Flexible Arbeitsstrukturen halten gute Kräfte im Unternehmen, sagt Peggy de Lange, Vice President bei Fiverr. Beim Modell der Elastic Workforce profitieren alle Seiten.
Für viele Arbeitnehmer in Deutschland steht aktuell – nach langen Monaten im Home-Office – die Rückkehr ins Büro an. Die letzten anderthalb Jahre sind allerdings an niemandem spurlos vorüber gegangen. Auch wenn wir uns auf ein Wiedersehen mit liebgewonnenen Kollegen freuen, die alte Normalität im starren Büroalltag scheint für viele Mitarbeiter nicht mehr ganz zu passen. So ist die Rückkehr ins Büro nicht für alle ein Grund zur Freude.
60 Prozent der Befragten denken an Jobwechsel
Vor diesem Hintergrund hat Fiverr im Juli dieses Jahres eine Umfrage unter mehr als 1.000 Büroangestellten in Deutschland durchgeführt und herausgefunden, dass knapp die Hälfte von ihnen (immerhin 47 Prozent) in ihrem Job frustriert sind. Viele Angestellte beklagen, dass ihr Arbeitgeber ihren Wunsch nach dem Arbeiten von zu Hause nicht oder nicht länger unterstützt. Beim geplanten Umstieg auf die Büropräsenz wünschen sich viele zumindest die Option auf mobiles Arbeiten und flexible Arbeitszeiten, um sich in der aktuellen Position weiterhin wohlzufühlen.
So ist es nicht verwunderlich, dass über 60 Prozent der Befragten bereits mit dem Gedanken an einen Jobwechsel spielen. Die Umfrage belegt, dass viele Angestellte während der Corona-Pandemie mehr über ihre Karriere nachgedacht haben als zuvor. So entstand die Frustration und Bereitschaft für einen Job-Wechsel also auch, weil Arbeitnehmer jetzt mehr hinterfragen, was ihnen am Arbeitsplatz wichtig ist und, ob ihre persönlichen Karriereziele weiterhin noch Gültigkeit haben. Der Wunsch nach Zufriedenheit am Arbeitsplatz ist wichtiger denn je.
Warum uns flexibles Arbeiten glücklich macht
Im Berufsalltag ist zur neuen Normalität geworden, was vor der Pandemie noch als exotisch galt: Wo es möglich ist, arbeiten wir zeitlich und räumlich flexibel. Ausgestattet mit digitalen Kommunikations- und Kollaborationstools gelingt Teamarbeit plötzlich remote – und das in den unterschiedlichsten Disziplinen. Die klassische „9 to 5“-Routine gilt nicht mehr überall als Standard. Eine Vielzahl von Studien in den letzten Monaten hat gezeigt, dass die allgemeine Produktivität dabei keineswegs gelitten hat. In vielen Fällen sind Arbeitnehmer im Home Office sogar produktiver als im Büro – zum Beispiel durch den Wegfall von Pendelzeiten und der besseren Vereinbarkeit von Privat- und Berufsleben.
Ein wichtiger Aspekt dabei ist, dass wir im neuen Setting gelernt haben, selbstbestimmter zu arbeiten. Remote-Arbeit setzt nicht nur ein hohes Maß an Organisationstalent und Anpassungsfähigkeit, sondern auch an Eigenverantwortung voraus. Gelingt uns das gut, fühlen wir uns in unserem Arbeitsalltag mit flexibleren Strukturen plötzlich viel freier und motivierter. Das hat die Fiverr-Umfrage bestätigt: Flexibilität ist für die Arbeitnehmer aktuell die dringendste Anforderung an ihren Arbeitsplatz. Außerdem gaben 33 Prozent der Befragten an, dass sie in ihrem Arbeitsalltag einen positiven Flow-Zustand erreichen, sobald sie ihre Aufgaben flexibel selbst priorisieren können.
Elastic Workforce – ein zukunftsfähiges Arbeitsmodell
Trotz aller Herausforderungen in den letzten Monaten, ist die Stimmung auf dem Arbeitsmarkt in Deutschland nicht von Resignation geprägt. Mit den Erkenntnissen, die wir aus den Monaten im Home Office gewonnen haben, können wir sogar positiv in die Zukunft blicken und Arbeitgeber könnten von der Aufbruchsstimmung profitieren – wenn es ihnen gelingt, den neuen Anforderungen von Arbeitnehmern gerecht zu werden. Die Schaffung von flexibleren Strukturen ist dabei Grundvoraussetzung, um gute Talente zu halten.
In diesem Zusammenhang lohnt sich ein Blick auf das Arbeitsmodell der „Elastic Workforce“ („Elastische Arbeitskräfte“), wonach die Arbeit im Unternehmen flexibler und agiler verteilt wird und es weniger darauf ankommt, dass alle Mitarbeiter vor Ort im Büro sind. Der Begriff „elastisch“ beschreibt in diesem Zusammenhang auch die Fähigkeit des Unternehmens, den Personalbedarf flexibel zu decken – sowohl bei rückläufigen Geschäften als auch zu Stoßzeiten.
Eine solche Aufstellung erfordert, dass die Mitarbeiter generalistisch geschult und potenziell für diverse Arbeitsabläufe eingesetzt werden. Oder, dass der feste Kreis an Mitarbeitern regelmäßig von einem flexiblen Team freier Spezialisten ergänzt wird, das je nach Bedarf zum Einsatz kommt. Diese Art der Organisationsstruktur birgt Raum für die Umsetzung individueller, flexibler Arbeitszeitmodelle in Abhängigkeit von der betrieblichen Auslastung.
In der Corona-Pandemie haben wir gesehen, wie schnell sich Business-Modelle wandeln können – zum Beispiel, wenn Unternehmen von heute auf morgen Online-Vertriebskanäle aufbauen müssen, um ihre Kunden weiterhin zu erreichen. Mit einer offenen, agilen Organisationsstruktur sind Unternehmen für solche Veränderungen besser gewappnet und können zuversichtlicher nach vorne blicken.
Peggy de Lange ist Vice President International Expansion bei der Freelancer-Plattform Fiverr. Neben der globalen Expansion des Unternehmens verantwortet sie die Lokalisierung des Marktplatzes, um die Käufer- und Verkäufererfahrungen auf Fiverr außerhalb der USA zu optimieren. Sie ist seit 2012 bei Fiverr tätig, u.a. als Marketing Director und VP Corporate Marketing. 2017 gründete sie zudem die gemeinnützige Tierschutzorganisation KFAAF (Kindness For All Animals Foundation), mit der sie hilfsbedürftige Tiere auf ihrer Farm in den Niederlanden betreut.