‚Expat-Buddy‘, Willkommensplan, Zufriedenheitschecks: HR kann viel tun, um internationale Talente zu gewinnen und zu binden. Arno Schäfer, CEO der VONQ Group, erläutert, wie Unternehmen ihre interkulturellen Kompetenzen erfolgreich einsetzen können.
In Zeiten zunehmender Globalisierung suchen Unternehmen schon seit längerem auch international nach Fachkräften – mit hohen Erwartungen, beispielsweise bei den Sprachkenntnissen. Dies kontrastiert oftmals mit dem, was deutsche Arbeitgeber in puncto Benefits und Willkommenskultur anbieten. Was können Unternehmen tun, wollen sie für Expats aus aller Welt attraktiv werden?
Es hat sich längst herumgesprochen: Will Deutschland nachhaltig die Effekte des demografischen Wandels meistern, braucht es die gezielte Einwanderung von Fachkräften. Neben quantitativen Gründen hat dies auch zahlreiche qualitative Vorteile: Wer interkulturelle Teams fördert, der unterstützt eine Pluralisierung an Perspektiven und bringt so dauerhaft erfolgreichere Teams hervor.
Dass hier enormes Potenzial besteht, beweist eine Befragung der Bertelsmann Stiftung aus dem Jahr 2022. Wie der Fachkräftemigrationsmonitor belegt, suchten lediglich 17 Prozent aller deutschen Unternehmen auch im Ausland, um personellen Engpässen entgegenzuwirken. Eine große Chance, die von Unternehmensseite wiederum entsprechende interkulturelle Kompetenzen erfordert. Denn anders als bei der Rekrutierung heimischer Arbeitskräfte müssen Faktoren wie Mentalität und Sprache noch stärker in den Blick genommen werden.
Stimmungsbarometer bei der eigenen Belegschaft
Dieser Wandel beginnt mit einer internen Mentalitätsanalyse: Ist der gesamte Betrieb für die Integration internationaler Talente bereit – und nicht bloß die HR-Abteilung? Denn letztlich sind es die Angestellten, die darüber entscheiden, ob internationale Teams dauerhaft zueinanderfinden.
Hierbei ist es ratsam, zunächst den Status Quo über interne Kommunikationskanäle zu prüfen und dabei mögliche Fragen, Wünsche und etwaige Vorbehalte zu identifizieren. Dieses interne Stimmungsbarometer kann beispielsweise in Form einer Betriebsversammlung oder per Online-Befragung stattfinden. Wichtig ist herauszufinden, ob das gesamte Unternehmen die notwendige Empathie aufbringt, sich auf Menschen anderer Nationalitäten und damit auch Kulturen einzustellen. Schließlich ist Empathie die wichtigste Voraussetzung für die Entwicklung und Schärfung interkultureller Kompetenzen.
Dabei lohnt es, auch auf die Stimmen von Teammitgliedern mit Migrationshintergrund oder Auslandserfahrungen zu achten: Welche Erfahrungen haben sie durch das Aufwachsen, Studieren und Arbeiten in anderen Ländern gemacht, und was lässt sich hieraus ableiten? Diese Erfahrungswerte sind anschließend in einem verbindlichen Framework festzuhalten.
Realistisches Erwartungsmanagement in puncto Sprache betreiben
Zu Empathie gehört auch, sich von zu hohen Ansprüchen zu verabschieden, etwa bei den Anforderungen an perfekte Sprachkenntnisse. Nur im Idealfall ist das neue Teammitglied bei seiner Ankunft imstande, in perfektem Deutsch zu kommunizieren. Auch muss stets abgewogen werden, welches Sprachlevel für das entsprechende Jobprofil tatsächlich nötig ist und gefordert werden kann. So gilt gerade Englisch in technischen Berufen wie auch in der Start-up-Branche als die Arbeitssprache schlechthin. Damit die soziale Integration innerhalb der Belegschaft sowie im Land selbst langfristig gelingt, sollten die Teilnahme an einem Deutsch-Sprachkurs finanziell gefördert oder interne Austauschformate ins Leben gerufen werden.
Soziale Integration als Muss
Ist der Grundstein für das Mindset gelegt, können Unternehmen die kulturellen Kompetenzen weiter schärfen. Ein Beispiel ist das Preboarding: Spätestens mit der Kandidatenzusage sollten die HR-Abteilung und die Führungsebene Hand in Hand arbeiten, um einen individuellen Willkommensplan zu gestalten, beispielsweise durch die Organisation erster virtueller Kennenlernrunden mit dem künftigen Team. In dieser Hinsicht sind Kompetenzen gefragt, wie sie auch beim Onboarding heimischer Arbeitskräfte vonnöten sind, nur in größerem sozialen Umfang. Auch hier geht es um die Förderung einer von Offenheit und Empathie geprägten Willkommenskultur.
Betriebsinterne Integrationsbuddys als Mentoren
Soziale Integration auf Unternehmensseite bedeutet, eine langfristige Strategie abseits fachspezifischer Weiterentwicklung zu verfolgen und dafür stets die Belegschaft mit ins Boot zu holen. So können ausgewählte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter die Rolle des ‚Expat-Buddy‘ übernehmen, der als Mentor fungiert und gerade in der Anfangsphase als erster Kontaktpunkt dient. Dieses Mentorship geht entsprechend über die Unterstützung bei bürokratischen Angelegenheiten hinaus und bedarf neben einem hohen Maß an Empathie gegebenenfalls entsprechender Trainingsprogramme für die Mentoren.
Interkulturalität geht durch den Magen – und Feiertage
Der Grad innerer Zufriedenheit hängt aber nicht nur von der (An-)Sprache ab – oft sind es Details, die den Ausschlag geben. Eines dieser Details kann der Speiseplan in der Firmenkantine sein. Ist dieser so abgestimmt, dass er auf religiös begründete Speisegebote Rücksicht nimmt? Ähnlich verhält es sich mit Feiertagen: Auch hier sind Unternehmen gut beraten, wenn sie Feiertage fernab von Weihnachten, Ostern und Co. berücksichtigen und auf Wunsch bestimmte Urlaubstage gewähren.
Regelmäßige Zufriedenheitschecks bei Expats durchführen
Ist ein Expat gut im Unternehmen angekommen, ist es mit der interkulturellen Arbeit noch längst nicht getan. Regelmäßige Zufriedenheitschecks sind dabei ein geeignetes Mittel, das Zugehörigkeitsgefühl zu messen und gegebenenfalls nachzujustieren. Auch hier sind beide Seiten zu betrachten – wie geht es der langjährigen Belegschaft? Sollte es auch nach Monaten gemeinsamer Zusammenarbeit und Integration ein Gefühl von Fremdheit geben, kann externe Hilfe durch Coaches dabei helfen, das nötige interkulturelle Fingerspitzengefühl zu entwickeln.
Fazit: Interkulturelle Kompetenzen betreffen alle
Interkulturelle Kompetenzen sind kein nettes Extra für die Führungskräfte großer DAX-Konzerne. Vielmehr sind sie ein unerlässlicher Skill in einer Arbeitswelt, die zunehmend von Globalisierung, aber auch vom Fachkräftemangel bestimmt wird, und damit ein Muss für Unternehmen aller Betriebsgrößen. Konkret bemessen lässt sich diese Eigenschaft nur schwerlich. Die gute Nachricht: Überall dort, wo Recruiterinnen / Recruiter, Führungskräfte und Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter sich selbst und kulturell geformte Stereotype hinterfragen sowie Neuankömmlingen mit Offenheit begegnen, besteht ein gutes Fundament für ein kultursensibles Miteinander.
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Seit Anfang 2021 ist Arno Schäfer CEO der VONQ Group, einem weltweit führenden Anbieter für Job Distribution und datenbasiertes Personalmarketing. Er begann seine Karriere als Berater bei Roland Berger, wo er für die Themengebiete Internet, Telekommunikation und Strategie tätig war. Danach führten ihn berufliche Stationen als Geschäftsführer zur Mobile Marketing Agentur Mindmatics oder MediaCom Interaction GmbH, bevor er die DSP Platform161 als CEO erfolgreich an MGI verkaufte und im Bereich Interims-CEO Unternehmen führte. Foto: ©Raimar von Wienskowski