Das Prinzip fluider Arbeitskräfte erfreut sich großer Beliebtheit. Dirk Henke, Geschäftsführer DACH bei Malt, erläutert, wie Sie die richtigen Solo-Selbstständigen gewinnen können. Auf jeden Fall sollten diese einen festen Platz in der Personalstrategie und im Employer Branding haben.
Der vorherrschende Fachkräftemangel ist und bleibt eine der größten Herausforderungen für die deutsche Wirtschaft – und damit eine Kernaufgabe für hiesige HR-Abteilungen. Längst ist die Welle der “Great Resignation” von den USA nach Europa geschwappt, viele Arbeitnehmerinnen und Arbietnehmer öffnen sich für Veränderungen in ihren Karrieren. Gepaart mit dem Digitalisierungsdrang deutscher Unternehmen klaffen insbesondere in Berufen aus dem digitalen Umfeld Löcher zwischen Angebot und Nachfrage.
Eine Studie des Branchenverbands Bitkom schätzt die zu besetzenden IT-Stellen für das laufende Geschäftsjahr auf 96.000. Die Grenzen des Machbaren im traditionellen Einstellungsprozess scheinen erreicht. HR Abteilungen müssen neue Wege finden, um den Personalmangel effektiv abzufangen.
Einen möglichen Lösungsansatz bietet die kontinuierliche Zusammenarbeit mit externen Talenten. Eine Studie der Boston Consulting Group und Malt bestätigte: Bereits ein Drittel der befragten Unternehmen arbeiten mit freiberuflichen Expertinnen und Experten zusammen. Unternehmen können über digitale Marktplätze effizient nach Solo-Selbstständigen mit den gewünschten Fähigkeiten Ausschau halten. Innerhalb weniger Tage bekommen die Projektteams im Unternehmen die benötigte Unterstützung und können nach erfolgreichem Abschluss in die gewohnte Struktur zurückkehren.
Dieses Prinzip fluider Arbeitskräfte erfreut sich auf beiden Seiten großer Beliebtheit: Unternehmen gewinnen schnell verfügbare Expertise auf dem hart umkämpften Jobmarkt, freischaffende Expertinnen und Experten erreichen gute Einkommen bei steigender Flexibilität. Deshalb wagen immer mehr Arbeitnehmende diesen Schritt.
Doch wie gewinnt man die richtigen Solo-Selbstständigen für das eigene Unternehmen? Unternehmen und ihre Recruiting-Teams müssen sich in Zeiten des Umbruchs an ihren Bedürfnissen orientieren und den Branding-Prozess entsprechend neu denken. Employer Branding beschreibt alle Maßnahmen, mit denen Unternehmen ihre Marke stärken und sich gegenüber potenziellen Bewerberinnen / Bewerbern positionieren können – folgende Punkte gilt es im Werben um selbstständige Fachkräfte zu beachten.
Unabhängige Beraterinnen und Berater im Employer Branding berücksichtigen
Den eigenen Wertebeitrag erkennen
Arbeitgeber müssen sich darüber klar werden, was ihr Alleinstellungsmerkmal ist – und ob dies mit dem übereinstimmt, wonach Freiberuflerinnen / Freiberufler suchen. Dafür ist es relevant, primäre Motivationsfaktoren für die Selbstständigkeit zu identifizieren. Hoch im Kurs stehen für Freiberuflerinnen / Freiberufler momentan Unabhängigkeit und flexible Arbeitszeiten. Aber auch die Möglichkeit, Arbeitsplatz, Kunden sowie Projekte frei zu wählen, die Integration eigener Werte, ein abwechslungsreiches Arbeitsleben sowie ein guter Verdienst sind Faktoren, die Freelancerinnen / Freelancer schätzen.
Mittels diverser Kanäle die eigene Botschaft verbreiten
Änderungen im Unternehmen müssen transparent und verständlich kommuniziert werden – nach innen und nach außen. So können unabhängige Expertinnen und Experten nachhaltig auf offene Stellen aufmerksam gemacht werden. Geschehen kann dies unter anderem durch prominente Platzierung in Stellenausschreibungen, dedizierten Marketingaktivitäten über Social Media oder der generischen Nutzung von Multiplikatoren – beispielsweise, wenn eigene Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter auf LinkedIn positiv über die flexiblen Arbeitsmöglichkeiten berichten.
Proaktiv in der Diskussion um Freelancerinnen / Freelancer positionieren
Wer Solo-Selbstständige für das eigene Unternehmen gewinnen will, sollte zeigen: Wir interessieren uns ernsthaft für deren Belange. Gerade jetzt, in der zunehmenden Debatte um Fachkräftemangel und mehr Flexibilität am Arbeitsplatz, gibt es viele Anknüpfungspunkte, um sich proaktiv in der Diskussion einzuschalten. Welche Erfahrungen hat das Unternehmen bereits mit externen Talenten gemacht? Welche Learnings hat man daraus gezogen? Wie stellt man sicher, dass Freelancerinnen / Freelancer sicher bezahlt und fair behandelt werden (Stichwort: Scheinselbständigkeit)? Und wie kann die Zusammenarbeit zwischen Festangestellten und unabhängigen Beraterinnen und Berater reibungslos funktionieren? Wer in Meinungsbeiträgen, LinkedIn Posts oder Interviews dazu Stellung bezieht, verschafft sich innerhalb der Branche Gehör.
Personalstrategie ganzheitlich neu denken
Solo-Selbstständige zu beschäftigen ist mitnichten der einzige Weg ans Ziel; vielmehr müssen HR Fachkräfte ihre Strategien ganzheitlich neu denken. Im Vordergrund sollte die Suche nach dem idealen Match an Kompetenzen und Soft Skills stehen – unabhängig davon, ob es sich schlussendlich um einen Festangestellten oder um eine Freelancerinnen / einen Freelancer handelt.
Wenn sich Unternehmen für freiberufliche Fachkräfte entscheiden, müssen Sie ihr Employer Branding prüfen und gegebenenfalls anpassen – die Freelancerinnen / Freelancer zahlen dies im Umkehrschluss mit ernsthaftem Interesse zur Zusammenarbeit, hoher Arbeitsbereitschaft und, nicht zuletzt, dem benötigten Skillset zurück. Beide Parteien profitieren langfristig von einer gegenseitigen Wertschätzung, die bereits im Recruiting Prozess beginnt.
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Dirk Henke ist Geschäftsführer DACH beim Freelancing-Marktplatz Malt. Zu seinem Verantwortungsbereich zählen die internationale Expansion von Malt sowie der Ausbau der Marke in der DACH-Region. Der studierte Wirtschaftswissenschaftler verfügt über 20 Jahre Erfahrung in der Digitalwirtschaft und war unter anderem bei Microsoft, Yahoo! und Criteo tätig.