Führungskräfte wollen flexibel arbeiten

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Hohe Gehälter reichen nicht aus. Eva-Maria Sieland, Randstad Deutschland: Vor allem flexible Strukturen zählen jetzt im Führungskräfte-Recruiting.

Flexible Arbeitszeitmodelle und Angebote für remote Work sind die wichtigsten Assets, um Talente erfolgreich zu rekrutieren. Führungskräfte sind da keine Ausnahme, auch wenn viele eher dieses Bild im Kopf haben: Führungskräfte sind rund um die Uhr im Office, kommen als erste, gehen als letzte und sind auch in ihrer Freizeit immer erreichbar.

Auf immer mehr Menschen wirkt diese Vorstellung jedoch abschreckend. Gerade durch die Corona-bedingten Veränderungen im beruflichen Umfeld haben viele Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer und Betriebe neue Möglichkeiten der Arbeitsorganisation kennengelernt. Das wirkt sich auch auf das Recruiting aus. Wer aktuelle Jobausschreibungen scannt, stellt fest, dass zum Beispiel Homeoffice immer öfter zum Angebot gehört. Betriebe sollten diesen Trend nicht zu schnell wieder abschreiben. Prognosen zeigen, dass mit einer langfristigen Veränderung der Wünsche und Bedürfnisse von Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmern zu rechnen ist.

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Und gerade wenn es um die Gestaltung von Führungspositionen geht, haben Unternehmen schlechte Karten, wenn sie Kandidatinnen / Kandidaten weiterhin starre Strukturen vorsetzen wollen. Wer also eine Führungskraft sucht, aber nur klassische Anreize wie hohe Gehälter und Statussymbole bietet, wird lange suchen müssen – und oft vergebens.

Was Führungskräfte wollen

Führungskräfte wollen flexible und zukunftsgewandte Strukturen – auch nach der Pandemie. Doch was bedeutet das? Ein Blick auf die jüngeren Generationen hilft, um zu verstehen, wo der Trend am Arbeitsmarkt hingeht. So ist Arbeit insbesondere für Schul- und Studienabgänger mehr als nur ein Mittel zum Zweck, um den Lebensunterhalt zu bestreiten. Sie suchen nach sinnstiftenden Berufen, stellen ethische Fragen, wünschen sich flexible Arbeitsmodelle, sortieren Berufe schnell aus, wenn sie eine schlechte Work-Life-Balance befürchten.

Diese Wünsche sind bei jüngeren Generationen, also den Führungskräften von morgen, am ausgeprägtesten. Noch viel wichtiger: Auch auf ältere Personen färbt dieser Wertewandel ab. So beschreiben etwa ein Drittel der Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer in Deutschland ihren idealen Arbeitsplatz als ein Umfeld, in dem sie ihre Arbeitszeiten flexibel gestalten können. Für fast genauso viele Menschen ist eine Kombination aus Arbeiten von zu Hause und im Büro wichtig. Das zeigt das Randstad Arbeitsbarometer vom 2. Halbjahr 2020.

Die richtigen Anreize schaffen

Was bedeutet das für Unternehmen auf der Suche nach Führungskräften? Sie müssen lernen, Führung neu zu denken. Kandidatinnen / Kandidaten in Managementpositionen wollen heute als Charaktere mit speziellen Fähigkeiten wahrgenommen und wertgeschätzt werden – und nicht nur einem bestimmten Chef-Typus entsprechen, der sich 24/7 im Büro seiner Arbeit widmet. Auf der Wunschliste von Führungskräften steht: Freiheit, vielfältige Gestaltungsmöglichkeiten und eine gute Work-Life-Balance. Konkret bedeutet das für Unternehmen, flexible Arbeitszeiten, remote Work oder alternative Arbeitsmodelle wie Job-Sharing auch potenziellen Führungskräften anzubieten.

Natürlich bleiben auch klassische Faktoren wichtig. So zählen ein attraktives Gehalt, eine hohe Arbeitsplatzsicherheit und eine angenehme Arbeitsatmosphäre laut der jährlichen Abfrage in der Studie Randstad Employer Brand Research regelmäßig zu den Top-Kriterien bei der Arbeitgeberwahl. Allerdings überzeugen Betriebe Führungskräfte längst nicht mehr mit einem hohen Gehalt oder anderen klassischen Faktoren. Auch ein Dienstwagen oder ein Smartphone ändert nichts daran, denn diese Dinge gelten vielerorts bereits als selbstverständlich. Wer Führungskräfte nicht nur für sich gewinnen, sondern sie auch binden will, muss ihnen die Chance geben, ihre Führung individuell und flexibel zu gestalten.

Neue Anforderungen an Führungskräfte

Wenn wir Führungskräfte neu denken und auch ihre Rolle neu einordnen, bedeutet das gleichzeitig, dass sich die Anforderungen an diese Positionen verändern. Beim Recruiting ist daher nicht nur wichtig, neue Anreize zu schaffen, um die richtigen Kandidatinnen / Kandidaten für sich zu gewinnen, sondern auch neue Kompetenzen einzufordern. Denn wenn Führung flexibler und digitaler wird, reicht fachliche Kompetenz nicht mehr für den Job aus. Sie bleibt weiterhin wichtig, allerdings rücken Soft Skills zunehmend in den Fokus. Emotionale Intelligenz, die Fähigkeit Teams zu motivieren, ein Vertrauensverhältnis aufzubauen und ein gutes Zeitmanagement werden zu wichtigen Schlüsselkompetenzen. Das bedeutet aber auch, Unsicherheiten aushalten zu können, offen und transparent zu kommunizieren, kreativ, analytisch und kritisch zu denken sowie sich selbst regelmäßig zu reflektieren.

Chance fürs Recruiting

Meine Erfahrung zeigt, dass Betriebe, die Flexibilität bieten, nicht nur die richtigen Kandidatinnen / Kandidaten ansprechen, sondern auch ihre Arbeitgebermarke stärken. Denn sie schaffen nicht nur die richtigen Anreize, um die passenden Talente anzusprechen. Sie erweitert so auch ihr Such-Spektrum. Denn mit neuen Anforderungen kommen neue Talente als Führungskräfte infrage, die sie vorher nicht auf dem Radar hatten. Diese neuen Ansätze beim Führungskräfte-Recruiting verdeutlichen, dass ein Betrieb neue Wege einschlägt und Flexibilität wirklich lebt.

Foto Eva-Maria Sieland

Eva-Maria Sieland ist Expertin für Permanent Placement. Seit 25 Jahren unterstützt Sie Kandidatinnen / Kandidaten und Unternehmen dabei, ihr Potenzial auszuschöpfen. Seit 2019 ist sie Director Finance & Permanent Placement Deutschland bei Randstad Deutschland.

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