Gamification, Virtual Reality – die digitale Gesundheitsförderung hat vieles im Angebot. Carsten Stephan, Geschäftsführer von Team Gesundheit, gibt Hinweise, auf welche Aspekte Sie bei deren Einführung im Unternehmen achten sollten. Vor allem zählt, was sich die Belegschaft wünscht.
Neue Generationen verändern den Arbeitsmarkt, Teams sind zunehmend dezentralisiert und digitalisiert, Tätigkeiten werden häufiger remote ausgeübt. Ort und Zeit verlieren im Büroalltag der Arbeitswelt 4.0 immer mehr an Bedeutung. Doch gerade die mit Remote-Tätigkeiten einhergehende Autonomie und Flexibilität kann für Beschäftigte mitunter auch zur Belastung werden.
Zu den klassischen gesundheitlichen Herausforderungen gesellen sich Entwicklungen wie Informationsflut und Entgrenzung. Das alles macht Gesundheitsförderung für Betriebe mehr denn je zur Pflicht, um wettbewerbs- und leistungsfähig zu bleiben. Nun kann ein Unternehmen den gesundheitlichen Herausforderungen des modernen Arbeitsplatzes mit bereits bewährten analogen Ansätzen begegnen oder es wagt sich darüber hinaus an digitale Innovationen. Denn es braucht neue Ansätze, um alle Beschäftigten zu erreichen. Egal ob vor Ort, remote oder hybrid. Welches Ausmaß an digitalen Angeboten dabei das Richtige ist, kommt ganz aufs Unternehmen an.
Wie können Gesundheitsangebote alle Beschäftigten erreichen?
Das Homeoffice ist ein Setting, auf das viele Unternehmen so nicht vorbereitet waren. Personal- und Gesundheitsverantwortliche stehen damit vor Herausforderungen: Die Mitarbeitenden dürfen nicht aus den Augen verloren werden und sollten auch zu Hause gesundheitsförderlich unterstützt werden. Jetzt stellt sich die berechtigte Frage, wie dies gelingen kann.
Ein Teil der Antwort ist naheliegend: Es braucht orts- und zeitunabhängige Angebote. Allerdings ist es nicht zielführend, allein dahingehend die gesamte betriebliche Gesundheitsförderung von nun an digital auszurichten. Denn auch bei der Digitalisierung des Gesundheitsprogramms gilt es einige Aspekte zu beachten:
- Wie ist das Unternehmen selbst digital aufgestellt? Der Digitalisierungsindex in Deutschland zeigt, dass sich der Digitalisierungsgrad je nach Branche und Unternehmensgröße stark unterscheiden kann. Auch ist in einigen Unternehmen Homeoffice allein aufgrund der Tätigkeiten gar nicht denkbar, während andere Unternehmen nicht einmal mehr ein eigenes Büro besitzen.
- Werden digitale Angebote im Unternehmen akzeptiert oder herrscht eine gewisse digitale Müdigkeit? Hier gilt es genau hinzuschauen, welche Formate sich die Belegschaft wünscht. Denn nur durch Partizipation lässt sich ein nachhaltiges und zielgruppenorientiertes Portfolio an Maßnahmen für das Unternehmen zusammenstellen.
- Sind alle Beschäftigten digital affin? Oft kommt es vor, dass in Unternehmen eine gewisse digitale Kluft zwischen den Mitarbeitenden herrscht. Da spielen beispielsweise unterschiedliche Generationen, aber auch sozial bedingte Unterschiede eine Rolle.
Will man nun einen Großteil der Beschäftigten mit dem betrieblichen Gesundheitsangebot erreichen, gilt es diesen Fragen vorab auf den Grund zu gehen und digitale Maßnahmen entsprechend zu planen und zu dosieren. In der Regel empfiehlt sich ein hybrider Ansatz, der je nach den Bedürfnissen der Beschäftigten mehr oder weniger stark digitalisiert ist.
Ein sanfter Start für die eigenverantwortliche Gesundheitsförderung
Am Ende kommt es bei vielen digitalen Technologien aber auch auf ein hohes Maß an Eigenverantwortung und -initiative an. Beschäftigte müssen sich selbst dazu entscheiden, die digitalen Technologien nutzen zu wollen und diese dann auch einsetzen. Digitale Gesundheitsplattformen können hier unterstützen, denn sie fördern das eigenverantwortliche gesundheitsfördernde Verhalten und können digitale Präventions- und Gesundheitsförderungsangebote für alle leicht zugänglich bereitstellen.
So lassen sich zum Beispiel Achtsamkeits-, Atem- oder Meditationsübungen in Video- & Audioform anbieten. Sie helfen, selbst kleine Auszeiten im Arbeitsalltag zu nutzen und sind ein idealer Einstieg. Da die Hemmschwelle gering ist, wenn man bequem von zuhause aus teilnehmen kann, werden diese digitalen Angebote zur Stressreduktion in der Praxis gern und vielfältig eingesetzt.
Generell können digitale Lernformate wie Videotrainings, Podcasts und E-Learnings die Zugänglichkeit steigern und als Ergänzung zu analogen Maßnahmen eingesetzt werden. Denkbar ist zum Beispiel eine Vertiefung des in Seminaren vermittelten Wissens oder der Einsatz als Alternativangebot für alle, die nicht vor Ort teilnehmen konnten.
Digitale Lösungen für die neuen „Spielregeln“ des Arbeitsmarkts
Moderne Ansätze wie Gamification, 3D-Anwendungen, Augmented Reality (AR) und Virtual Reality (VR) bieten den zusätzlichen Vorteil, dass sie an die intrinsische Motivation der Beschäftigten appellieren. Auch Expertinnen und Experten aus Forschung und Praxis halten den künftigen Einsatz von digitalen Tools mit spielerischen Elementen (Gamification) für sehr wahrscheinlich. Denn Menschen sind neugierig, wollen erforschen, lieben den Wettbewerb und wünschen sich, dass auf ihre Bedürfnisse eingegangen wird.
Ein neuer Trend in der digitalen betrieblichen Gesundheitsförderung sind daher Serious Games. Sie verpacken ernsthafte Inhalte mit klaren Lernzielen, die zum Beispiel speziell auf die Herausforderungen der Arbeitswelt zugeschnitten sind, in unterhaltsame Spiele. Dabei setzt man auf ihre lern- und motivationsförderlichen Aspekte, wie Storytelling, eine ansprechende Spielumgebung sowie Immersion, also das vollständige Eintauchen in die Spielwelt.
Während der Spaßfaktor die Motivation zur Teilnahme erhöht, können Serious Games zusätzlich niedrigschwellig für die im Spiel thematisierten Herausforderungen sensibilisieren. Der Trumpf liegt dabei in der zielgruppengerechten Ansprache. Denn Computer- und Videospiele erfreuen sich auch weiterhin generationenübergreifend einer großen Beliebtheit.
Was kann digitale Gesundheitsförderung und was nicht?
Digitale Gesundheitsförderung kann Zugangsbarrieren senken und ermöglicht zeit- und ortsflexibles Engagement. Sie sollte aber immer an den Bedürfnissen und Gegebenheiten der Belegschaft ausgerichtet sein. Weniger digital affine Menschen benötigen flankierende Leistungen zur Förderung der digitalen Gesundheitskompetenz oder die Bereitstellung alternativer nicht digitaler Partizipationsmöglichkeiten.
Denn wir dürfen nicht vergessen, dass die Digitalisierung das Spektrum der Instrumente im Bereich der betrieblichen Gesundheitsförderung lediglich erweitert – und genau diese gilt es gewinnbringend und in der richtigen Dosis zu nutzen.
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Dr. Carsten Stephan ist seit Ende 2011 Geschäftsführer der Team Gesundheit – Gesellschaft für betriebliches Gesundheitsmanagement mbH. Zu seinen Ausbildungen zählen das Studium der Pflege- und Gesundheitswissenschaft und die Promotion in Medizinwissenschaften.