Am Anfang eines Kulturwandels steht die Rückbesinnung auf die eigenen Werte. Nadine Trautwein, Geschäftsführerin von HUNTER, schildert fünf Learnings, die sie aus dem Kulturwandel in ihrem Unternehmen gezogen hat.
2007, als ich meinen Vater ablöste und die Geschäftsführung von HUNTER übernahm, war klar: es werden einige Veränderungen anstehen. Weil es die Zeit wollte. Und weil ich es wollte. Mein Vater hat HUNTER aufgebaut und jahrzehntelang erfolgreich geführt. Aber ich wollte nicht alles genau so weitermachen. Ich wollte meinen eigenen Weg finden und hatte auch einfach große Lust auf “neu machen”.
Digitalisierung und Internationalisierung waren zum Beispiel Themen, die ich vorantreiben wollte. Ich habe aber schnell gemerkt, dass es dafür nicht nur neue strategische Handlungsstränge braucht, sondern auch ein neues Mindset, eine neue Kultur. Aber wie geht man eine so große Aufgabe wie einen Kulturwandel an? Hier kommen fünf Learnings, die ich gezogen habe.
Mein erster Rat: Coaching!
Die Unternehmenskultur ist ein unglaublich wichtiger Faktor für die Mitarbeiterzufriedenheit, aber auch für den Erfolg eines Unternehmens. 97 Prozent der befragten Fachkräfte sagen in einer Stepstone-Studie, dass der Cultural Fit ihnen wichtig ist. Für rund 28 Prozent ist eine nicht passende Unternehmenskultur ein Kündigungsgrund.
Heißt: Unternehmenskultur ist ein wichtiges und sensibles Thema, das nicht völlig unbedarft angegangen werden sollte. Es braucht Fingerspitzengefühl. Struktur. Einen Plan. Und was ich empfehlen würde: Unterstützung von Experten, von Menschen, die schon in best practices bewiesen haben, dass sie es drauf haben. In meinem Fall waren es professionelle Coaches und Mentoren.
Eine coachende Person bringt ganz automatisch eine Sachlichkeit und Neutralität mit, die sich auf das ganze Team überträgt. Und vor allem weiß ein(e) Coach(in) einfach, worauf es ankommt, stellt die richtigen Fragen zur richtigen Zeit und schafft schnell viel Klarheit. Ich erinnere mich noch an einen der Sätze: “Wenn Dein Unternehmen wüsste, was Dein Unternehmen weiß!” Vieles ist einfach schon da. Man muss nur achtsam hinhören. Allein aus den Stories und Erlebnissen, die wir uns gegenseitig erzählt haben, konnten wir unseren Sinn, unser Narrativ und das was HUNTER für uns, und Menschen, die mit uns in Kontakt sind, ausmacht, herausarbeiten.
Mein zweiter Rat: Den Status Quo reflektieren
Wenn du etwas verändern willst, musst du erst einmal den Status Quo kennen. Also welche Kultur wird in meinem Unternehmen überhaupt gelebt? Aber erst einmal: Was genau bedeutet Unternehmenskultur eigentlich? Hier eine Definition: “Die Unternehmenskultur beschreibt das Wertesystem, nach dem alle Mitglieder eines Unternehmens handeln, miteinander umgehen und Entscheidungen treffen”. Kurz: Die Kultur ist die Art und Weise, wie bestimmte Werte gelebt werden.
Jedes Unternehmen hat eine Kultur. Aber viele Unternehmen kennen zwar ihre internen Strukturen und Abläufe, wissen aber gar nicht, welche Werte dahinterstecken. Sie kennen ihre eigenen Werte, also auch ihre Kultur, nicht wirklich.
Diese Werte gemeinsam zu erarbeiten – oder vielmehr aufzudecken – ist meiner Meinung nach der wichtigste Schritt. Für egal welche Maßnahme. Meine Erfahrung hat gezeigt: Es ist oft schon alles da. Der gesamte Werkzeug- oder in diesem Fall Wertekoffer. Es muss nur genau hingeschaut und zugehört werden!
Reflexion ist ein mittlerweile bekanntes Werkzeug. Unternehmen sollten dieses Werkzeug mehr anwenden. Um sich immer wieder zurückzubesinnen auf die eigenen Werte. Und um diese dann stetig zu hinterfragen. Fragen, die hierbei helfen können: Was ist uns wichtig? Was macht uns aus? Welche Highlights haben wir erlebt und wie haben wir uns dabei gefühlt? Wie gehen wir bestimmte Dinge an? Wollen wir das auch weiterhin so machen?
Mein dritter Rat: Maßnahmen gemeinsam beschließen
Über Kulturwandel zu sprechen, wird noch keinen Kulturwandel herbeiführen. Also müssen den Worten irgendwann auch Taten folgen. Hier ist es wichtig – und nur fair – das gesamte Team mit einzubeziehen und mitbestimmen zu lassen. Denn am Ende betreffen die Veränderungen nicht nur dich als Führungskraft, sondern ALLE im Team. Indem du deine Mitarbeitenden von vornherein mit ins Boot holst, signalisierst du ihnen: Hey, deine Meinung ist hier wichtig! So machst du sie zu Kumpan/-innen deiner Mission.
Wenn die Mitarbeitenden einen Maßnahmenplan vorgelegt bekommen, bei dem sie keinerlei Mitspracherecht hatten, ist Gegenwind vorprogrammiert.
Viele mitreden zu lassen, bedeutet natürlich auch viel Zeit zu investieren. Viele Meetings und viel Austausch – auch mal Diskussion. Aber am Ende wird sich dieser Weg immer auszahlen. In vielfacher Hinsicht.
Mein vierter Rat: Veränderung fängt bei Dir selbst an
Es wurden einige Maßnahmen beschlossen. Und nun? Umsetzen! Machen! Und zwar bei dir selbst anfangen. Es gibt einige Kalendersprüche in dieser Richtung. Wie: “Sei du selbst die Veränderung, die du dir wünschst für diese Welt.” Hundertmal gehört. Aber Recht haben sie! Vorgesetzte können Wandel nicht nur befehlen, sondern müssen ihn auch selbst leben. Mehr noch: Sie müssen ihn vorleben. Wenn du eine offene Fehlerkultur etablieren willst, kannst du in deinem Chefbüro keine Ausnahme machen. Du solltest genauso wie alle anderen so offen und ehrlich sein, deine Fehler zuzugeben und zu teilen.
Ich selbst bin sehr dankbar für den Austausch mit meinen persönlichen Coaches, die mich in Themen wie Leadership, Mindset, Storytelling, Neurostrategie, die Gestaltung der eigenen Lebensbereiche – nicht nur in meiner Rolle der Unternehmerin – sehr bereichert haben. Durch diese intensive Zeit habe ich mich nochmal besser kennengelernt und meine Wünsche, Ziele und Bedürfnisse klar erkannt. Diese Learnings an meine Mitarbeitenden in intensiven One-on-One-Gesprächen, beim lockeren Austausch beim Hundespaziergang oder in der Kantine weiter zu geben, macht mir besonders viel Freude.
Und mein letzter Rat? Eine Kultur der Veränderung etablieren
Veränderung ist in den letzten Jahren normal geworden. Und das ist auch gut so. Und genauso muss Kulturwandel normal werden. Nur so kann flexibel auf die Veränderungen im Außen reagiert werden. Dafür ist es wichtig, dass Veränderung intern im Team angenommen und positiv besetzt wird. Weil Veränderung auch immer Chancen bedeutet! Einer meiner Lieblingssätze lautet: “ALLES im Leben passiert FÜR uns!” Das impliziert, dass ich an jeder Situation, Herausforderung etwas Gutes finden kann:
- Was kann ich aus dieser Situation lernen?
- Wofür ist diese Erfahrung gut?
Automatisch richte ich meinen Fokus, meine Gedanken auf die positiven Aspekte und darüber hinaus, komme ich so ins Handeln, bin der Gestalter der Situation und agiere selbstbestimmt. Sich in die Opferrolle zu begeben, hat noch niemanden glücklich gemacht und Probleme werden damit auch nicht gelöst.
Ich glaube, heute sind in unserem Team alle sehr froh über das, was wir in den letzten Jahren angepackt und verändert haben.
Wall of Fame & Put the fish on the table
Viele Rituale möchten wir nicht mehr missen. So zum Beispiel unsere HUNTER Wall of Fame, wo jeder jeden wertschätzt, der im Sinne unserer Unternehmenskultur agiert, auf Augenhöhe, unterstützend, für tolle Erfolge. Hier lesen sich wunderschöne Geschichten voller Dankbarkeit und Anerkennung über alle Unternehmensbereiche hinweg. Neben der Wertschätzung schafft dieses auch Verbundenheit untereinander.
Oder unser “Put the fish on the table”-Meeting. Hiermit bedienen wir unseren Wert der Offenheit. Und schaffen mit diesen Meetings die Möglichkeit, Themen –gerade die unangenehmen – offen anzusprechen. Mit dem Ziel, Lösungen zu finden, bevor der Fisch zu stinken anfängt 😉. Oder anders ausgedrückt: “Aus Shit mach Hit!”
Am Anfang war das schon eine Überwindung, aber gerade die unangenehmen Situationen bringen uns deutlich stärker ins Handeln. Und nachdem alle gelernt haben, dass nichts passiert, wenn Problemthemen angesprochen werden und es absolut fein ist, wenn man sich Hilfe holt und eigene Schwächen anspricht und wir uns nicht gegenseitig etwas “verkaufen” müssen, können wir zielgerichtet an Lösungen arbeiten. Auch das schafft großes Vertrauen untereinander.
Ein wöchentlich stattfindendes Führungskräfte-Coaching zu Strategie, Leadership und Struktur/ Architektur und Prozessen hilft uns ebenfalls als Führungsverantwortliche, in ganz enger Abstimmung zu sein und die Themen in sämtliche Teams abgestimmt und klar weiter zu geben.
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Im Jahr 2000 stieg Nadine Trautwein bei HUNTER, dem Bielefelder Spezialisten für hochwertiges Tierzubehör, ein und führt seit dem Jahr 2007 das weltweit erfolgreiche Unternehmen mit einem Team von rund 160 engagierten Mitarbeitern, die die Begeisterung für die Marke teilen und Tiere lieben.