Die anhaltende Krise führt nicht zu einer Gewöhnung, sondern zu einer Dynamisierung psychischer Belastungen, sagt Reinhild Fürstenberg. Was tun?
„Fahren auf Sicht“ ist verpönt. Gilt doch vorausschauendes Planen als wesentlicher Erfolgsfaktor für Unternehmen. Die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Maßnahmen machen das jedoch unmöglich für Unternehmenslenkerinnen und -lenker. Auch die Beschäftigten leiden im Beruflichen und Privaten unter fehlender Planbarkeit und Verlässlichkeit. Betriebsfeiern wurden längst abgesagt, der Weihnachtsmarktbummel entfällt, sogar Weihnachten kann nicht mit der ganzen Familie gefeiert werden – und nun noch der „harte Lockdown“ bis in den Januar. So will auch keine rechte Vorfreude auf das nahe neue Jahr aufkommen, selbst gute Vorsätze sind der Pandemie-Lage unterworfen.
„Viele Menschen stehen der sich stetig verändernden Situation ohnmächtig gegenüber. Dieses Gefühl wird vielfach verschärft durch Angst vor Krankheit und Vereinsamung. Deshalb ist das größte Geschenk, das wir uns selbst zu Weihnachten machen können, den eigenen Handlungsspielraum zu erkennen! Denn der ist nach wie vor existent und existenziell für unsere mentale Stabilität“, sagt Gesundheitswissenschaftlerin Reinhild Fürstenberg.
Nahende Feiertage erhöhen das Stresslevel
„Wir merken an den zuletzt noch einmal deutlich gestiegenen Anfragen in unserer Mitarbeiter- und Führungskräfteberatung, dass die anhaltende Krise nicht zu einer Gewöhnung, sondern vielmehr zu einer Dynamisierung psychischer Belastungen führt. Die nahenden Feiertage erhöhen das Stresslevel vieler Menschen zudem. Auch im Arbeitskontext werden die psychischen Belastungen durch Corona zum Beispiel durch sinkendes Engagement, Konzentrations- und Leistungsfähigkeit zusehends relevant.“ Das nun wieder nötige Home-Schooling und die Frage der Kinderbetreuung sind für arbeitende Eltern nach den anstrengenden Erfahrungen aus dem Frühjahr ein weiterer Stressor.
Viele Themen, wie zum Beispiel Partnerschaftsprobleme, Depressionen oder Suchtkrankheiten werden durch die aktuelle Situation weiter verschärft. Doch Unternehmen müssen nicht tatenlos zusehen, wenn Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter psychische Auffälligkeiten zeigen. Viele bieten bereits Online-Angebote zur Selbsthilfe an oder nutzen eine externe Mitarbeiter- und Führungskräfteberatung.
5 Tipps zur mentalen Stärkung im Lockdown
„Uns ist es in den Beratungen sehr wichtig zu vermitteln, dass man dem Gefühl der Ohnmacht auch in der Corona-Krise nicht ausgeliefert ist. Wir ermutigen die Ratsuchenden, ihre Handlungsspielräume zu erkennen und weiterzuentwickeln. Das muss nicht immer der große Wurf sein, sondern geht auch ganz praktisch mit kleinen Dingen des Alltags – aber der Entlastungseffekt ist hierbei sehr groß.“
Reinhild Fürstenberg rät Unternehmen, die Verunsicherung ihrer Mitarbeitenden ernst zu nehmen und vorausschauend zu handeln. Ihre Tipps zur mentalen Stärkung im Lockdown:
- Etablieren Sie neue Routinen, die Ihnen guttun. Aber nur solche, die keinen zusätzlichen Stress erzeugen – denken Sie hier „klein und fein“. Es kann zum Beispiel der Spaziergang in der Mittagspause sein oder der kurze Anruf bei einem lieben Menschen.
- „Übersetzen“ Sie ihre liebste Tätigkeit in den neuen Corona-Alltag und schöpfen Sie zum Beispiel beim Koch-Duell mit Freunden die digitalen Möglichkeiten voll aus.
- Fokussieren Sie auf schöne Dinge, die erfüllbar sind, wie die Winter-Wanderung mit der Familie in der nahen Natur oder die Plattensammlung sortieren und alte Schätze wiederfinden.
- Probieren Sie Neues aus: Lernen Sie ein leichtes Handwerk oder fangen Sie an Tagebuch zu schreiben – rückblickend gewinnen Sie sicher noch mal spannende Erkenntnisse.
- Denken Sie daran, was Sie in diesem Jahr und in vergangenen Krisen schon alles gemeistert haben – und wie schön es sein wird, im kommenden Jahr wieder so zu feiern, wie Sie es sich wünschen.
Reinhild Fürstenberg ist Gründerin und Geschäftsführerin des Fürstenberg Instituts. Das systemische Beratungsunternehmen unterstützt Firmen dabei, Mitarbeiter gesund und leistungsstark zu halten, Zukunftskompetenzen in der Belegschaft aus- und aufzubauen und so psychische Belastungen in herausfordernden Veränderungs- oder Krisensituationen zu reduzieren. Die Lösungsstrategien beinhalten ein Beratungsangebot für Mitarbeiter und Führungskräfte (EAP), die gesundheitsorientierte Organisationsberatung, den Work-Life-Service sowie die Entwicklungs- und Qualifizierungsangebote der Fürstenberg Akademie.