn jede Kommunikation (nicht nur mit Worten) ist Verhalten und genauso wie man sich nicht nicht verhalten kann, kann man nicht nicht kommunizieren.“

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Kurz gesagt bedeutet das, dass man sich nicht durch Inaktivität der Kommunikation entziehen kann. Und einseitige Abbrüche der Kommunikation führen zu Konflikten. Kommunikation kann nicht dadurch ausgesetzt werden, indem man kein Wort sagt und andere ignoriert, weil auch das eine Reaktion darstellt und negative Auswirkungen auf das Verhältnis haben kann.

Kommunikation basiert oft auf Vorwürfen und Missverständnissen

Damit ist der Umgang zwischen Menschen von Kommunikation geprägt – und allzu oft beruht diese Kommunikation auf Vorwürfen und Missverständnissen. Das wiederum führt zu Konflikten, gerade auch in Unternehmen. Mitarbeitende fühlen sich nicht verstanden, Führungskräfte sich ignoriert und nicht ernstgenommen, Arbeitsanweisungen und andere Botschaften werden nicht gehört oder verstanden: Gestörte zwischenmenschliche Verhältnisse und emotionale Verletzungen und dadurch Leistungsrückgänge, höhere Krankenstände und sogar (innere und echte) Kündigungen sind die Folge.

„People join companies and leave bosses“: Diese Aussage besitzt beinahe so etwas wie allgemeine Gültigkeit. Und oftmals ist negatives Kommunikationsverhalten eben ein Auslöser dafür. Daher ist die gelungene Kommunikation ein wichtiger Bestandteil der Führungskultur und des gemeinsamen Miteinanders. Es passieren laufend Fehler, wenn die Bedürfnisse der Teammitglieder nicht auf den unterschiedlichen Ebenen erfüllt werden und die Beteiligten miteinander auf Augenhöhe kommunizieren (Kommunikationspyramide). Es müssen adäquate Strukturen für die Kommunikation von oben nach unten, unten nach oben und auf gleicher Ebene entwickelt werden.

Gewaltfreie Kommunikation als Handlungskonzept für mehr Wohlergehen

Ein Instrument, um die zwischenmenschliche Kommunikation auf Unternehmensebene zu steuern (und damit sind zunächst keine Botschaften der klassischen internen Kommunikation im Sinne der PR gemeint), ist die Gewaltfreie Kommunikation (GFK). Begründet vom US-amerikanischen Psychologen und Mediator Marshall B. Rosenberg meint erst einmal nichts anderes, als Kommunikation als Handlungskonzept mit dem Ziel anzusehen, menschliche Beziehungen so zu entwickeln, dass die an Kommunikation und solchen Beziehungsprozessen Beteiligten zum gegenseitigen Wohlergehen beitragen.

Gewaltfreie Kommunikation soll laut Marshall B. Rosenberg dazu anregen, unabhängig vom Thema eines Gesprächs den eigenen wirklichen Bedürfnissen und denen des Gesprächspartners besser auf die Spur zu kommen, sorgfältig zu beobachten und störende Verhaltensweisen und Umstände genau zu bestimmen. Gewaltfreie Kommunikation lehrt, in allen Situationen konkrete Bedürfnisse zu erkennen und präzise auszusprechen. Das soll dabei helfen, die alten Muster von Verteidigung, Rückzug oder Angriff angesichts von Urteilen und Kritik umzuwandeln und somit „gewalttätige“ Reaktionen und Kommunikation auf ein Minimum zu reduzieren.

Bei Marshall B. Rosenberg heißt es genau: „Dadurch, dass die GFK die Betonung auf intensives Zuhören nach innen und außen legt, fördert sie Wertschätzung, Aufmerksamkeit und Einfühlung und erzeugt auf beiden Seiten den Wunsch, von Herzen zu geben.“ (Marshall B. Rosenberg (2016): Gewaltfreie Kommunikation. Eine Sprache des Lebens. Überarbeitete und erweiterte Neuauflage. Paderborn: Junfermann Verlag. S. 19)

Vier Komponenten der GFK einsetzen

Im Unternehmenskontext kommt es regelmäßig zu Situationen, in denen Mitarbeitende und Führungskräfte auf Verteidigung, Rückzug oder Angriff schalten und dadurch ein Kommunikationsverhalten aufzeigen, das Konflikte verschärft, anstatt sie zu lösen.

Ein Beispiel: Mitarbeiterin A wird in der Besprechung von der gestressten Abteilungsleitung für einen wiederholt langatmigen Vortrag vor dem gesamten Team teils auf persönlicher Ebene kritisiert. A hat also den ganzen Tag schlechte Laune und befasst sich mit dem Smartphone, anstatt ihre Aufgaben zu erledigen, und abends beschwert sie sich ausgiebig bei ihrem Partner über die ungerechte Abteilungsleitung, der sie ab sofort beleidigt und reserviert gegenübertritt. Sie nimmt sich auch vor, beim nächsten Mal absichtlich viel zu reden, Strafe muss sein. Die Abteilungsleitung wiederum ärgert sich über die Zeitverschwendung beim Vortrag und das Schmollverhalten von A und beschließt, sie zunächst zu ignorieren. Diese Missstimmung erfasst nach und nach das gesamte Team.

Gewaltfreie Kommunikation hätte diese Situation frühzeitig entspannen können.

  1. Die erste GFK-Komponente besagt: Beobachtung ohne Bewertung. Es geht darum, Situationen objektiv wahrzunehmen und diese Beobachtung zu kommunizieren, also wertfrei zu beschreiben (Beispiel: „Liebe Frau A, Sie haben einen längeren Vortrag gehalten, als wir geplant hatten.“).
  2. Die zweite Stufe besteht darin, die eigenen Gefühle zu artikulieren: „Ich bin irritiert über die Länge, weil mir unser Zeitplan sehr wichtig ist.“
  3. Drittens sollten dann die Bedürfnisse hinter diesen Gefühlen werden, zum Beispiel: „Wir haben alle sehr viel zu tun und möchten uns deshalb nicht in Kleinigkeiten verlieren, um nicht noch mehr Überstunden leisten zu müssen.“
  4. Die letzte Stufe besteht dann aus einer sehr spezifischen Bitte: „Ihre Gedanken sind wichtig für uns. Bitte versuchen Sie, in Zukunft präziser und kürzer vorzutragen. Wie können wir Sie dabei unterstützen, dass wir die Länge von Vorträgen und damit die Zeit für unsere Meetings begrenzen?“

Das ist ein anderes Vorgehen als das bloße Kritisieren eines weitschweifigen Referats, das nur Widerstände hervorrufen, aber keine Lösung bringen wird.

Die Gewaltfreie Kommunikation hat also im Unternehmenskontext einen erheblichen Wert. Sie führt zu einem wert- und vorurteilsfreien Umgang mit den Mitmenschen in kritischen Situationen und richtet den Blick auf die kontinuierliche Erhöhung der Lebensqualität aller Beteiligten.

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Foto Patrick Peters

Dr. Patrick Peters, MBA, ist Professor für PR, Kommunikation und digitale Medien an der Allensbach Hochschule in Konstanz, an der auch Wirtschaftsethik und Diversity Management lehrt. Er ist auch als freier Publizist und Berater tätig und befasst sich mit Ethik und Kommunikation.

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