Welche Methoden sind am besten geeignet, um einen produktiven Austausch zwischen den Generationen herzustellen? Kaan Bludau, Geschäftsführer von BludauPartners Executive Consultants, erklärt, warum der Generationenkonflikt ein großes Potenzial birgt.
Seit mittlerweile einigen Jahren wird lautstark darüber diskutiert, wie der demographische Wandel den Fachkräftemangel immer drastischer verschärft. Denn die geburtenstarke Nachkriegsgeneration der Baby Boomer verabschiedet sich langsam aber sicher in den Ruhestand, während die nachrückenden Millennials und die Generation Z (kurz: Gen-Z) deutlich weniger Nachwuchs haben.
Doch die Differenzen zwischen den Altersgruppen enden nicht bei Fruchtbarkeitsbelangen: Immer häufiger wird berichtet, dass Vorurteile und Konflikte beidseitig die Zusammenarbeit belasten, besonders auf Führungsebene. Welche Methoden sind hier am besten geeignet, um einen produktiven Austausch herzustellen?
Generationenkonflikt: Autoritär vs. partizipativ
Ein zentraler Konfliktherd ist, dass sich das Führungsverständnis der Generationen deutlich unterscheidet. Ältere Jahrgänge, wie die Baby Boomer, neigen dazu, traditionelle Hierarchien und klar definierte Strukturen zu bevorzugen. Sie haben ihre Karrieren oft in einem Umfeld aufgebaut, das Stabilität und Beständigkeit schätzt. Häufig werden hier autoritäre oder top-down-orientierte Führungsansätze bevorzugt. Im Gegensatz dazu favorisieren jüngere Generationen, insbesondere Millennials und Gen-Z, flachere Hierarchien, kollaborative Arbeitsmethoden und partizipative Führungsstile.
Sie legen großen Wert darauf, dass sie in Entscheidungsprozesse einbezogen werden und dass ihre Meinung gehört wird. Auch eine transparente Kommunikation und regelmäßiges Feedback sind von großer Bedeutung. Die wenigsten Millennials bestehen darauf, ihre Meinung unbedingt durchsetzen zu müssen. Wenn sie allerdings das Gefühl haben, dass ihre Meinung ignoriert oder häufig ohne weitere Erklärung abgetan wird, kommt sehr schnell großer Unmut auf.
Unterschiedliche Prioritäten
Durch den demographischen Wandel und den daraus resultierenden Fachkräftemangel haben sich im Verlauf der letzten Jahrzehnte einige Vorzeichen auf dem Arbeitsmarkt verändert. Sinkt das Angebot bei gleichbleibender Nachfrage, resultiert daraus ein höherer Wert. Während früher ein Arbeitgeber bei Vertragsverhandlungen fragte: „Warum sollten wir Sie einstellen?“, entgegnet heute ein Arbeitnehmer: „Warum sollte ich für Sie arbeiten?“
Für ältere Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Arbeitsmarktes, die sich gegen eine unvergleichlich höhere Konkurrenz durchsetzen mussten, wären solche Aussagen undenkbar gewesen. Gerade Baby Boomer empfinden statistisch eine höhere Loyalität und Dankbarkeit ihrem Arbeitgeber gegenüber, daher grenzen solche Aussagen für sie an eine Beleidung.
Nach wie vor ist ein sicherer Arbeitsplatz für etwa 90 Prozent der Baby Boomer dasjenige, worauf sie am meisten Wert legen. Millennials hingegen priorisieren ein hohes Gehalt (83 Prozent) und freundliche Kolleginnen / Kollegen (84 Prozent) während für 84 Prozent der Gen-Z die Leidenschaft für den Beruf an vorderster Stelle steht. Der Wunsch nach einer empfundenen Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit ist so groß wie nie zuvor. Generationsübergreifend ist Autonomie ein wichtiger Faktor, während gerade einmal 48 Prozent an Incentives für Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter (wie Gutscheine, Rabatte oder der klassische Obstkorb im Büro) interessiert sind.
Generationenkonflikte auf Führungsebene
Diese Konflikte verschärfen sich häufig auf Management-Ebene, wo ähnliche Forderungen von Millennials gestellt werden. Denn für viele Boomer-Manager klingt es nach wie vor absurd, dass eine hochrangige Führungskraft Home-Office o.Ä. einfordert. Und tatsächlich schlummert gerade an Unternehmensspitzen großes Konfliktpotenzial: Top-Managerinnen / -Manager sind in aller Regel wettbewerbsorientierte, durchsetzungsstarke Einzelkämpfer, die ein klassisches Alpha-Verhalten an den Tag legen. Wenn mehrere Alphas aufeinandertreffen, wie eben in den meisten Führungsetagen, lassen sich häufig sehr spezifische Verhaltensmuster feststellen.
Alpha-Leader sind fest davon überzeugt, dass ihre Expertise und analytischen Fähigkeiten der Schlüssel zu ihrem bisherigen Erfolg waren. Diese Überzeugung hat sie schließlich ins Top-Management gebracht. Doch sobald sie hier angekommen sind, müssen sie auf einmal ihre unterschiedlichen Kompetenzbereiche und Perspektiven möglichst effektiv vereinen. Das setzt natürlich voraus, dass man den analytischen Fähigkeiten der anderen (zumindest ein Stück weit) vertraut – und das ist neu für viele Top-Managerinnen und -Manager. Ein kollektiver Ansatz zur Lösungsfindung, noch dazu ohne Konkurrenzdenken, erfordert eine Anpassung ihrer bisherigen Strategien.
Beziehungen auf Augenhöhe
Eine gesunde Debattenkultur, in der Teilnehmende offen ihre Beobachtungen und Bedenken äußern können, führt IMMER zu besseren Ergebnissen. Und je unterschiedlicher die Blickwinkel sind, aus denen heraus ein Problem kollektiv beleuchtet wird, desto ganzheitlich durchdachter ist die resultierende Lösung. Dadurch bieten diese Generationenkonflikte letzten Endes wesentlich mehr Potenzial für Wachstum als für Konflikte, solange diese Unterschiede als Lernmöglichkeiten betrachtet werden.
Denn jung kann von alt genau so viel lernen, wie andersherum. Um hier einen beidseitigen Mehrwert zu fördern, ist es wärmstens zu empfehlen, eine intergenerationale Beziehung auf Augenhöhe zu etablieren. Gerade im Kontext der Digitalisierung gibt es zum Beispiel immer häufiger „Reverse Mentoring“-Programme, bei denen die klassische, meist altersbasierte, Hierarchie umdreht wird und ein älterer Mitarbeiter von einem jüngeren lernt.
Gesunder Streit
Streit auf Führungsebene wird oft vermieden, da gerade klassische Alpha-Persönlichkeiten einen kollegialen Rat- oder Vorschlag sehr schnell als Angriff auf ihren eigenen Kompetenzbereich empfinden. Dieses Konfliktpotenzial wird häufig dadurch vermieden, dass es zu einer Art „Waffenstillstand“ kommt, indem sich die Alphas nicht in die Bereiche der anderen einmischen. Doch gerade durch einen ergebnisoffenen Austausch zwischen den unterschiedlichen Perspektiven verschiedener High-Performer entstehen die besten Ideen und Lösungsvorschläge.
Dafür müssen alle Beteiligten in der Lage sein, auf einer professionellen Ebene zu streiten, unabhängig von anderen individuellen Kompetenzen sind manche Führungsteams dazu nicht in der Lage. Denn in aller Regel ist die Qualität der Zusammenarbeit eines Teams erfolgsentscheidender als die Summ der Qualität seiner Einzelteile. Der ikonische Fußballtrainer Udo Lattek fasste dies vor einigen Jahre sehr prägnant zusammen: „Ich will die beste Elf, nicht die besten elf.“
Elan und Erfahrung
Die Kombination aus jugendlichem Elan und moderner Technik-Versiertheit mit pragmatischer Lebensweisheit und der Umsetzungserfahrung von mittel- bis langfristigen Strategien ist ein extrem effektives Werkzeug, um die Herausforderungen unseres volatilen Wirtschaftsumfeldes zu bewältigen. In vielen (Führungs-)Teams kann es daher sinnvoll sein, gezielt durch Menschen zu verstärken, deren Generation bislang unterrepräsentiert ist. Zu oft werden neue Hirings in einem Vakuum betrachtet und die Wahl fällt schlicht auf die oder den Kompetentesten, ohne Rücksicht auf kulturellen und menschlichen Fit zu nehmen.
Um hierbei intergenerationales Konfliktpotenzial zu minimieren, sollten Unternehmen sich um eine integrative Arbeitsumgebung für alle Altersgruppen bemühen. Dies erfordert eine klare Vision und starke Führung, die die Werte des Unternehmens vorlebt und die Bedürfnisse und Bedenken der verschiedenen Generationen gleichermaßen ernst nimmt. Dies minimiert nicht nur Streitigkeiten, sondern wirkt sich auch extrem positiv auf die Mitarbeiterzufriedenheit und -bindung aus.
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Kaan Bludau ist Gründer und Geschäftsführer der BludauPartners Executive Consultants GmbH und Inhaber der GEMINI Executive Search GmbH. Seit über 25 Jahren betreut Bludau marktführende Mittelständler, Großkonzerne und Familienbetriebe bei der Besetzung von Management- und Spezialistenpositionen.