Führungskräfte sollten anpassungsfähig und empathisch sein und über einen Sinn für Struktur verfügen, damit sie Remote Teams in Zukunft effektiv leiten können.
Vor einem Jahr mussten wir uns an eine Arbeitsrealität anpassen, die nun nicht mehr wegzudenken ist. Viele Unternehmen bereiten sich mittlerweile tiefgreifender auf die Zukunft der Arbeit vor: Facebook zum Beispiel suchte im vergangenen Jahr nach einem Director of Remote Work, um einen langfristigen Remote-Work-Plan zu entwickeln. Muss nun jedes Unternehmen eine solche Position schaffen? Peer Stemmler, Deutschlandchef bei Zoom, sieht dies nicht so und erklärt, über welche Kompetenzen Führungskräfte verfügen sollten, damit sie Remote Teams in Zukunft noch effektiver leiten und fördern können.
Keine Pendelei, dafür mehr Flexibilität im Arbeits- und Privatleben: Sobald sich die aktuelle Lage verbessert, würden 48 Prozent der Berufstätigen gerne so oft von zu Hause arbeiten wie jetzt. Die Ergebnisse einer YouGov-Umfrage unterstreichen den Einfluss von Remote Work auf die Arbeitswelt. 76 Prozent sind sich sicher, dass sie dank moderner, digitaler Tools von zuhause aus genauso gut im Team arbeiten wie zuvor im Büro. Außerdem empfinden 53 Prozent die virtuelle Meeting-Alternative als ebenso effektiv wie physische Besprechungen.
Zwar leben wir in einer Zeit, in der Heimarbeit mithilfe von digitalen Kollaborations- und Kommunikationstools kein Problem mehr darstellt – und einige Unternehmen reagieren bereits auf die Wünsche der Mitarbeitenden, indem sie hybride Arbeitsmodelle in ihre Strukturen einbauen. Jedoch ist die Technologie nur die eine Seite der Medaille. Daneben sollten Führungskräfte über bestimmte Kompetenzen verfügen, um auf lange Sicht ihre Mitarbeitende zu unterstützen und das Beziehungsfundament – bestehend aus Sicherheit und Vertrauen – zu stärken.
Flexibilität und Empathie
Präsenzkultur und starre Bürozeiten gehören der Vergangenheit an – Eigenständigkeit und Vertrauen sind die Werte der Zukunft. Durch den Wegfall von langwierigen Arbeitswegen gewinnen Mitarbeitende täglich etwas mehr Zeit, die sie flexibel ausnutzen möchten. Die einen verlegen ihre Arbeitszeiten um einige Stunden vor, um die Abendstunden der Familie und Freizeitaktivitäten zu widmen. Andere wiederum machen es genau umgekehrt und arbeiten nach den klassischen Bürozeiten produktiver.
Hier sollten Führungskräfte mit flexibleren Strukturen ansetzen, durch die Mitarbeitende ihre Arbeit nach ihrem Ermessen aufteilen können. In diesem Fall müssen Führungskräfte klar kommunizieren, dass Mitarbeitende nicht rund um die Uhr vor dem Laptop sitzen müssen. Sie können sich anderen Dingen wie Arztterminen, Kinderbetreuung, Einkäufe oder Sport widmen – solange sie ihre Arbeitsziele erreichen.
Neben Flexibilität gehört eine ordentliche Portion Empathie zum Kompetenzrepertoire der Führungskräfte von morgen. Grundsätzlich sollen Mitarbeitenden das Gefühl haben, dass ihre Vorgesetzten Rücksicht auf ihre individuellen Umstände nehmen. Zudem bildet sich eine solide Vertrauensbasis, wenn Vorgesetzte ihren Teams zeigen, dass sie sie bestmöglich unterstützen wollen.
Empathische Kommunikation ist hier das A und O: Führungskräfte sollten dafür regelmäßig persönlichen Kontakt zu ihren Mitarbeitenden pflegen. Gespräche, die nicht direkt etwas mit der Arbeit zu tun haben, oder Erkundigungen darüber einzuholen, wie es der Familie geht und ob unterstützende Maßnahmen notwendig sind, schaffen Sicherheit, Vertrauen und fördern die Moral. Probleme sollten offen angesprochen werden, damit sich schnell Lösungen finden lassen. Mithilfe von Videokonferenz-Tools lässt sich zusätzlich visuell abchecken, wie es den Mitarbeitenden geht.
Gespür für Priorisierung und Struktur
Führungskräfte müssen bei dezentralen Teams für klare und transparente Strukturen sorgen. Mitarbeitende sollten stets genau wissen, was von ihnen erwartet wird, welche Aufgaben anstehen und welchen davon eine hohe Priorität zukommt. Mittlerweile gibt es zahlreiche Anwendungen, mit denen sich Teams effektiv absprechen sowie gemeinsam an Projekten und Dokumenten arbeiten können. Darüber hinaus helfen regelmäßige virtuelle Briefing-Meetings dabei, Aufgabenverteilung und Priorisierungen für die kommende Woche festzulegen. Sobald auch nur ein Kollege oder eine Kollegin im Dunkeln steht hinsichtlich angestrebter Ziele, Strategien oder Prioritäten, kann sich dies auf die Produktivität des gesamten Teams auswirken.
Strukturbezogene Organisation sowie Flexibilität fördern einen stress- und druckfreien Arbeitsalltag. Mitarbeitende können in einer solchen Umgebung eher produktiv sein und Deadlines einhalten. Dies beugt ebenfalls dem Risiko vor, an Burnout zu erkranken. Führungskräfte sollten daher der Belegschaft vermitteln, dass es okay ist, wenn etwas nicht reibungslos läuft oder man um Hilfe bitten muss. Seitdem Mitarbeitende nicht mehr einfach im Büro nachfragen können, ist die Hemmschwelle für Hilfesuchende gestiegen. Regelmäßige interne, virtuelle Meetings in Form von gemeinsamen Kaffeepausen oder After-Work-Sessions sorgen nicht nur für mehr Struktur im Arbeitsalltag, sondern bieten eine Möglichkeit, sich über persönliche beziehungsweise arbeitsrelevante Herausforderungen auszutauschen. Zusätzliche (virtuelle) Rituale wie Quizabende fördern ebenfalls die Minderung von Stress sowie das Gefühl von Zusammengehörigkeit.
Fazit: Eine Sache der Anpassungsfähigkeit
Präsenzkultur ist passé: Künftig werden immer mehr Mitarbeitende Arbeitsmodelle fordern, die ihnen mehr Eigenverantwortung und Flexibilität zugestehen. Dafür müssen sie und Führungskräfte an einem Strang ziehen. Um ihre Teams in diesem Szenario effektiv zu steuern sowie eine solide Vertrauensgrundlage zu schaffen, sollten Vorgesetzte über Kompetenzen wie Anpassungsfähigkeit, Empathie und einen Sinn für Struktur verfügen. Der positive Nebeneffekt: Eine solche „Wir-Betriebskultur“ macht das Unternehmen auch bei potenziellen Mitarbeitenden besonders attraktiv.
Peer Stemmler ist Deutschlandchef von Zoom und leitet seit Oktober 2019 das Vertriebsteam im DACH-Raum. Er verfügt über jahrelange Erfahrung im Bereich Videotelefonie und -konferenz und lebt mit seiner Familie in Wuppertal.