Führungskräfte sind Vorbilder. Ihre mentale Gesundheit wirkt sich unmittelbar auf das Employee Wellbeing aus, sagt Miriam Schneider von CoachHub.
Führungskräfte sind für eine ganze Menge verantwortlich: Sie müssen dafür sorgen, dass ihre Teams die vorgegebenen Performance-Ziele erreichen, abgesprochene KPIs erfüllen und einen Beitrag für den Gesamterfolg des Unternehmens leisten. Spätestens seit den Erfahrungen des letzten Jahres und der Covid-Pandemie ist ein weiteres Thema präsent: Employee Wellbeing und die Bedeutung psychischer Gesundheit am Arbeitsplatz.
Fokusthema Nr. 1 in 2021: Psychisches Wohlergehen
In den letzten Monaten bestätigen viele Studien den enormen Einfluss der Pandemie auch auf die psychische Belastung innerhalb der Gesellschaft. Die Global Leadership Forecast 2021 (GLF 2021) zum Beispiel zeichnet ein düsteres Bild vom derzeitigen Zustand: 86 Prozent aller Nachwuchsführungskräfte sind akut Burnout gefährdet. Bei den Führungskräften sind mehr als die Hälfte so stark gestresst, dass es negative Auswirkungen auf ihre Psyche hat. Der AXA Mental Health Report bestätigt diese Entwicklung explizit für Deutschland, wo jeder Dritte angibt, während der Pandemie gar eine Verschlechterung des eigenen psychischen Zustandes erlebt zu haben.
Psychische Gesundheit ist mehr als nur gute Laune
Bevor Führungskräfte Maßnahmen zur Verbesserung der psychischen Gesundheit ihrer Teams ergreifen können, müssen sie ein Bewusstsein dafür entwickeln, was das Thema genau bedeutet. Die WHO definiert die psychische Gesundheit als einen (dauerhaften) Zustand des Wohlbefindens, in dem eine Person ihre Fähigkeiten ausschöpfen, ihre Lebensbelastungen bewältigen, produktiv arbeiten und etwas zu der Gemeinschaft beitragen kann. Diese Definition macht deutlich, dass es bei Mental Health (und damit bei Employee Wellbeing) um mehr als die gegenwärtige Laune und kurzfristige Stresssituationen oder auch das Gefühl punktueller Überforderung geht.
Mein Wellbeing – Die eigene Vorbildrolle annehmen
Als Führungskraft ist man immer ein Vorbild, darum fängt man am besten bei sich selbst an. Getreu dem Motto: “Dein Wellbeing ist mein Wellbeing” sollten Führungskräfte die eigene mentale Gesundheit vorleben, um nicht selbst in die vielzitierte Burnout-Falle zu tappen. Studienergebnisse wie beispielsweise die GLF 2021 legen nämlich nahe, dass Führungskräfte und Managerinnen / Manager selbst ein höheres Erkrankungsrisiko als ihre Mitarbeitenden haben. Die Verantwortung geht dabei also über die eigene psychische Gesundheit hinaus: Denn wenn es den Führungskräften nicht gut geht, wirkt sich das auch auf ihr Team aus.
Führungskräften sollte also bewusster werden, dass ihr eigenes Vorleben einer bestimmten Arbeitskultur (ständige Erreichbarkeit, E-Mail Check am Wochenende) einen direkten Einfluss auf das Arbeitsverhalten und die psychische Gesundheit der Mitarbeitenden haben kann. Eine Steigerung der eigenen Achtsamkeit und des Mitgefühls mit sich selbst ist ein wichtiger Schritt zu einer gesünderen Arbeitsumgebung.
Mein Team – Die Antennen schärfen
Die Pandemie hat psychische Belastungen ein Stück weit von ihrem Stigma gelöst und sie dadurch erkennbarer gemacht. Vielen Führungskräften fehlt es jedoch noch an den passenden Methoden. Konkret stellt sich die Frage, wie eine psychische Belastung zunächst erkannt und dann gelöst werden kann. Führungskräften ist zu empfehlen, verstärkt und sensibel darauf zu achten, ob sich das Verhalten und die Arbeitsleistung ihrer Mitarbeitenden über einen längeren Zeitraum hinweg verschlechtert haben, trotz gleichbleibender Rahmenbedingungen. Wichtig ist hier eine gewisse Proaktivität, denn: Ist die psychische Belastung bereits zu einer psychischen Überlastung wie Burnout oder gar Depression geworden, so sind viele Handlungsmöglichkeiten vertan und professionelle Hilfe wird nötig.
Das langfristige Ziel sollte es sein, funktionierende Mechanismen gepaart mit einem sicheren kommunikativen Rahmen einzuführen, die als Frühwarnsysteme rechtzeitig die richtigen und gesundheitsfördernde Angebote schaffen. Hier kann HR die Führungskräfte besonders unterstützen. In Verbindung mit der eigenen Vorbildrolle könnte ein erster Schritt dann darin liegen, die eigene Verletzbarkeit offen einzugestehen und den Mitarbeitenden somit die Tür für dieses Thema zu öffnen.
Mein Unternehmen – Qualifikationsangebote, Trainings und Coachings
In einer globalen Studie aus dem Jahr 2019 geben schon 40 Prozent der Führungskräfte an, remote Unterstützung durch externe Expertinnen und Experten annehmen zu wollen – der Wunsch nach und die Notwendigkeit von speziellen Trainingsprogrammen für dieses Thema ist seitdem sogar noch gestiegen. Eine Möglichkeit zur Umsetzung sind beispielsweise Mini-Trainings mit geschulten Psychologinnen / Psychologen, die sowohl über das Einrichten solcher Frühwarnsysteme informieren, wie auch Coping-Strategien und Methoden zum Aufbau von mehr Achtsamkeit und Resilienz vermitteln. Neben den konkreten Techniken steht vor allem im Fokus, psychischen Krankheiten einen klar definierten und vorurteilsfreien kommunikativen Raum zu geben. HR sollte die Führungskräfte dabei unterstützen, dass diese ihren Mitarbeitenden also das Gefühl und die Sicherheit geben können, bei steigender psychischer Belastung genau zu wissen, an wen sie sich wenden können – psychische Sicherheit ist der erste Schritt zur verbesserten psychischen Gesundheit.
Quick Win: Das richtige Verhältnis von Ressourcen und Anforderungen
Schließlich nimmt die Balance zwischen Arbeitsressourcen und Arbeitsanforderungen einen entscheidenden Einfluss auf das Stressempfinden und die psychische Gesundheit am Arbeitsplatz. Führungskräften kommt die Aufgabe zu, für eine möglichst hohe Klarheit in Bezug auf dieses Verhältnis zu sorgen, sowohl für sich selbst als auch für ihre Teams. Mitarbeitende sollten das Gefühl bekommen, sowohl auf die Ihnen zur Verfügung stehenden Ressourcen wie Zeit und Skills als auch auf die zu erledigenden Aufgaben einen signifikanten Einfluss zu haben, um das eigene Stresslevel ein Stück weit steuern zu können. Regelmäßige Rücksprache- und Feedback-Sessions helfen dabei, einen solchen Zustand herzustellen.
Miriam Schneider ist Wirtschaftspsychologin und Coach bei CoachHub – Europas führende digitale Coaching-Plattform mit mehr als 2.500 zertifizierten Business Coaches. In ihrer Rolle arbeitet sie daran, die Coaching-Theorie in die Praxis zu übersetzen.