Führungskräfte können einen erheblichen Beitrag zur erfolgreichen Durchführung der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (GB Psych) leisten. Jan-Frederik Kolthoff von move UP erläutert, was Führungskräfte konkret tun können und worauf sie achten sollten. Eine Erkenntnis vorab: Gesunde Führungskräfte haben tendenziell auch gesündere Mitarbeitende.
Eine Führungskraft kann viel dazu beitragen, dass eine GB Psych im Unternehmen erfolgreich durchgeführt wird und wirklich etwas bewirkt. Sie kann jedoch auch beeinflussen, dass die Durchführung kaum oder gar nicht anschlägt. Warum ist das so und worauf können Führungskräfte achten?
Die Führungsetage ist die treibende Kraft eines Unternehmens. Als solche nimmt sie auf diverse Unternehmensbereiche erheblichen Einfluss: Auf das Management eines bestimmten Fachbereichs und den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens, aber auch auf das Unternehmensklima, die Motivation der Mitarbeitenden und nicht zuletzt auf ihre psychische Gesundheit.
Laut einer aktuellen Studie (TK, 2023) scheint letzteres in vielen Unternehmen mittlerweile eine ernstzunehmende Herausforderung darzustellen: Immer mehr Arbeitnehmende lassen sich aufgrund von psychischen Belastungen krankschreiben. Auch die durchschnittliche Anzahl an Krankheitstagen je Erwerbsperson steigt kontinuierlich.
Um dem entgegenzuwirken, müssen Unternehmen die psychische Gesundheit in ihrem Betrieb messbar und erkennbar machen, um eine Grundlage für die Ableitung gesundheitsfördernder Maßnahmen zu schaffen, die im Unternehmen wirklich und nachhaltig etwas bewirken können. Hierfür eignet sich eine Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen (GB Psych) am Arbeitsplatz.
Was ist eine GB Psych?
Eine GB Psych dient dazu, potenzielle Risikofaktoren für die psychische Gesundheit von Mitarbeitenden am Arbeitsplatz zu identifizieren und geeignete Maßnahmen zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und Förderung der psychischen Gesundheit einzuleiten. Ihr Nutzen liegt darin, die Arbeitsbedingungen zu optimieren, psychische Belastungen zu reduzieren, das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden zu steigern sowie langfristig die Gesundheit und Zufriedenheit am Arbeitsplatz zu verbessern. Eine regelmäßige psychische Gefährdungsbeurteilung ist für alle Arbeitgeberinnen / Arbeitgeber verpflichtend.
Warum das für Führungskräfte wichtig ist
Führungskräfte können einen erheblichen Beitrag zur erfolgreichen Durchführung der GB Psych leisten. Aus den folgenden Gründen sind Führungskräfte für den Erfolg einer GB Psych so wichtig:
1. Die Vorbildfunktion der Führungskraft
Studien (Montano et al., 2017; Santa Maria et al., 2019; Skakon et al., 2010) zur Gesundheit von Führungskräften entdeckten einen positiven Zusammenhang zwischen dem Gesundheitsverhalten der Vorgesetzten und dem ihrer Angestellten. Demnach hatten gesunde Führungskräfte tendenziell auch gesündere Mitarbeitende. Die Literatur macht deutlich, dass sich die Vorbildfunktion der Führungsetage keineswegs nur auf den jeweiligen Fachbereich bezieht, sondern auch Einfluss auf Belastungsfaktoren wie das Stresslevel oder die Work-Life-Balance der Angestellten hat.
Demnach halten Mitarbeitende, deren Vorgesetzte ständige Erreichbarkeit vorleben, selbst persönliche Belastungsgrenzen und eine gesunde Work-Life-Balance seltener ein und antworten öfter auch am späten Abend noch auf E-Mails aus dem Büro.
Führungskräfte können ihre Vorbildfunktion daher insbesondere für die GB Psych nutzen, indem sie durch ihre eigene Teilnahme „mit gutem Beispiel vorangehen“ und symbolisieren, dass die Befragung wichtig und erwünscht ist, um zahlreiche, ernsthafte Teilnahmen zu generieren.
2. Interne Kommunikation
Die interne Unternehmenskommunikation ist keinesfalls nur Chef-Sache. Glaubwürdigkeit und Autorität einer Person, die eine Information vermittelt, hat jedoch erheblichen Einfluss darauf, wie sie von den Empfängerinnen / Empfängern wahrgenommen wird. In Bezug auf die interne Kommunikation in Unternehmen bedeutet das, dass Arbeitnehmende Informationen mit größerer Wahrscheinlichkeit ernst nehmen und akzeptieren, wenn sie von Führungskräften kommuniziert werden.
Um die GB Psych im Unternehmen zu unterstützen, sollten daher Führungskräfte ihre Reichweite und Position im Unternehmen nutzen, um die Wichtigkeit der Teilnahme an den Maßnahmen zu unterstreichen und eine breite Mitarbeitendenbasis zu generieren. Dazu können Vorgesetzte unter anderem E-Mails, das Intranet, Mitarbeitendengespräche, Plakate oder sogar Team-Meetings verwenden.
3. Feedback-Schleife
Führungskräfte stehen dauerhaft im Austausch mit ihren Mitarbeitenden und haben dadurch eine vorteilhafte Kontrollfunktion inne. Für den nachhaltigen Erfolg einer GB Psych ist es essenziell, dass der Fortschritt kontinuierlich überwacht wird. Hierbei spielen Führungskräfte eine wichtige Rolle, denn regelmäßige Feedbackschleifen zwischen ihnen, ihren Mitarbeitenden und den Durchführenden der GB Psych ermöglichen es, den Erfolg der Maßnahmen zu bewerten und bei Bedarf schnell Anpassungen vorzunehmen. Das generiert eine nachhaltigere GB Psych.
4. Einfluss auf Stress
Neben dem Einfluss durch die Vorbildfunktion tragen Führungskräfte auch zum psychischen Wohlbefinden von Mitarbeitenden bei. Studien (Dellve, Skagert, & Vilhelmsson, 2007; Gilbreath und Benson, 2004; Kuoppala et al., 2008; Nerdinger, 2014) untersuchten den Zusammenhang zwischen Führung und einer gesunden Arbeitsumgebung sowie den Auswirkungen auf Arbeitsstress und Wohlbefinden. Die Ergebnisse zeigten, dass ein positives Führungsverhalten mit geringerem Arbeitsstress und besserem Wohlbefinden der Mitarbeitenden verbunden war. Gleichermaßen ist erwiesen, dass eine Führungskraft, die Programme zur Gesundheitsförderung anbietet sowie ihre Mitarbeitenden allgemein aktiv unterstützt, insgesamt gesündere, glücklichere und weniger gestresste Angestellte aufweist.
Worauf können Führungskräfte achten und was sind häufige Fehler in der Durchführung einer GB Psych?
Damit die GB Psych eine positive Veränderung im Unternehmen bewirken kann, müssen die Mitarbeitenden Vertrauen in deren Erfolg haben. Andernfalls nehmen sie an den Befragungen nur halbherzig oder gar nicht teil, was im Umkehrschluss zu verzerrten, ungenauen oder nicht ausreichenden Ergebnissen führt. Mangelnde Kommunikation und Beteiligung seitens der Führungskraft kann dem Vertrauensaufbau im Weg stehen, weswegen besonderes Augenmerk auf die Kommunikation und offene Dialogkultur gerichtet werden sollte.
Eine klare Kommunikation über den Zweck der Umfrage, die Verwendung und Ableitung der Ergebnisse sowie die Bedeutung der Teilnahme der Mitarbeitenden trägt einen großen Teil zum Vertrauensaufbau bei. Hierbei sollten Führungskräfte auch einen zeitlichen Rahmen der Befragung vorgeben, beispielsweise durch regelmäßige Erinnerungen. Zusätzlich sollte darüber aufgeklärt werden, wie es nach der Befragung weitergeht und auch regelmäßige Updates zum Maßnahmen-Umsetzungs-Prozess sind empfehlenswert.
Denn die Mitarbeitenden in den Prozess einer GB Psych einzubinden ist in der Regel immer von Vorteil: Eine fehlende Einbindung kann dazu führen, dass ihre Perspektiven und Bedürfnisse nicht ausreichend berücksichtigt werden, was wiederum zu einer Ableitung von Maßnahmen führt, die im Unternehmen nicht zielführend sind.
Außerdem kann dadurch Unzufriedenheit bei den Mitarbeitenden steigen, da sie nicht gehört werden und das Gefühl entsteht, nicht ernst genommen zu werden. Zusätzlich fördert die Einbindung von Mitarbeitenden eine offene Dialogkultur, sie steigert die Chance auf ein ehrliches Feedback und wirkt der Stigmatisierung von psychischen Problematiken entgegen.
Wo können sich Führungskräfte Hilfe holen?
Eine GB Psych durchzuführen ist kein leichtes Unterfangen. Es gibt vieles, auf das Durchführende zu achten haben und viele Faktoren, die mitbestimmen, ob die GB Psych Erfolg hat oder nicht. Dass die gesamte Verantwortung hierbei bei den Führungskräften liegt, ist demnach schlichtweg nicht möglich. Glücklicherweise gibt es genügend Unterstützungsangebote und Ressourcen, auf die zurückgegriffen werden kann.
Darunter fallen zum einen interne Unterstützungsangebote durch HR-Abteilungen, aber auch Hilfsangebote von externen Beratungsdiensten. Diese können die Führungskraft sowie das gesamte Unternehmen in der Planung, Durchführung und Auswertung einer GB Psych Schritt-für-Schritt unterstützen. Beratungsunternehmen verfügen häufig über Fachwissen und Erfahrung in diesem Bereich und können maßgeschneiderte Lösungen und Empfehlungen bieten.
Auch finden sich Leitfäden und Handbücher online oder in Bibliotheken, die häufig Informationen und Anleitungen zur Durchführung einer GB Psych bieten. Diese Ressourcen enthalten häufig Schritt-für-Schritt-Anleitungen, bewährte Verfahren, Fragebogenbeispiele und Empfehlungen zur Umsetzung von Maßnahmen, die von den Durchführenden und Führungskräften in Anspruch genommen werden können. Zusätzlich führen Forschungsinstitute und Universitäten oft Studien und Forschungsarbeiten im Bereich der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz durch. Ihre Forschungsergebnisse können wertvolle Ressourcen darstellen und helfen, fundierte Entscheidungen bei der Umsetzung einer GB Psych zu treffen.
Fazit
Nicht selten fühlen sich Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ausgelaugt und überfordert. Diesen negativen Trend beobachten viele Unternehmen. Eine GB Psych ist eine Chance, um psychische Belastungen frühzeitig zu erkennen und vorzubeugen. Führungskräfte sind bei einer psychischen Gefährdungsbeurteilung von großer Bedeutung. Sie spielen eine Schlüsselrolle bei der Integration der psychischen Gefährdungsbeurteilung in den Arbeitsalltag. Sie sind unmittelbar mit ihren Mitarbeitenden verbunden und können somit maßgeblich zur Förderung der psychischen Gesundheit am Arbeitsplatz beitragen.
Literatur:
Dellve, L., Skagert, K., & Vilhelmsson, R. (2007). Leadership in workplace health promotion projects: 1-and 2-year effects on long-term work attendance. European journal of public health, 17(5), 471-476.
Gilbreath, B., & Benson, P. G. (2004). The contribution of supervisor behaviour to employee psychological well-being. Work and Stress, 18(3), 255–266. https://doi.org/10.1080/02678370412331317499
Montano, D., Reeske, A., Franke, F., and Hüffmeier, J. (2017). Leadership, followers’ mental health and job performance in organizations: a comprehensive meta-analysis from an occupational health perspective. J. Organ. Behav. 38, 327–350. https://doi.org/10.1002/job.2124
Nerdinger, F. W. (2014). Führung von Mitarbeitern. In F.W. Nerdinger, G. Blickle, N.
Schaper (Hrsg.), Arbeits- und Organisationspsychologie (S. 83–103). Springer.
https://doi.org/10.1007/978-3-642-41130-4_7
Santa Maria, A., Wolter, C., Gusy, B., Kleiber, D., and Renneberg, B. (2019). The impact of health-oriented leadership on police officers’ physical health, burnout, depression and well-being. Polic. J. Policy Pract. 13, 186–200. https://doi.org/10.1093/police/pay067
Skakon, J., Nielsen, K., Borg, V., & Guzman, J. (2010). Are leaders‘ well-being, behaviours and style associated with the affective well-being of their employees? A systematic review of three decades of research. Work & Stress, 24(2), 107–139. https://doi.org/10.1080/02678373.2010.495262
Technikerkrankenkasse. (2023, March 22). #whatsnext – arbeiten in der digitalen Arbeitswelt. Die Techniker. https://www.tk.de/presse/themen/praevention/gesunder-arbeitsplatz/arbeitgeber-studie-whatsnext-2145326
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Nach einem dualen Physiotherapiestudium und verschiedenen Stationen als Athletiktrainer und Physiotherapeut in der Bundesliga gründete Jan-Frederik Kolthoff die move UP Gesellschaft für Gesundheitsmanagement, eine der führenden 360° Dienstleistern für betriebliches Gesundheitsmanagement. Vor und während der move UP war Jan-Frederik Kolthoff an der Gründung verschiedener Start Ups und Kommunikationsagenturen beteiligt.