Führen in der Coronakrise – worauf es jetzt ankommt

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Starke Leader, die klare Orientierung geben, statt „Schönwetter-Kapitäne“ sind heute gefragt, sagt Jörg Kasten, Chairman der Boyden World Corporation.

Seit Frühjahr 2020 hält die Corona-Pandemie die Märkte weltweit in Atem. Das wirkt sich auf die Arbeitswelt in Unternehmen und damit natürlich besonders auf die Ansprüche an die traditionelle Führungsarbeit aus. Ausgerechnet die größte Wirtschaftskrise seit dem Zweiten Weltkrieg agiert dabei als Katalysator. Veränderung ist auf nahezu allen Ebenen nicht länger eine Option, sondern obligatorisch. Jetzt schlägt die Stunde von krisenfesten Charakteren, die sich nicht vor schwierigen Entscheidungen wegducken, sondern auch „im Sturm“ aufrecht stehen – denn unangenehme und richtungsweisende Entscheidungen, die in manchen Unternehmen oder gar Branchen zu einem Paradigmenwechsel führen können, kommen unweigerlich auf die Top-Manager zu.

Starke Leader, die klare Orientierung geben, statt „Schönwetter-Kapitäne“ heißt daher das aktuelle Anforderungsprofil. Schließlich sind viele Firmen in ihrer Existenz bedroht – Werksschließungen und Arbeitsplatzabbau oft unumgänglich. Die Krise verlangt von den Führungskräften also ein großes Umdenken, ein einfaches „Weiter so“ oder ein „Verwalten des Erreichten“ kann es nicht geben. Doch welche weiteren Charaktereigenschaften benötigen Krisenmanager in diesen Veränderungsprozessen, um Unternehmen wieder in ruhiges Fahrwasser zu führen? Und bringen Führungskräfte nach Jahren des wirtschaftlichen Booms, in denen es in vielen Betrieben oft nur um die Höhe der Boni ging, überhaupt die nötige Agilität mit?

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Unaufgeregt agieren, klar und transparent kommunizieren

Aus Sicht der Unternehmen ist es momentan einfacher, als in wirtschaftlich stabilen Zeiten die Qualität ihrer Manager zu identifizieren. Die aktuelle Krise zeigt deutlich, welcher Top-Manager auch in Phasen ökonomischen Umbruchs anpackt und mit der Situation angemessen umzugehen weiß. Diese zupackenden Macher zeichnen sich dadurch aus, dass sie unaufgeregt mit der Situation umgehen, klar und transparent kommunizieren und sich auch vor harten Maßnahmen nicht scheuen, diese aber auch vor allen Stakeholdern begründen und umsetzen können. Es geht darum, nun mit Augenmaß auszuloten, welche Möglichkeiten man hat. Das nennt man Ambiguitätstoleranz: sich also auf die Mehrdeutigkeit und Ambivalenz von Konstellationen bewusst einzulassen und sowohl konstruktiv als auch innerlich gelassen mit ihnen umzugehen. Eigenschaften, die in ruhigeren Zeiten nur selten an den Tag gelegt werden müssen und daher oft im Verborgenen bleiben.

Gute Führungskräfte stärken ihre Resilienz

Gute Führungskräfte stärken daher ihre Resilienz. Diese Widerstandskraft zahlt sich nicht nur in Krisen aus, sondern überträgt sich auch auf das gesamte Team – und damit den künftigen Unternehmenserfolg. Grundsätzlich beschreibt Resilienz die Fähigkeit, Stress zu überwinden und eine positive Grundstimmung aufrechtzuerhalten. Sie führt dazu, dass Führungskräfte schwierige Situationen besser bewerten und verarbeiten können. Dafür ist ein hohes Maß an Flexibilität gefragt, sowohl geistig als auch emotional.

Resiliente Führungskräfte sorgen demnach dafür, dass sich die Mitarbeiter als Teil eines größeren Ganzen fühlen, sich ihrem und dem Purpose der gesamten Organisation bewusst werden und ein Vorbild für ihre eigene Haltung haben. Der Führungskraft eröffnet sich dadurch auch ein stärkerer kommunikativer Zugang zu den Angestellten. Das wird sich auch in der Post-Corona-Zeit als Erkenntnis durchsetzen und in einen klaren Wettbewerbsvorteil umsetzen lassen. Unternehmen tun im Hinblick auf die Post-Corona-Zeit daher gut daran, solche Manager-Typen entweder nun zu finden und für sich zu gewinnen oder in den eigenen Reihen zu identifizieren und an sich zu binden.

Klare und richtungsweisende Kommunikation seitens des Top-Managements

Aus diesem Grund ist gerade die interne Kommunikation in Zeiten von COVID-19 die DNA erfolgreicher Unternehmensführung. In Krisensituationen brauchen Unternehmen klare und richtungsweisende Kommunikation seitens des Top-Managements. Führungskräfte müssen – auch wenn sie unangenehme Wahrheiten übermitteln – mehr denn je die Bedürfnisse der Angestellten verstehen und adäquat darauf reagieren: Ängste nehmen, Verbundenheit vermitteln und Chancen aufzeigen. Der Duktus ist sicherlich informeller als vor der Pandemie, der Ton empathischer beziehungsweise dialoglastiger – bottom-up statt top-down lautet die Devise. Es gilt, die Mitarbeiter individuell wie auch als Team zu stärken und eine glaubhafte Perspektive für die Zukunft zu entwickeln. Von der Führungskraft wird verlangt, die Integrations- und Leitbildfunktion noch stärker mit Leben zu füllen. Denn alle Augen sind auf sie gerichtet. Mitarbeiter wünschen sich besonders in Krisensituationen eine proaktive, transparente und verantwortungsvolle Führung, die Sicherheit, Orientierung und Zuversicht gibt.

Dieser neue Kommunikationsstil ist wegweisend, denn wie so oft in wirtschaftlichen Ausnahmesituationen müssen Führungskräfte unpopuläre Entscheidungen treffen: Harte Einschnitte wie Standortschließungen und Personalabbau sind oft das Ultima Ratio. Solche drastischen Maßnahmen müssen daher umso klarer kommuniziert und erklärt, die Entscheidungsgrundlage transparent gemacht werden. Die derzeitige Krise verlangt von den Führungskräften also eine Mischung aus Transparenz, Empathie und Durchsetzungskraft verbunden mit einer proaktiven Verständigung. Nicht wenige Top-Manager müssen sich daher vom „Schönwetterkapitän“ zum „Krisenkommandanten“ weiterentwickeln. Denn dies ist auch eine Erkenntnis der Krise: Auf wichtigen Positionen sitzen nicht immer die leistungsfähigsten und resilientesten Kandidaten.

Ära des allwissenden Managers ist vorbei

Die Ära des allwissenden Managers, der andere bei der Umsetzung anleitet, ist endgültig vorbei. Der Leader von morgen muss verschiedene Blickwinkel zusammenzuführen und koordinieren. Die Fähigkeit, sich auf potenziell Neues einzulassen, sich innovative Arten der Kommunikation, beispielsweise hinsichtlich des Vertriebs oder der Kundengewinnung anzueignen, gehört zum Handwerkszeug eines auch künftig erfolgreichen Krisenmanagers. Ist man vor einigen Monaten noch um die Welt gejettet, läuft das meiste jetzt virtuell ab. Und viele Top-Manager stellen fest: „Das, wogegen ich mich lange Zeit gewehrt habe, ist heute nicht nur Voraussetzung – es funktioniert sogar!“

Soft-Skills gewinnen an Bedeutung

Diese Transformation der Führungskultur ist naturgemäß nicht immer einfach. Führungskräfte stehen durch die Coronakrise unter einer Doppelbelastung: Sie müssen weiter ihrem daily business nachgehen, gleichzeitig aber die Ängste und Nöte der Mitarbeiter begleiten. Proaktiv weitere Maßnahmenpläne erarbeiten kommt nicht selten noch on top.

In wirtschaftlich erfolgreichen Zeiten galten eher Rationalität und Durchsetzungsvermögen als Kernkompetenzen. Spätestens seit Corona gewinnen nun die Soft-Skills an Bedeutung, die es Managern erlauben, auch einmal neue Wege zu gehen. Damit das glaubwürdig gelingt, müssen Führungskräfte ihr Denken und Handeln den neuen Gegebenheiten anpassen. Tatsächlich hat das Hoch, das die deutsche Industrie die letzten zehn Jahre erlebt hat, die ein oder andere Führungsschwäche überdeckt – viele sind im Wind mitgesegelt. Jetzt, wo die See rauer geworden ist, trennt sich die Spreu vom Weizen. Der ein oder andere kommt ins Schlingern, andere glänzen aber gerade jetzt mit einer erstaunlichen Flexibilität, Agilität und Anpassungsfähigkeit.

Mehr Freiräume geben

Auf der anderen Seite stellt die Pandemie aber auch für Unternehmen eine Herkulesaufgabe dar. Sie müssen Top-Manager davon überzeugen, nicht sofort das sinkende Schiff zu verlassen. „Dein Bonus ist, dass du deinen Job behältst“ ist dafür zwar keine geeignete Herangehensweise, um Spitzenpersonal an Bord zu halten, kommt aber tatsächlich häufig vor. Firmen sollten ihren Top-Managern aber gerade in der Krise mehr Freiräume geben, sowohl unternehmerisch als auch was den allgemeinen Handlungsspielraum betrifft. Gerade Krisen bieten salopp gesagt die Chance, alte Zöpfe abzuschneiden oder auch mal eine heilige Kuh zu schlachten. Denn um langfristig erfolgreich zu sein, ist eine permanente Weiterentwicklung und Anpassung an neue Gegebenheiten unverzichtbar. Das Erkennen von Schwachstellen im eigenen Unternehmen ist deshalb eigentlich obligatorisch. Passiert ist indes lange Zeit wenig – und diese Nachlässigkeiten hat Corona in vielen Unternehmen schmerzlich offenbart. Zeit, es künftig anders zu machen.

Jörg Kasten

Jörg Kasten ist Managing Partner im Frankfurter Büro von Boyden. Er verfügt über 25 Jahre Erfahrung in Executive Search und besetzt vor allem Führungspositionen auf Partner- und C-Level-Ebene für internationale Kunden in den Bereichen Technologie, Professional Services und Konsumgüter.

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