Wie entwickelt sich der „Hype“ um die HR-Funktion, fragt Professor Walter Jochmann, Managing Director bei Kienbaum Consultants International. Ist HR zukunftsorientiert aufgestellt? Vier Handlungsfelder können zur Weiterentwicklung der HR-Funktion beitragen.
Der strukturelle Wandel im Markt, die sich rasant verändernde Arbeitswelt und die rapide voranschreitende Digitalisierung sorgen aktuell für ein raues wirtschaftliches Klima. Die Ergebnisse der letzten HR-Trendstudie (2023) von Kienbaum und SAP zeigen, dass die Mehrheit der Unternehmen in eine Konsolidierungsphase übergeht, anstatt wachstumsorientiert zu sein.
Restrukturierungspläne und Sparmaßnahmen stehen im Jahr 2024 auf der Agenda und stellen neben Fachkräftemangel und Qualifizierungslücken Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen. People-Risiken entwickeln sich immer mehr zu Unternehmensrisiken und rücken die HR-Funktion ins Rampenlicht.
Reifegrad der HR-Funktion
Vor dem Hintergrund zunehmender strategischer Relevanz von Personalthemen, was sich im Markt nicht zuletzt an ansteigenden Gehältern zeigt, sind wir in der Studie der Frage nachgegangen, ob die HR-Funktion den gestiegenen Anforderungen gerecht werden kann und zukunftsorientiert aufgestellt ist. Die Ergebnisse zum Reifegrad der HR-Funktion zeigen eine interessante Selbsteinschätzung: Die meisten Unternehmen sehen aktuell insbesondere in den Bereichen Administration, Prozessen, IT-Infrastruktur und Digitalisierung wichtige Entwicklungsfelder.
Das Operating Model der HR-Funktion (HR TOM) bildet die Basis für eine zukunftsfähige Aufstellung und die Grundlogik für den Aufbau und Ablauf zwischen HR-Team und internen Kunden und ist somit richtungsweisend für strategische Initiativen und Ressourcenausstattung. Gemäß der Umfrageergebnisse aus der Studie bewegen sich 60 Prozent der Unternehmen derzeit im klassischen Spektrum zwischen einer HR-Funktionalorganisation, dem Dave-Ulrich-Modell und einem Mehr-Säulen-Modell.
Das favorisierte Target Operating Model in größeren Unternehmen ist im Vergleich zum Vorjahr mit relativer Stabilität ein Mehr-Säulen-Modell. Hier werden neben den drei Funktionen HR-Business Partner, Center of Competence und Shared Service Center eine oder mehrere zusätzliche Säulen wie beispielsweise eine Learning-Organisation oder eine Strategie- und Steuerungsfunktion etabliert. In kleineren Unternehmen hingegen ist aktuell mehrheitlich eine traditionelle Funktionalorganisation vorzufinden.
Wesentliche Veränderungstreiber des HR Operating Model
Als Zielbild entwickelt sich hier die Run & Change Logik heraus. Agile Strukturen sind noch selten und wenn nur in einzelnen Struktureinheiten wie beispielsweise agilen Kompetenzzentren zu finden. Die wesentlichen Veränderungstreiber des HR Operating Model sind die Digitalisierung der HR-Kernprozesse für die Automatisierung und datengestützte Personalarbeit, Weiterentwicklung der Kundenfunktion (HR-Business-Partner-Rolle) durch eine Einführung von Customer-Experience-Lösungen sowie Effizienzsteigerung und Kundenorientierung der Shared Service Center durch die Aufstellung neuer Geschäftsmodelle.
Weiterentwicklung der HR-Funktion – vier Handlungsfelder
Zusätzlich sollte ein zukunftsfähiges Zielbild der People-Funktion auch Instrumente zur Regelung von Systemkongruenz, Risikominimierung, Effektivität und Effizienz definieren, die Zusammenarbeit innerhalb Strukturbausteinen sowie zum Kunden hin verbessern und vor allem Technologie als strategischen Hebel zur Evolution integrieren.
Vier Handlungsfelder können konkret zur Weiterentwicklung der HR-Funktion beitragen:
1. Transformation in Richtung Agilität, Robustheit, Kundenzentrierung und Digitalisierung ermöglichen: Die People-Funktion sollte zu einer People-Company ausgebaut werden und mit Weitsicht die Geschäftsbereiche und People Supply Chain unterstützen.
2. Zielführende Besetzung von erfolgskritischen Positionen: Die finale Besetzungsentscheidung erfolgskritischer Rollen bedarf einer strategischen Positionierung der Organisation sowie einem ausgereiften Suchprozess, um geeignete HR-Köpfe zu integrieren.
3. Investitionen in Technologie und Skill-Profile: Es gilt gezielte Ressourcen dazu einzusetzen, Technologie voranzutreiben, Potentiale auszuschöpfen und mögliche Skill-Gaps durch ein Re-/Upskilling zu schließen.
4. Radikalität im Alltag des Wandels erlauben: Die People-Funktion sollte der Gefahr des Scheiterns entgegenwirken und Veränderungen als Chance betrachten, konsequent vorantreiben, mit dem Ziel einer zukunftsfähigen Aufstellung.
Für die HR-Funktion gilt es nun, das Momentum zu nutzen und sich zukunftsfähig aufzustellen, um die aktuellen Geschäftsentwicklungen und längerfristigen Strategien aktiv mitzugestalten.
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Prof. Dr. Walter Jochmann ist Managing Director/ Partner und Leiter der Serviceline Organization Strategy & HR Transformation bei Kienbaum Consultants International. Als Berater betreut er Konzerne und Mittelständler bei der Entwicklung zukunftsorientierter Organisationsmodelle, bei der Transformation der HR Funktion, bei der strategischen Neuausrichtung von Personalbereichen, im Changemanagement, bei der Entwicklung von Führungsleitbildern und in der Beurteilung von Top-Führungskräften. Zudem leitet er das Kienbaum Institut @ISM für Leadership und Transformation.