Mit einer starken Arbeitgebermarke können Unternehmen dem Fachkräftemangel aktiv begegnen. Dirk Pothen, Mitglied des Vorstands bei adesso, erklärt, worauf zu achten ist.
Jede Branche bewegen gerade andere Themen. In der einen steht die Stabilität der Lieferketten oben auf der Agenda. In der anderen der zunehmende Druck durch digitale Wettbewerber. Die Gedanken der Verantwortlichen kreisen um neue EU-Verordnungen. Oder um demografische Veränderungen ihrer Zielgruppen. Aber ein Thema betritt annähernd alle: der Fachkräftemangel.
Die Auswirkungen sind unterschiedlich gravierend, aber nahezu jedes Unternehmen spürt die Konsequenzen in der ein oder anderen Form. Eine starke Arbeitgebermarke ist ein Instrument, mit dem die Verantwortlichen der Situation aktiv begegnen können.
Der Engpass auf dem Personalmarkt zeigt sich besonders stark bei der Suche nach Mitarbeitenden mit IT-Qualifikationen. Die Nachfrage ist nahezu in allen Knowhow-Feldern hoch, egal ob es um Data Scientists, Talente mit Erfahrungen rund um Machine Learning oder um Fachleute für Basis-Technologien wie Java geht. Entsprechend können sich Bewerbende, die das passende Fachwissen mitbringen, ihren zukünftigen Arbeitsplatz aussuchen.
Weltweiter Wettbewerb um gefragte Kräfte
Dies spüren Unternehmen: So konkurriert beispielsweise der lokale Mittelständler mit Schwergewichten aus dem Silicon Valley um die gleichen Expertinnen / Experten. Trotz des schwierigen Umfelds müssen Personalverantwortliche dafür sorgen, dass die richtigen Leute zur richtigen Zeit und in der notwendigen Anzahl an Bord kommen. Denn ein qualifiziertes Team ist der Schlüssel für das Erreichen ambitionierter Wachstums- und Qualitätsziele.
Eine starke Arbeitgebermarke unterstützt die Entscheiderinnen / Entscheider hier bei ihren Aufgaben. Die Idee dahinter: klassische Marketingkonzepte rund um Markenaufbau und -pflege, ursprünglich entwickelt für Absatzmärkte, helfen auch auf dem Personalmarkt. Denn eine Arbeitgebermarke wirkt auf vielen Ebenen positiv auf die gesamte Employee Journey – von der Attraction über das Recruiting bis zur langfristigen Retention. Bewerbende und Mitarbeitende erkennen dabei ein Unternehmen als attraktiven Arbeitgeber. Und sie hilft dabei, sich dauerhaft von Wettbewerbern positiv abzuheben.
Die Arbeitgebermarke ermöglicht besseren Zugang zum Arbeitsmarkt
Dreh- und Angelpunkt für den Wert einer Arbeitgebermarke ist der bessere Zugang zum Arbeitsmarkt. Unternehmen gelingt es schneller und einfacher Talente zu erreichen. Vom Lesen der Stellenanzeigen bis hin zum Abschluss des Arbeitsvertrags: Eine gute Arbeitgebermarke sorgt für ein positives und förderliches Umfeld.
Dies bedeutet:
- Mehr Aufmerksamkeit und Bewerbungen
Eine Marke ist bekannt, eine Marke genießt Vertrauen. Eine gute Arbeitgebermarke erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass eine Person nicht nur auf Recruitingmaßnahmen wie Stellenanzeigen reagiert, sondern diese sogar aktiv sucht. - Bessere Bewerbungen
Die durchschnittliche Qualität der Bewerbenden steigt. Top Leuten stehen viele Möglichkeiten offen. Für sie spielen Aspekte wie das Image des möglichen Arbeitgebers oder die Unternehmenswerte eine wichtige – und immer wichtigere –Rolle. - Mehr Interviews
Aus diesen beiden Punkten folgt, dass mehr – und qualifiziertere – Personen die einzelnen Schritte des Bewerbungsprozesses durchlaufen. Am Ende können die Fachabteilungen und das Recruitingteam aus einem größeren Pool von Kandidatinnen und Kandidaten auswählen. - Bessere Abschlussquote
Hat eine Bewerberin / ein Bewerber zwei vergleichbare Angebote auf dem Tisch, entscheidet oft das Image und damit die Arbeitgebermarke über Zu- und Absage.
Dies sind nur einige Beispiele für den Einfluss einer Arbeitgebermarke auf den gesamten Recruitingprozess.
Eine Employer Brand senkt die „cost of low quality“
Personalverantwortliche wissen um den Aufwand, den sie betreiben, und das Budget, das sie investieren müssen, um die richtigen Personen zu finden und zu überzeugen. Maßnahmen der Markenbildung helfen ihnen dabei, die Kosten zu senken und das Ergebnis zu verbessern. Eine Marke ist kein esoterisches Konstrukt. Sie ist ein pragmatisches Werkzeug, dessen Nutzen die Entscheiderinnen und Entscheider belegen können.
Eine gelebte Arbeitgebermarke reduziert nicht nur die Recruitingkosten, ihre Wirkung strahlt über diesen Bereich hinaus. So verringert sie die Fluktuation innerhalb der Belegschaft und die Folgekosten, die sich aus einer hohen Fluktuationsquote ergeben. Sie motiviert Mitarbeitende, verbessert die Qualität der Arbeit und senkt die sogenannten „cost of low quality“.
Es gibt also mehr als einen Grund für die Entscheiderinnen und Entscheider, sich des Themas anzunehmen.
Positionierung für den Arbeitsmarkt
Eine Arbeitgebermarke entsteht nicht auf der grünen Wiese. In ihr manifestieren sich Gründungsmythos und Unternehmensgeschichte ebenso wie Selbstverständnis und Ambitionen. Zu Beginn steht das Erarbeiten einer Positionierung für den Arbeitsmarkt. Dabei geht es häufig um Fragen wie: Welchen Anspruch formuliere ich an mich als Arbeitgeber? Für welche Themen stehe ich? Welche Zielgruppen will ich erreichen? Welcher Typ Mensch passt zur Kultur? Aus dieser Positionierung leiten sich die Botschaften ab, die im Zentrum der Kommunikation stehen.
Employee Journey: Recruiting durch die Brille der Bewerbenden betrachten
Dies mündet im Aufbau einer durchgängigen Employee Journey. Vorbild ist hier die Idee der Customer Journey aus Marketing und Vertrieb. Ziel ist es, den Bewerbungs- und Onboarding-Prozess konsequent durch die Brille der Bewerbenden zu betrachten: Wo suchen sie Jobangebote? Wie informieren sie sich über Arbeitgeber? Wie bewerben sie sich? Eine besondere Bedeutung im Rahmen der Recherche spielen Bewertungsplattformen, auf denen Beschäftigte das eigene Unternehmen beurteilen. Der Auftritt auf diesen Plattformen ist ein wichtiger Faktor für das Ausgestalten der Employee Journey. Denn erst glaubwürdige Referenzen machen eine Arbeitgebermarke kräftig.
Die Arbeitgebermarke garantiert die Wiedererkennbarkeit über alle Maßnahmen hinweg. Sie bildet das kommunikative Dach und sorgt dafür, dass sich Einzelmaßnahmen sinnvoll verzahnen. Ob Formulierungen in Stellenzeigen, die Gestaltung von Vertragsunterlagen oder das Onboarding im Rahmen von Welcome Days: Alles folgt der gleichen Zielsetzung.
Fazit
Auf dem Personalmarkt profitieren Unternehmen, denen es gelingt, sich einen „guten Namen“ zu machen. Das Erreichen interessanter Mitarbeitender ist einfacher. Die Kosten für das Recruiting sind geringer. Eine Vertragsunterschrift wird wahrscheinlicher. Vorteile, die in Zeiten des Fachkräftemangels über nicht weniger als den zukünftigen Erfolg oder Misserfolg eines Unternehmens entscheiden können.
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Dirk Pothen ist als Vorstand bei adesso unter anderem für den Personalbereich verantwortlich. Neben den Ressorts Human Resources, Proposal Management and Corporate Communications verantwortet er ebenso die Geschäftsbereiche Automotive and Transportation, Manufacturing Industry sowie für diverse Auslandsgesellschaften. Vor seiner Bestellung in den Vorstand der adesso SE 2018 fungierte Dirk Pothen zuletzt als Managing Director DACH bei der SQS Software Quality Systems AG in Köln. Davor war das adesso-Vorstandsmitglied fünfzehn Jahre lang in verschiedenen Management-Positionen bei Atos und T-Systems tätig, unter anderem als Senior Vice President Anwendungsentwicklung. Foto: ©Adesso SE