Warum Futures Literacy (Zukunftskompetenz) für Führungskräfte wichtig ist und wie Unternehmen die Kompetenzen der Gen Z genau dafür nutzen, erläutert Klaus Hansen, Geschäftsführer Odgers Berndtson Deutschland.
Gen Z und Arbeitsmarkt scheint auf den ersten Blick kein guter Match. Die junge Generation will anders und vor allem weniger arbeiten, was bei den Unternehmen nicht gut ankommt. Doch vielleicht sind genau diese neuen Ansprüche jene Zukunftskompetenz, die ältere Generationen bisher schlicht nicht brauchten.
Sie ist das derzeit wohl meist diskutierte Phänomen am Arbeitsmarkt – die Generation Z und ihre Einstellung zu eben jenem. Von Faulheit über Illoyalität bis hin zum Flop als Arbeitnehmende wird der heranwachsenden Generation vieles nachgesagt. Fakt ist, dass die Ist-Situation am Arbeitsmarkt und die Kompetenzen, die heute wichtig sind, im Kontrast zu dem zu stehen scheinen, was die Gen Z bereit ist, im Job zu leisten und im Gegenzug dafür erwartet – nämlich vor allem Sinnhaftigkeit, wie auch unser Manager Barometer unterstreicht, oder eine ausgeglichenere Work-Life-Balance als es ihre Elterngeneration vorgelebt hat.
Auch deshalb sind die Verantwortlichen in Personalabteilugen und Führungsetagen bestenfalls skeptisch, ob und wie Vertreter der Gen Z künftig Positionen mit Verantwortung besetzen sollen. Wer beim Versuch, hierauf Antworten zu liefern, jedoch nur das Für und Wider dieser Generation analysiert, greift vermutlich zu kurz. Denn worauf es zusätzlich ankommt, ist eine gut entwickelte Futures Literacy – und hier könnte die Gen Z durchaus punkten.
Die Fähigkeit, schon heute das Morgen zu denken
Übersetzen lässt sich Futures Literacy wohl am besten mit Zukunftskompetenz. Die UNESCO sieht darin die Suche nach „verborgenen, unhinterfragten und manchmal fehlerhaften Annahmen über gegenwärtige und vergangene Systeme.“ Und im Prinzip macht die Gen Z im Bezug auf den Arbeitsmarkt genau das: Sie überwindet die Vorstellung von Sicherheit und vorhandener Normen. Sie wählt die aus ihrer Sicht langfristige, weil mental gesunde Strategie gegenüber der kurzfristigen, an den Status Quo angepassten.
Und genau das ist, was künftige Führungskräfte benötigen: Zukunftskompetenz. Sie müssen gestalten, Visionen haben und diese mit Optimismus und Elan umsetzen. Dazu gehört eine gewisse Experimentierfreude genauso wie eine große Vorstellungskraft oder die Fähigkeit, durch Perspektivwechsel neue Trends abzuleiten. Vor allem aber gehört der Mut dazu, schon heute Dinge auszusprechen, die den Status Quo hinterfragen und deshalb zunächst Unbehagen auslösen oder gar für Empörung sorgen.
Futures Literacy trifft Neo-Ökologie
Denn dass wir den Status Quo überprüfen müssen, steht außer Frage. Beispiel Ressourcenknappheit: Sie wird in den kommenden Jahren und Jahrzehnten zunehmen und damit Handel, Konsum und Produktion gravierend verändern. Das Zukunftsinstitut fasst diesen Megatrend unter dem Stichwort Neo-Ökologie zusammen, der eine neue lösungsorientierte Handlungsmoral schafft, die unseren Alltag und damit branchenübergreifend Unternehmen stark beeinflusst. Die Forscher des Zukunftsinstituts attestieren: „Sämtliche Wirtschaftsbereiche und -faktoren verändern sich derzeit in diese Richtung, von der Sicherung der Standortqualität bis zur Adressierung der neuen Erwartungsmuster, die den Konsum im 21. Jahrhundert kennzeichnen.“
Die Gen Z könnte also zum bisher fehlenden Bindeglied zwischen diesen vielschichtigen neuen Trends und Einflüssen werden, zu einer Generation, die alles zu einem sinnvollen Ganzen zusammenfügt. Zum einen haben ihre Vertreter das Potenzial und den Willen, Verantwortung zu übernehmen. Laut einer Befragung der privaten Wirtschaftshochschule Insead können sich nämlich 61 Prozent durchaus vorstellen, Führungskraft zu werden. Allerdings verbinden sie Führung eben nicht primär mit monetärem Ehrgeiz, sondern mit dem viel zitierten Purpose, der im Rahmen der Neo-Ökologie definitiv bedient wird.
PS auf die Straße bringen
Auf den ersten Blick liefert die Gen Z sicherlich keine Wunschkandidaten für das nächste Führungskräftetraining, schon gar nicht in Hülle und Fülle. Der Gen Z deshalb strikt verantwortungsvolle Positionen vorzuenthalten, ist allerdings auch keine Option. Somit sollten wir den „jungen Wilden“ zugestehen, dass sie vielleicht gerade dabei sind, mit ihrer unkonventionell erscheinenden Zukunftskompetenz den bestehenden „Present Bias“ zu überwinden, den ältere Generationen nicht mehr sehen. Vielleicht läuten sie also auch die notwendigen Veränderungen ein, die wir auch aus wirtschaftlicher Sicht brauchen. Deshalb ist es klug, sich nicht zu sehr auf die negativen Eigenschaften einer ganzen Generation zu konzentrieren, sondern mit geschickten Maßnahmen dafür zu sorgen, ihre definitiv vorhandenen PS auf die Straße zu bringen.
Für Unternehmen heißt das, dass sie die Erwartungen der Gen Z an die Zukunft ernst nehmen und in ihre strategischen Überlegungen einbeziehen sollten. Es gilt, Neo-Ökologie, Purpose, Flexibilität und Work-Life-Balance in Einklang mit den wirtschaftlichen Zielen eines Unternehmens zu bringen – die dabei unter Umständen auch neu gedacht werden müssen. Und das sollte nicht als Zugeständnis oder Ergebnis eines Arbeitnehmermarktes verstanden werden. Denn auf die eine oder andere Art und Weise müssen Unternehmen die Gen Z ohnehin überzeugen – wenn nicht als Mitarbeitende, dann als Konsumenten. Besser also, es gelingt auf beiden Ebenen.
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Klaus Hansen ist Partner bei Odgers Berndtson im Frankfurter Büro und leitet die funktionalen Practices „Chair & Board“ und „CEO“ in Deutschland. Seit 1995 ist er auf die Besetzung und Auditierung von Vorstands-, Geschäftsführungs- und Aufsichtsratsfunktionen sowie von obersten Leitungsebenen sowohl bei Konzernen als auch bei inhabergeführten Unternehmen spezialisiert. Zu seinen Klienten zählen dabei vorzugsweise Unternehmen aus den Branchen Technische Gebrauchsgüter, Maschinen- und Anlagenbau, Energiewirtschaft, Luft- und Raumfahrttechnik sowie Logistikdienstleister. Foto: ©Julia Reisinger