Eine unternehmensverbundene Familienstiftung erhält die Unternehmenskultur. Rechtsanwalt Thorsten Klinkner erklärt, was sie darüber hinaus auszeichnet.
Für immer mehr Mitarbeiter sind wertschätzende, stabilisierende Unternehmenswerte ein wesentlicher Punkt, um sich dauerhaft in einem Unternehmen zu engagieren. Die unternehmensverbundene Familienstiftung als Gesellschafterin eines Unternehmens kann eine solche Unternehmenskultur langfristig absichern, auch unter operativer Fremdführung. Fürs Employer Branding ist das ein maßgeblicher Punkt.
Wettbewerbsfaktor Unternehmenskultur
Ein bisschen Theorie vorab: Die Unternehmenskultur (auch Organisationskultur) ist ein Begriff der Organisationstheorie und beschreibt die Entstehung und Entwicklung kultureller Wertmuster innerhalb von Organisationen. Das Konzept der Organisationskultur überträgt den Kulturgedanken aus der Kulturanthropologie auf Unternehmen: Durch die Kultur wird das Zusammenleben im Unternehmen und der Außenauftritt geprägt. Oder anders: „Die Unternehmenskultur beschreibt die Werte, Normen und Einstellungen, welche die Entscheidungen, Handlungen und das Verhalten der Mitglieder einer Organisation prägen. Dazu zählt, wie ein Unternehmen in der Rangfolge der Mitarbeiter aufgebaut ist, sowie die Funktion und Wirkung der einzelnen Geschäftsebenen untereinander beziehungsweise mit dem Kunden“, lautet eine gängige Definition. Die Unternehmenskultur bestimmt das kollektive organisatorische Verhalten und Verhalten von Individuen in Organisationen – und ist neben der Fähigkeit zur Veränderung zu einem zentralen Wettbewerbsfaktor für Profit und Nonprofit-Organisationen geworden.
Bei der Jobplattform StepStone heißt es dazu im Artikel „So wichtig sind Cultural Fit und Unternehmenskultur“:
„Wo liegt der Grund für den Mismatch, wenn es nicht passt zwischen Beschäftigten und Unternehmen? Oftmals liegt es daran, dass die gelebte Unternehmenskultur nicht mit den Werten und Vorstellungen des Mitarbeiters übereinstimmen. Es fehlt der sogenannte Cultural Fit. Die Unternehmenskultur und die Wertvorstellungen, bzw. die Verhaltensweisen des Mitarbeiters stimmen nicht überein. Stimmt es kulturell, hat das große Vorteile für Mitarbeiter und Unternehmen. Stimmt es nicht, kann sich dies negativ auf Mitarbeitermotivation wie Arbeitsleistung auswirken.“
Die Unternehmenskultur komme besonders im Recruiting und im Wettstreit um die besten Talente zum Tragen und auch, um wichtige Mitarbeiter langfristig an das Unternehmen zu binden. Sie zahle auf die Mitarbeitermotivation, ihre Zufriedenheit und somit auf die Produktivität des Unternehmens insgesamt ein. Dazu ein paar Daten: 97 Prozent der Fachkräfte ist laut StepStone die Unternehmenskultur wichtig, mehr als 60 Prozent der Fachkräfte wurden im Bewerbungsgespräch schon über die Unternehmenskultur getäuscht, und mehr als 33 Prozent der Fachkräfte können sich nicht mit der Unternehmenskultur ihres Arbeitgebers identifizieren. Das heißt: „Die Unternehmenskultur ist demnach sowohl aus Sicht der Unternehmen wie der Mitarbeiter von hoher Bedeutung.“
Unternehmenskultur für Mitarbeiter absichern
Gerade bei familiengeführten Unternehmen – die in Deutschland weiterhin die weit überwiegende Mehrheit der Unternehmen darstellen und auch unter international tätigen Topkonzernen weit verbreitet sind – steht im Fokus, eine einmal entwickelte Unternehmenskultur mit hohem Verantwortungsbewusstsein für die Mitarbeiter über die Generationen hinweg zu erhalten. Und zwar auch dann und gerade dann, wenn die Familie gar keine operative Führungsverantwortung mehr hat. Es geht dabei nicht um die Details, sondern um die Eckpfeiler, das für das konkrete Unternehmen jeweils Wesentliche.
Diese angestrebte Fortführung einer spezifischen Unternehmenskultur stellt sich in der Praxis oft als Problem heraus, denn unter fremdem Management ist die Kontinuität in Unternehmensführung, Unternehmenskultur und Werteorientierung häufig nicht hinreichend rechtlich gesichert. Bei den typischen Gesellschaftsformen wie GmbH oder AG existieren keine langfristig tragfähigen Möglichkeiten, den Erhalt einer gewachsenen Unternehmenskultur festzuschreiben und das Management zur Einhaltung dieser Werte und Normen wirklich dauerhaft zu verpflichten. Die unternehmensverbundene Familienstiftung als alternative Gesellschaftsform zur Führung von Unternehmen hingegen bildet genau diesen Aspekt ab, um eine wertschätzende und stabilisierende Unternehmenskultur abzusichern.
Kern der individuellen Unternehmenskultur verankern
Die unternehmensverbundene Familienstiftung übernimmt die Eigentümerschaft über ein Vermögen und/oder die Funktion als Gesellschafter und sichert das Stiftungsvermögen innerhalb einer individuell stimmigen Struktur dauerhaft ab. Das Vermögen wird unter dem eigentümerlosen Dach der Familienstiftung verselbstständigt, denn eine Stiftung gehört nur sich selbst, an ihr bestehen keine vermögenswerten Mitgliedschafts- und Beteiligungsrechte. Dadurch kann ein einmal eingebrachtes Vermögen nicht zersplittert werden, indem Anteile herausgelöst oder verkauft werden. Außer, der Stifter hat dazu bestimmte Vorgaben in der Stiftungssatzung gemacht. Durch die Familienstiftung als neue Gesellschafterin schafft der Stifter-Unternehmer eine zukunftsorientierte Eigentümerstruktur, indem das Unternehmen von der Notwendigkeit eines persönlichen Gesellschafters befreit wird.
Die unternehmensverbundene Familienstiftung bildet das Rückgrat zur Steuerung des Unternehmens und verankert den Kern der individuellen Unternehmenskultur, zum Beispiel durch die konkrete Fixierung von Unternehmenswerten, Leitlinien zu den Anforderungen an Führungskräfte, Grundprinzipien der Gewinnverwendung, Investition, betrieblicher Altersversorgung etc. Anders als im Gesellschaftsvertrag einer GmbH-Holding oder der Satzung einer AG können die spezifischen Grundprinzipien in der Verfassung einer unternehmensverbundenen Stiftung langfristig und im Kern unveränderlich geregelt werden.
Fachkräfte wollen in einer etablierten Kultur arbeiten
Dabei steht auch das sogenannte Employer Branding im Fokus. Eine Familienstiftung fördert zunächst die Positionierung als stabiler Arbeitgeber. Das stiftungsverbundene Unternehmen gerät gerade nicht eine Schieflage, wenn der bisherige Gesellschafter sich scheiden lässt, ins Ausland zieht, einen Unfall hat oder verstirbt. Die „Nachfolge“ ist dauerhaft geregelt. Es gibt keine Erbengemeinschaft, keine Diskussionen über ein unklares Testament, keine plötzlichen Erbschaftsteuerlasten oder Ausgleichszahlungen an Erben, die Liquidität aus dem Unternehmen abziehen. Diese Stabilität in der Unternehmensstruktur ist gerade hinsichtlich der Gewinnung und Bindung von gut ausgebildeten Mitarbeitern und Führungskräften von sehr großer praktischer Bedeutung. Wer engagiert sich als Führungskraft in einem Unternehmen, dessen grundsätzlicher Fortbestand unsicher ist? Nicht ohne Grund verlangen zum Beispiel viele große produzierende Unternehmen vorab zur Unterzeichnung von langfristigen Verträgen mit Zulieferern eine stabile und nachhaltige Gesellschafterstruktur.
Fachkräfte wollen in einer etablierten Kultur arbeiten und einer sinnvollen Tätigkeit nachgehen. Geld ist längst nicht mehr der einzige Anreiz. Zuckerbrot und Peitsche gehören in die Mottenkiste. Ein in eine Stiftung eingebrachtes Unternehmen steht für den langfristigen Aspekt und erreicht dadurch Vorteile bei potenziellen Bewerbern und insbesondere Führungskräften. Das Unternehmen, das konkrete Produkt oder die Dienstleistung, einzigartige Verfahren, Abläufe und gewachsene Kundenbeziehungen können dauerhaft erhalten bleiben. Es wird nicht permanent aufgrund eines neuen Investors alles auf den Kopf gestellt. Aufgrund der dauerhaft stabilen Gesellschafterstruktur lohnt es sich, langfristig zu denken und zu handeln. Es steht nicht der kurzfristige Shareholder-Value im Vordergrund, sondern die langfristige Unternehmensfortführung.
Eine erfolgreiche unternehmerische Zukunft ist nur mit sehr guten Mitarbeitern möglich – dafür sorgt die Stiftung als stabiler Gesellschafter. Daher ist eine langfristig gesicherte Unternehmenskultur ein wichtiger Schritt hin zu einer positiven Wahrnehmung im Wettbewerb um die besten Talente, die sich ihren Arbeitgeber aufgrund ihrer Kompetenzen und des demografischen Wandels aussuchen können. Dies wirkt sich auch wiederum auf das Employer Branding aus.
Durch eine gemeinsame Werteentwicklung und die Verankerung in der Stiftungssatzung wird ein Unternehmen in seiner Strategie zukunftsfähig. Der berüchtigte Fachkräftemangel ist dann für diese stiftungsverbundenen Unternehmen kein Thema. Im Gegenteil: Die Menschen dursten danach, dass sie selbst wirksam werden und sich einbringen können. Der Arbeitgeber, der diese Möglichkeit bietet, ist der Arbeitgeber der Zukunft. Gefragt sind Modelle, die Raum geben für Eigenverantwortung, Leistung und Kreativität.
Leitlinien fürs Management hinsichtlich der Unternehmenskultur
Doch wie werden Werte, Prinzipien und Unternehmenskultur in einer unternehmensverbundenen Familienstiftung verankert? Der Fokus liegt auf einem gemeinsamen Prozess, der auf Mitwirkung aufbaut, sodass jeder Beteiligte seinen Beitrag leisten kann und sich daher zugehörig fühlt. Dabei wird das häufig unausgesprochen Gelebte reflektiert und auf den Punkt gebracht. Dieser Prozess kann zunächst im Gesellschafterkreis erfolgen und sich dann auf Führungskräfte und gegebenenfalls alle Mitarbeiter ausdehnen. Das ist ein anspruchsvoller Weg. Die Praxis zeigt jedoch, dass der Weg lohnt und auch gelingt.
Die Ergebnisse werden schrittweise verdichtet und mit Beispielen und Aktivitäten konkretisiert. Auf diese Weise kann jeder Beteiligte „etwas damit anfangen“. Schließlich wird dieses Wertegerüst in die Präambel der Stiftungssatzung aufgenommen und in den Detailregelungen der Satzung konkretisiert. Die Präambel ist die DNA der Satzung, sie ist unveränderlich und kann sich in der Folge zum Maßstab für alle Gesellschaftsverträge im Unternehmen und in den Arbeitsverträgen entwickeln. Die definierten und verankerten Werte sind keine Lippenbekenntnisse, sondern konkreter Entscheidungsmaßstab. Also legt der Stifter-Unternehmer darin auch die großen Leitlinien fürs Management fest, die jederzeit bindend sind. Der Stiftungsvorstand und oder ein Beirat wachen über die Einhaltung. Auch ein Fremdmanagement kann sich nie darüber hinwegsetzen, sodass die Unternehmenskultur jederzeit durch die übergeordnete Struktur der Stiftung gewahrt bleibt.
Das bedeutet: Die unternehmensverbundene Familienstiftung leistet einen wesentlichen Beitrag zum Werteschutz in einem Unternehmen und erweitert damit den Aspekt des reinen Vermögensschutzes. Schließlich sind Unternehmenswerte und -kultur ein strategisch wichtiges Element für die Zukunft eines Unternehmens. Die Stiftung ist ein wesentliches Instrument für die nachhaltige Fortführung und Entwicklung einer auf Werten und Sinnstiftung basierenden Unternehmenskultur. Die Mitarbeiter und Bewerber werden es danken und das Unternehmen damit ebenfalls im Sinne des Stifters langfristig prägen.
Rechtsanwalt und Steuerberater Thorsten Klinkner führt die Rechtsanwalts- und Steuerberatungsgesellschaft UnternehmerKompositionen GmbH aus Meerbusch bei Düsseldorf. Sie ist etablierte Spezialdienstleisterin für die rechtlich, steuerlich und strategisch tragfähige Errichtung von Familienstiftungen als Instrument einer zukunftsorientierten Eigentümerstruktur.