Elternzeit für Männer in Führungspositionen – das geht!

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„Es gibt viele Kollegen in meinem Alter, die Führungskraft und gleichzeitig präsenter Vater sein möchten.“ Ilja Freund, Head of Communications bei Cisco Deutschland, im Gespräch mit dem HR JOURNAL über seine Erfahrungen mit Elternzeit für Männer in Führungspositionen.

Es gibt sie: Väter in Führungspositionen, die mehrere Monate lang Elternzeit nehmen. Ein Beispiel ist Ilja Freund, Head of Communications bei Cisco Deutschland. Er berichtet über seine Erfahrungen und gibt Tipps, was in dieser Situation für Unternehmen und Mitarbeitende wichtig ist.

Herr Freund, wie kam es zu Ihrem Entschluss, acht Montage lang in Elternzeit zu gehen?

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Ilja Freund: Mein Wunsch stand schon früh fest. Ich will als Vater genauso präsent für mein Kind sein wie seine Mutter. Ich werde ja nicht Papa, um den Kleinen nur am Wochenende zu sehen. Gleichzeitig habe ich mit der Geburt auch nicht meine Karriereambitionen verloren. Es gibt viele Kollegen in meinem Alter, die Führungskraft und gleichzeitig präsenter Vater sein möchten.

Wie hat Ihr privates Umfeld auf diesen Entschluss reagiert?

Ilja Freund: Der Familien- und Freundeskreis hatte das schon so erwartet. Man war eher gespannt darauf, wie sich das dann in der Praxis gestalten würde und da kamen viele praktische Nachfragen.

Und Ihre Kolleginnen und Kollegen bei Cisco?

Ilja Freund: Alle KollegInnen und Vorgesetzten haben sich über die Nachricht, dass ich Papa werde, sehr gefreut. Es war auch ein sehr gutes Gefühl, als ich das dem Deutschland-Chef Uwe Peter erzählt habe. Er hat mir direkt gratuliert zur Entscheidung und mich erstmal zum Essen eingeladen. Ich denke, es war auch für alle hilfreich, dass ich recht früh Bescheid gesagt habe.

Ist es wichtig, den Wunsch rechtzeitig anzukündigen?

Ilja Freund: Auf jeden Fall. Dann hat das Unternehmen genügend Zeit, sich darauf vorzubereiten. Wir haben gemeinsam die Möglichkeiten besprochen und einen externen, temporären Ersatz gesucht. Damit wurden meine Aufgaben nicht auf das Team verteilt, was mir wichtig war.

Wie ist dann die Übergabe vor der ersten Elternzeit verlaufen?

Ilja Freund: Leider etwas chaotischer als geplant, da mein Sohn fast einen Monat vor dem Termin auf die Welt kam. Es war wichtig, dass ich bereits sehr frühzeitig mit der Planung und Verschriftlichung der Übergabe begonnen hatte. Man weiß ja letztlich nie, wann der Nachwuchs dann wirklich kommt.

Die erste Elternzeit waren zwei Monate – beim zweiten Teil für ein halbes Jahr war dann alles geordneter?

Ilja Freund: Ja, da kam auch nichts mehr dazwischen. Es hatte dann zwar recht lange gedauert, einen guten Kandidaten zu finden, aber ich konnte mit ihm eine geordnete Übergabe machen. Dazu hatte ich einen detaillierten Plan für das halbe Jahr mit allen Tagesaufgaben und größeren Projekten aufgestellt, den wir gemeinsam durchgegangen sind. Dazu habe ich ihm viel erzählt, welche Kultur mir im Team wichtig ist. Zentral war aber auch eine intensive Kommunikation mit dem Team und eine umfassende Übergabe an andere Führungskräfte bei Cisco, inklusive KPIs für das halbe Jahr.

Wie war die Rückkehr nach der langen Elternzeit?

Ilja Freund: Es hat schon gut drei Wochen gedauert, bis ich mich wieder in die Arbeitsroutine eingefunden habe. Nach sechs Monaten abwechslungsreicher Zeit mit Kleinkind war es ein ziemlicher Break, wieder den ganzen Tag nur am PC zu sitzen. Am schwierigsten war es für mich, wieder in den „Vorangeh“-Modus zu kommen – mit hoher Taktzahl und das Team auf Temperatur zu bringen.

Welche Unternehmenskultur ist wichtig, damit die Elternzeit reibungslos für alle Seiten verläuft?

Ilja Freund: Mir war wichtig zu wissen, dass Cisco meine Arbeit schätzt und mich darum in allen Lebenslagen unterstützt. Ich fand es zum Beispiel super positiv, dass Cisco Vätern einen Monat bezahlte Elternzeit spendiert. Gleichzeitig war klar, dass ich nach meiner Rückkehr in der alten Rolle weiter machen werde und keine Nachteile habe. Dafür braucht es eine echte, gelebte Vertrauenskultur. Die ist übrigens auch wichtig für das Unternehmen selbst, nicht nur für die Angestellten. Wenn man so lange pausiert, hat man auf einmal Zeit, sich intensiv mit Job-Angeboten auseinander zu setzen und zu überprüfen, ob es noch das richtige Unternehmen für einen ist.

Und wie sieht es nach der Elternzeit aus?

Ilja Freund: Dann ist eine moderne Unternehmenskultur sogar noch wichtiger. Schließlich lässt sich eine komplette Abwesenheit einfacher planen als das Arbeiten mit Kind. Hier sollte das Unternehmen die gleiche Flexibilität zeigen, die es von seinen Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmern erwartet. Termine zwischen 15 und 17 Uhr versuche ich zu vermeiden, da habe ich einen Blocker im Kalender. Das arbeite ich später nach. Bei Cisco bin ich außerdem in der glücklichen Lage, dass sich alle KollegInnen und Vorgesetzten freuen, wenn mein Sohn beim Video-Call mal auf meinem Schoß sitzt. Flexibilität heißt für mich aber auch, dass ich per Webex auf dem Handy ein paar Aufgaben auf dem Spielplatz erledigen oder delegieren kann.

Elternzeit für Väter ist nach wie vor ein ungewohntes Thema, wird sich das in Zukunft ändern?

Ilja Freund: Hoffentlich. Die Pandemie hat gezeigt, dass Homeoffice und flexible Arbeitszeiten funktionieren. Das lässt sich auch auf andere Situationen übertragen, wie Elternschaft oder die Pflege eines Angehörigen. Unternehmen dürfen dieses Potenzial nicht verschenken. Eltern haben auch oft einen anderen Blick auf Dinge als Manager, die den ganzen Tag den Rücken frei haben und nie Kinderkrank-Tage nehmen. Diese Diversität sollten Unternehmen nutzen.

Müssen Unternehmen also ihre Führungskräfte loslassen um sie zu halten?

Ilja Freund: Ja, absolut. Und das gilt nicht nur für Elternzeit. Je mehr Vertrauen die Mitarbeitenden spüren, desto größer werden Bindung und Motivation. Elternzeit kann da ein echter Lackmustest sein. Wenn Manager keine Elternzeit nehmen, dann ist das aus meiner Sicht ein Warnsignal. Dann stimmt etwas im gelebten Wertesystem nicht.

Wie lautet Ihr persönliches Fazit nach der Elternzeit?

Ilja Freund: Im ersten Schritt ist es wichtig, den Wunsch nach Elternzeit frühzeitig und klar anzukündigen. Anschließend sollte man viele Prozesse selbst im Blick behalten, wie die Suche nach einem Ersatz, die Planungen und Übergaben. Entscheidend ist aber die Zeit danach. Mit einem Kind sind traditionelle Arbeitsmuster kaum noch möglich und in der heutigen Zeit dank Homeoffice auch nicht mehr nötig. Schlussendlich ist es sehr wichtig, den Kontakt zum Mitarbeiter auch während der Elternzeit zu halten, sodass die Toptalente wieder kommen.

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Foto Ilja Freund

Ilja Freund ist Head of Communications bei Cisco Deutschland. Nach der Geburt seines Sohnes 2021 war er 2 Monate in Elternzeit. Von Ende Juli 2021 bis Ende Januar 2022 folgte dann der zweite Teil über 6 Monate.

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