Gesundheitsförderliche Führung setzt auf zwei Ebenen an: Mitarbeiterführung und Selbstführung. Je besser es Führungskräften gelingt, gut mit der eigenen Gesundheit umzugehen, desto besser ist auch das Gesundheitsverhalten der Mitarbeitenden, meint Professor Wolfgang Bohlen. Um die heutigen Herausforderungen zu meistern, reicht Gesundheitsförderung aber nicht aus. Die Art und Weise der Arbeit selbst sollte sich ebenfalls ändern.
Die Arbeitswelt im Wandel
Die Arbeitswelt hat sich in den letzten Jahren immer rasanter verändert. Eine Auswirkung der Transformation der letzten Jahre stellt die Zunahme an Krankheitstagen in Unternehmen dar. Die Komplexität der Aufgaben und die Arbeitsverdichtung haben ebenfalls weiter zugenommen. Hinzu kommt der gestiegene Termindruck. Ferner führen Digitalisierungsthemen, Stress und viele weitere Faktoren zu psychischen Belastungen und langfristig ggf. zu Burnout.
Auch im Lichte des Fachkräftemangels kommt der betrieblichen Gesundheitsförderung und in diesem Zusammenhang der gesundheitsförderlichen Führung im Unternehmen eine neue und zunehmend auch strategische Bedeutung zu. Das Thema Gesundheitsförderung und gesundheitsförderliche Führung sollten daher immer zusammen betrachtet und in der Bedeutung gestärkt werden.
Gesundheitsförderung und gesundheitsförderliche Führung
Gesundheitsförderliche Führung fokussiert grundsätzlich auf zwei Ebenen: Einerseits Mitarbeiterführung und anderseits Selbstführung der Führungskraft. Dabei gilt: Je besser es der Führungskraft gelingt, gut mit der eigenen Gesundheit umzugehen, desto besser ist auch das Gesundheitsverhalten der Mitarbeitenden im Sinne einer Vorbildfunktion, was sich wiederum positiv auf die Gesundheit Mitarbeitenden auswirkt. Die Vorbildfunktion der Führungskraft ist bei gesundheitsförderlicher Führung daher ein besonders wichtiger Aspekt.
Wenn Führungskräfte nicht auf Ihre eigene Gesundheit achten, keine gesundheitsförderlichen Maßnahmen in Anspruch nehmen und zum Beispiel immer wieder auch krank zur Arbeit kommen, dann werden Mitarbeitende sich nicht anderes verhalten. Führungskräfte nehmen damit eine Schlüsselrolle im Rahmen der betrieblichen Gesundheitsförderung ein. Die Inanspruchnahme von Maßnahmen der Gesundheitsförderung und das Bewusstsein der Führungskräfte für Gesundheit hängen daher eng zusammen.
Häufig werden Maßnahmen der Gesundheitsförderung als arbeitnehmerfreundlicher Benefit oder als Zusatzleistung gesehen, obwohl die Vorteile auf der Hand liegen: Geringere krankheitsbedingte Fehlzeiten führen zu weniger Arbeitsausfällen und geringeren Arbeitsrückständen. Darüber hinaus verbessert sich die Mitarbeiterbindung und die Arbeitgeberattraktivität.
Die Generationen X, Y und Z, als aktuelle und zukünftige Arbeitnehmende und Führungskräfte, bringen ferner andere Werte in die Arbeitswelt ein. Themen wie Selbstverwirklichung und persönliche Entwicklungsmöglichkeiten inkludieren eine höhere Bedeutung von Gesundheit in Unternehmen. Themen wie Zufriedenheit, Wohlbefinden und körperliche Balance werden oft als Voraussetzungen für eine berufliche Tätigkeit in einem Unternehmen als selbstverständlich erklärt. Hierfür bedarf es Führungskräfte mit einer positiven Einstellung zum Thema Gesundheit.
Leider tritt gesundheitsförderliche Führung aufgrund fehlender Ressourcen und Kapazitäten betrieblich immer wieder in den Hintergrund. Unternehmen sollten deshalb die Gesundheit von Mitarbeitenden und speziell auch von Führungskräften kontinuierlich fördern und gesundheitsorientiertes Führungsverhaltens explizit stärken. Darüber hinaus sollten in Unternehmen auch unterschiedliche Maßnahmen der Gesundheitsförderung angeboten werden.
Gesundheitsförderung und gesundheitsförderliche Führung als Teil von New Work
Gesundheitsförderung und gesundheitsförderliche Führung werden jedoch wahrscheinlich nicht reichen, um den anfangs skizzierten multidimensionalen Herausforderungen nachhaltig zu begegnen. Die Art und Weise der Arbeit selbst sollte sich ebenfalls ändern. Unternehmen entwickeln in diesem Zusammenhang aktuell unterschiedliche New Work-Initiativen, die sich jedoch zum Teil auf Homeoffice- oder Hybrid-Lösungen fokussieren. Mit diesem Angebot passen die Unternehmen Arbeitsort und Arbeitszeit an, nicht aber automatisch die inhaltliche Gestaltung oder die Art und Weise der Arbeit selbst. Hier liegen große Potenziale. Ferner hängen beide Aspekte zusammen. Eine gesundheitsförderliche Führung kann in einem Kontext, in dem sich die Arbeitsweisen nicht auch geändert haben, immer nur begrenzt erfolgreich sein.
Letztendlich geht es nicht um die Frage, sich nur um Gesundheit oder nur um New Work zu kümmern. Es geht um gesamthafte Initiativen zur Gestaltung eines positive Arbeitsumfeldes, dass Spaß und Freude am Arbeiten erzeugt. Dies fördert nicht nur die Gesundheit alle Mitarbeitenden, sondern verbessert auch die Mitarbeiterbindung und die Arbeitgeberattraktivität. Überlegungen zur Veränderung der Arbeitsweise hin zu New Work sollten daher auch mit Überlegungen zu Gesundheitsförderung und gesundheitsförderlicher Führung verbunden werden.
Exkurs: Gesetzliche Rahmenbedingungen
An dieser Stelle ein kurzer Exkurs zu gesetzlichen Rahmenbedingungen: Das Thema gesundheitsförderliche Führung findet sich indirekt auch im Arbeitsschutzgesetz wieder. Das Arbeitsschutzgesetz fordert explizit die Analyse psychischer Belastung in Unternehmen. Dies gilt seit dem 01.01.2014 und bedeutet, dass alle Unternehmen Gefährdungen für ihre Beschäftigten ermitteln sollen, die sich aus psychischen Belastungen bei der Arbeit ergeben. Die sogenannte Gefährdungsbeurteilung stellt eine arbeitsschutzgesetzliche Pflicht dar.
Die Gefährdungsbeurteilung besagt im Kern, dass Arbeitgeber zur Ableitung von Maßnahmen des Arbeitsschutzes eine Beurteilung der Gefährdungen vornehmen müssen. Die Gefährdungsbeurteilung soll Unfällen und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren vorbeugen. Dazu gehört auch die psychische Belastung bei der Arbeit. Dies ist explizit im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) im § 5 Abs. 3 Nr. 6 geregelt. Die Einhaltung der Vorgaben des Arbeitsschutzgesetzes ist nicht nur Aufgabe der Personalabteilung, sondern auch Teil der Führungsverantwortung.
Zu dieser Verantwortung gehört auch, die psychische Gesundheit und damit Aspekte wie Stress, Überbelastung und vieles mehr im Blick zu behalten und zu reagieren. Mit einer gesundheitsförderlichen Einstellung der Führungskräfte und damit einer gesunden Führung gelingt dies besser.
Ausblick
Die skizzierten Überlegungen zur Gesundheitsförderung bieten HR`lern und Führungskräften die Chance, das Thema Gesundheit neu aufzugreifen, weiterzuentwickeln und idealerweise umfassender zu betrachten. Am besten sollte Gesundheitsförderung als nachhaltiger und unternehmensspezifischer Lern- und Transformationsprozess betrachtet werden. Dies ist auch deshalb bedeutsam, da eine neue, veränderte und moderne Arbeitswelt ohne ein nachhaltiges Gesundheitsverständnis und -angebot i.d.R. nicht auskommt.
Personalverantwortliche und Führungskräfte sollten sich daher gleichermaßen der Bedeutung von Gesundheit stellen und Gesundheitsförderung und gesundheitsförderliche Führung aktiv mitgestalten und weiterentwickeln und nicht als Nice-to-have Maßnahmen ansehen.
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Dr. Wolfgang Bohlen ist seit 2010 Professor für Personalwirtschaftslehre und Organisation an der AKAD Hochschule Stuttgart und Studienleiter für den Bereich Personalmanagement. Zuvor war er viele Jahre als Personalreferent und selbstständiger Personal- und Organisationsentwickler tätig. Er ist Autor von Beiträgen zu den Themen New Work, Corporate Learning, Digital Leadership sowie Betriebliches Gesundheitsmanagement. In der Forschung interessiert ihn vor allem die Verbindung von New Work und New Learning. Foto: AKAD Hochschule Stuttgart