„Es gibt ausreichend Frauen für Vorstandspositionen.“

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Die Frauenquote in Vorständen ändert die Führungskräftesuche grundsätzlich, sagt Simone Siebeke von Spencer Stuart. Warum das so ist, erklärt sie im Interview.

Dass keine Frauen für Vorstandspositionen zu finden sein sollen, lässt Simone Siebeke nicht gelten. Sie muss es wissen, denn sie ist bei der Top-Executive-Search-Beratung Spencer Stuart spezialisiert auf die Vermittlung weiblicher Top-Managerinnen. Die gesetzliche Frauenquote in Vorständen soll noch in 2021 in Kraft treten. Auf den ersten Blick scheint die neue Regelung keinesfalls die ausführlichen Berichte in den Medien zu rechtfertigen. Von dem neuen Gesetz ist nur in kleiner Kreis von Unternehmen betroffen. Es geht um „gerade mal etwa 30 Positionen“, die es zu besetzen gilt, so Siebeke im Gespräch mit dem HR Journal. Die Quote ändert die Führungskräftesuche allerdings grundsätzlich. Erfahren Sie hier mehr.

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Wie ändert sich durch die beschlossene Quote die Personalsuche für Führungskräfte?

Simone Siebeke: Die Quote ändert die Führungskräftesuche grundsätzlich – so wird im Falle von Neubesetzungen künftig ein besonderer Wert auf eine diversifizierte Auswahl gelegt, die weibliche Kandidatinnen in entsprechendem Maße berücksichtigt. Bereits seit einiger Zeit erleben wir in der Executive-Search-Branche den Trend, das Unternehmen bei der Besetzung von Spitzenpositionen verstärkt nach qualifizierten Frauen fragen. Dieser Trend wird sich mit der Quote weiter verstärken.

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Für uns bedeutet diese Entwicklung schon seit längerer Zeit, bei der Beratung von Anfang an – bereits bei der Recherche, einen verstärkten Fokus auf weibliche Talente zu setzen. Diese Fokussierung ist ganz entscheidend: Denn wer wirklich Spitzenkandidatinnen finden möchte, wird definitiv fündig – und mit entsprechender Suchstrategie erhöht sich diese Erfolgswahrscheinlichkeit. Die jüngsten Benennungen weiblicher Vorstände bei Bayer, Allianz oder Siemens zeigen klar: Wenn Unternehmen wirklich um weibliche Repräsentation im Vorstand bemüht sind, gelingt das auch in aller Regel.

Findet man genügend qualifizierte Kandidatinnen?

Simone Siebeke: Die Quote gilt nur für Vorstände börsennotierter und paritätisch mitbestimmter Unternehmen (mit über 2.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter) mit mehr als drei Mitgliedern. Von dem neuen Gesetz ist also nur ein kleiner Kreis von Unternehmen betroffen. De facto müsste für gerade einmal etwa 30 Positionen- und auch nur im Falle einer Neubesetzung – eine Frau gefunden werden. Laut einer aktuellen BCG-Studie sind die betroffenen Unternehmen mit einem Frauenanteil von 22 Prozent auf der ersten und zweiten Stufe gut auf die neuen Vorgaben vorbereitet.

Auch aus unserer Beratungserfahrung wissen wir, dass es eine ausreichende Anzahl hochqualifizierter Frauen für diese Vorstandspositionen gibt. Die Besetzung von 30 Positionen scheint in Anbetracht Hunderter qualifizierter Frauen daher problemlos erfüllbar. Auch bei der Einführung der Aufsichtsrat-Quote im Jahr 2015 gab es große Bedenken, ob der Markt über genügend Kandidatinnen verfüge. Die 30-Prozent-Quote wurde übererfüllt, der Anteil von Frauen in den relevanten Aufsichtsräten beträgt inzwischen 35,4 Prozent. Mir ist keine Studie bekannt, dass die Performance der Unternehmen, die Frauen im Aufsichtsrat haben, abgenommen hätte.

Müssen etablierte Vorgehensweisen im Suchprozess neu gedacht werden?

Simone Siebeke: Der gesamte Beratungs- und Suchprozess wird durch die Quote vor allem eines werden: Noch intensiver. Nicht nur auf der Seite der Klienten, sondern auch in der Suche: Frauen sind zuweilen sensibel, wenn sie nun aufgrund der Quote angesprochen werden. Die meisten Top-Managerinnen möchten – verständlicherweise – aufgrund ihrer Performance und nicht aufgrund ihres Geschlechtes kontaktiert werden. Personalberatungen sollten für dieses besonderes Fingerspitzengefühl mitbringen. Idealerweise sollten sie mit potenziellen Kandidatinnen schon lange im Austausch stehen und ein nachhaltiges Vertrauensverhältnis aufgebaut haben. Hierzu gehört beispielsweise auch, Frauen mit Potenzial bereits in frühen Phasen als Karriere-Coach zur Seite zu stehen und sie auf ihrem Karriereweg frühzeitig zu begleiten.

Bedeutet das, dass sich auch die Konzerne weiterentwickeln müssen?

Simone Siebeke: Neben dem Fokus, passende weibliche Kandidatinnen zu identifizieren und zu rekrutieren, braucht es allem voran Mut und Offenheit bei den verantwortlichen Entscheidern in den Unternehmen. Wo noch Ungleichheiten herrschen, bedarf es ihrer Bereitschaft, sich für die Lebens- und Karrierewege exzellenter Kandidatinnen zu öffnen. In der Vergangenheit strebten viele Firmen Homogenität im Vorstand an. Aufgrund der Globalisierung und der damit einhergehenden Komplexitätserhöhung wird es jedoch höchste Zeit für einen Paradigmenwechsel. Heute gilt: Je vielfältiger die Repräsentanz unterschiedlicher Ansichten und Positionen im Vorstand, umso agiler und besser kann das Unternehmen diese Komplexität abbilden und dadurch auch in Zukunft erfolgreich im globalem Wettbewerb agieren.

Welche ersten Reaktionen gibt es eigentlich aus den betroffenen Unternehmen und Vorständen?

Simone Siebeke: Bisher sind uns keine negative Reaktionen bekannt, im Gegenteil: Diversität als Erfolgsfaktor ist bereits seit einer ganzen Weile in breiten Teilen des Marktes angekommen. HR-Spezialisten oder Personalberatungen können dabei unterstützen, noch vorhandene Lücken zu schließen, indem sie die Vorteile von Vielfalt aufzeigen. Deshalb auch die Selbstverpflichtung von Spencer Stuart, 50 Prozent der Kandidaten auf den Long Lists für Vorstandssuchen mit Frauen zu besetzen – eine Initiative, auf die wir sehr positives Feedback von Klienten und dem Markt erhalten.

Simone Siebeke

Dr. Simone Siebeke, Beraterin bei der Top-Executive-Search- und Leadership-Advisory-Firm Spencer Stuart, verfügt über langjährige Industrie-Erfahrung im Top Management und aus Arbeitsstationen in den USA, in Belgien und Deutschland. Sie leitet die deutsche Human-Resources-Practice vom Standort Düsseldorf aus und ist zudem Mitglied der globalen Consumer-Practice. Vor Spencer Stuart arbeitete Simone Siebeke über 20 Jahre beim Dax-Konzern Henkel – dort hat sie unter anderem im M&A-Bereich gewirkt, war Assistentin des Vorstandsvorsitzenden und verantwortete als Mitglied des weltweiten Executive Committee den HR-Bereich des Geschäftsbereichs Kosmetik.

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