Elternzeit per E-Mail: Mehr Flexibilität oder neues Risiko für Arbeitgeber?

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Ab dem 1. Mai 2025 können Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer ihre Elternzeit per E-Mail oder Teams-Chat beantragen – eine deutliche bürokratische Erleichterung. Doch die Neuerung birgt auch Risiken für Unternehmen. Was bedeutet das Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) für Arbeitgeber? Die Arbeitsrechtsexperten Konstantin Axnick und Nora Nauta von Osborne Clarke beleuchten Chancen und Fallstricke.

Mit dem Inkrafttreten des vierten Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG IV) am 1. Januar 2025 hat die Bundesregierung einen längst überfälligen Schritt zur Reduzierung bürokratischer Hürden und zur Förderung der Digitalisierung unternommen. Eine der Neuerungen betrifft die vereinfachte Beantragung der Elternzeit. Arbeitnehmer können ab dem 1. Mai 2025 ihr Elternzeitverlangen in Textform, beispielsweise per E-Mail, einreichen. Diese Änderung zielt darauf ab, Prozesse zu beschleunigen und die Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zu erleichtern. Diese Formerleichterung dürfte den Verwaltungsaufwand im Arbeitsverhältnis spürbar verringern.

Während diese Vereinfachung zweifellos Vorteile bietet, kann sie in bestimmen Fällen auch Risiken mit sich bringen. Insbesondere die Möglichkeit zugunsten der Arbeitnehmer, kurzfristig und ohne formale Hürden wirksam Elternzeit per E-Mail zu verlangen, könnten in bestimmten Konstellationen zweckentfremdet werden. Arbeitgeber sollten bestehende Prozesse prüfen und bei Bedarf auf die neue Rechtslage anpassen.

Das vierte Bürokratieentlastungsgesetz: Welchen Zweck hat es?

Elternzeit per E-Mail: Mehr Flexibilität oder neues Risiko für Arbeitgeber?
Twenty20/@alexandrahraskova

Das BEG IV bringt weitreichende Änderungen in mehreren relevanten Gesetzen mit sich. Dazu zählen das Nachweisgesetz (NachwG), das Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI), das Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz (BEEG), das Arbeitnehmerüberlassungsgesetz (AÜG) und die Gewerbeordnung (GewO). Diese Änderungen sollen die rechtlichen Rahmenbedingungen an die Erfordernisse einer modernen Arbeitswelt anpassen und gleichzeitig den Verwaltungsaufwand für Unternehmen reduzieren.

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Nach der Verabschiedung durch den Bundesrat am 18. Oktober 2024 sind die neuen Regelungen nunmehr am 1. Januar 2025 in Kraft getreten.

Was ändert sich im Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetz?

Foto Mutter und Kind
Envato/Determined

Der Anspruch auf Teilzeit während der Elternzeit (§ 15 Abs. 7 Nr. 5 BEEG) sowie der Anspruch auf Elternzeit (§ 16 Abs. 1 BEEG) konnten bislang nur in Schriftform geltend gemacht werden.

Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter mussten bislang ihr Verlangen auf Elternzeit handschriftlich bei ihrem Arbeitgeber einreichen, um der Anforderung des § 16 Abs. 1 BEEG gerecht zu werden. Andernfalls war das Elternzeitverlangen unwirksam. Diese Hürde wurde den Mitarbeitern nunmehr genommen. Ab dem 1. Mai 2025 wird es Mitarbeiterinnen / Mitarbeitern möglich sein, ihr Verlangen auf Elternzeit in Textform zu stellen. Dies bedeutet, dass ein Elternzeitverlangen dann beispielsweise auch per E-Mail eingereicht werden kann. Mit dem Elternzeit-Antrag per E-Mail erlangen Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter grundsätzlich Sonderkündigungsschutz gemäß § 18 BEEG – und zwar sofort.

Die Einführung der Textform erleichtert zwar die Kommunikation zwischen Arbeitgeber und Mitarbeiter erheblich. Gleichzeitig bedeutet dies jedoch auch, dass Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter schneller unter den Schutz des Sonderkündigungsschutzes fallen.

Elternzeit per E-Mail: Worauf sollten sich Arbeitgeber einstellen?

Foto Mutter mit Kind
Envato/IrynaKhabliuk

Der Bürokratieabbau bringt ohne Frage Erleichterungen und ist längst überfällig. Gleichzeitig eröffnen Formerleichterungen aber auch die Möglichkeit, dass beispielsweise (werdende) Eltern die Schutzinstrumente des Gesetzgebers zweckentfremden.

Durch die vereinfachte Möglichkeit des Elternzeitverlangens können Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter noch kurz vor Zugang einer Kündigung, die weiterhin der Schriftform bedarf und mithin der handschriftlichen Unterzeichnung durch einen Zeichnungsberechtigten, per E-Mail oder Teams-Chat die Elternzeit beanspruchen und sich somit Sonderkündigungsschutz verschaffen.

Der Anspruch auf Elternzeit existiert grundsätzlich bis zum dritten Lebensjahr und kann anteilig bis zum achten Lebensjahr des Kindes genommen werden. Es besteht daher die Möglichkeit, dass Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter, die Kenntnis von einer anstehenden Kündigung haben, die Kinder unter acht Jahren und die vollen 36 Monate Elternzeit noch nicht in Anspruch genommen haben, die Elternzeit zur Vermeidung der Kündigung nutzt.

Der vom Gesetzgeber vorgesehene Sonderkündigungsschutz bei einem wirksamen Elternzeitverlangen sollte dem Prinzip „Sonderkündigungsschutz wegen Elternzeit“, und nicht „Elternzeit wegen Sonderkündigungsschutz“ folgen. Durch die Einreichung des Elternzeitverlangens in Textform, also zum Beispiel via E-Mail oder Teams-Chat, kann sofort Sonderkündigungsschutz entstehen.

Kündigungsschreiben frühzeitig zustellen

Ein kurzfristiger Entschluss des Mitarbeiters / der Mitarbeiterin, zur Vermeidung einer erwarteten Kündigung einen Elternzeit-Antrag per E-Mail einzureichen, dürfte zukünftig häufiger in der Praxis eine Rolle spielen. Denn oft sehen Prozesse in Personalabteilungen vor, dass vor Ausspruch einer Kündigung ein Gespräch geführt wird, in dem der anstehende Ausspruch einer Kündigung mitgeteilt wird. Der / die betroffene Mitarbeiter / Mitarbeiterin soll sich nicht vor den Kopf gestoßen fühlen, wenn er / sie ohne jegliche Ankündigung ein Kündigungsschreiben im Briefkasten erhält.

Da die Elternzeit ab dem 1. Mai 2025 nicht mehr handschriftlich eingereicht werden muss, können Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter sich jedoch sogar noch Minuten vor einer Kündigung (nochmals: hier gilt weiterhin die Schriftform!) Sonderkündigungsschutz selbst schaffen.

Arbeitgeber sollten vor Ausspruch einer Kündigung genau prüfen, ob betroffene Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter Kinder unter 8 Jahren und die vollen 36 Monate Elternzeit noch nicht in Anspruch genommen hat.

Besteht das abstrakte Risiko, dass die Elternzeit zur Vermeidung der Kündigung genutzt werden soll, sollte das Kündigungsschreiben vor dem Gespräch mit den betroffenen Mitarbeiterinnen / Mitarbeitern zugestellt werden.

Risiken im Blick behalten, interne Prozesse anpassen

Insgesamt bietet das BEG IV Arbeitgebern sowohl Chancen als auch Herausforderungen. Während die Vereinfachung von Prozessen und die Reduzierung bürokratischer Hürden zweifellos Vorteile mit sich bringen, müssen Arbeitgeber auch die potenziellen Risiken und Herausforderungen im Blick behalten. Durch eine sorgfältige Vorbereitung und Anpassung der internen Prozesse können Arbeitgeber sicherstellen, dass sie die neuen Regelungen erfolgreich umsetzen und gleichzeitig mögliche Risiken minimieren.

In Bezug auf die vereinfachte Beanspruchung der Elternzeit per E-Mail sollten Arbeitgeber ihre internen Prozesse insbesondere im Hinblick auf Kündigungsgespräche anpassen. Es ist wichtig, vor einer Kündigung zu prüfen, ob das Risiko besteht, dass ein Mitarbeiter / eine Mitarbeiterin noch vor Zustellung der Kündigung Elternzeit beanspruchen und sich damit zweckentfremdet Sonderkündigungsschutz verschaffen kann.

Ein weiterer Aspekt, den Arbeitgeber berücksichtigen sollten, ist die Schulung von Führungskräften und Personalverantwortlichen. Diese sollten über die neuen Regelungen und deren praktische Umsetzung informiert werden, um Missverständnisse und Fehler zu vermeiden. Durch gezielte Schulungen können Arbeitgeber sicherstellen, dass Kündigungsgespräche risikolos ablaufen.

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Foto Konstantin Axnick

Konstantin Axnick ist Senior Associate bei der internationalen Wirtschaftskanzlei Osborne Clarke. Er berät nationale und internationale Unternehmen auf dem gesamten Gebiet des Individual- und des Kollektivarbeitsrechtes und ist spezialisiert auf die Beratung von Unternehmen bei der Gestaltung von Arbeits- und Geschäftsführerdienstverträgen, von Aufhebungsverträgen sowie Kündigungen und Abwicklungsvereinbarungen.

Foto Nora Nauta

Nora Nauta, Senior Associate bei Osborne Clarke, berät nationale und internationale Unternehmen auf dem gesamten Gebiet des Individual- und Kollektivarbeitsrechtes. Sie unterstützt Mandanten in allen arbeitsrechtlichen Angelegenheiten. Neben der umfassenden arbeitsrechtlichen Vertragsgestaltung umfasst ihre Expertise jegliche betriebsrentenrechtliche Fragestellungen als auch betriebsverfassungsrechtliche Fragestellungen.

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