Für die „People Dimension“ der Transformation einstehen

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In digitalen Transformationen kann und muss HR ihre spezifischen Stärken ausspielen, als Expertin für die „People Dimension“, fordert Jana Hecker, Geschäftsführerin der Unternehmensberatung Cetacea. Der Job: Die typischen Herausforderungen erkennen und meistern, um die Menschen für Veränderungen zu gewinnen.

Wenn digitale Transformationen scheitern – oder jedenfalls nicht die geplanten Vorteile im geplanten Maß bringen –, dann liegt das in aller Regel nicht an der Technik, die etwa nicht gehalten hat, was versprochen wurde. Sondern am Menschen. Nämlich daran, wie er / sie mit der Technik interagiert oder eben nicht interagiert; ob er tatsächlich „Nutzer / Nutzerin“ ist oder nur „Anwender / Anwenderin“ – oder nicht mal das.

Wer erklärt die digitale Transformation im Unternehmen?

Diese Art der Interaktion ist aber nicht das zufällige Produkt des Wissens, Könnens und Wollens des Einzelnen im Umgang mit dem jeweiligen digitalen Artefakt. Sondern sie ist von anderen Menschen beeinflusst, darunter in erster Linie den „Machern“ dieses Artefakts, also in der Regel der betreffenden Software. Aber auch von denjenigen, die die Implementierung im Unternehmen begleiten und unterstützen, als da wären die IT-Abteilung, die (häufig externen) Trainer und so weiter – und hier ist eben eine Fehlstelle.

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Denn wer ist in einem Unternehmen standardmäßig dafür verantwortlich, eine digitale Transformation „an den Mann / an die Frau“, sprich die Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter zu bringen? Der diesen, also den Sinn und die Zwecke und Gründe der Transformation erklärt, die Strategie dahinter, die Verbesserungen (aber auch mögliche Verschlechterungen) für das Unternehmen und auch für die einzelnen Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter, den Gebrauch und eben auch den Nutzen der neuen Artefakte und ihrer Benutzeroberflächen. Der ihnen die neuen Prozesse und das nötige Mindset vermittelt und auch ihr Feedback aufnimmt und dafür sorgt, dass die Technik möglichst nutzerfreundlich gestaltet wird.

Das nötige Change Management findet nur zufällig statt

Wenn es in dem Unternehmen nicht zufällig einen Chief Transformation Officer gibt oder das Programm-Management für die digitale Transformation von vornherein so aufgestellt wurde, dass auch diese menschliche Seite, die „People Dimension“ der Transformation zu seinen Verantwortlichkeiten gehört, dann ist sie oft von niemandem die Verantwortlichkeit. Das nötige Change Management findet dann gar nicht oder bestenfalls mehr oder weniger zufällig und punktuell statt – aber nicht, wie es nötig wäre, aus einer Hand, strategisch geplant und konsistent umgesetzt.

HR als Gestalter/-in der digitalen Transformation

Und hier kommt HR ins Spiel. Besser gesagt: Hier sollte HR längst im Spiel sein. Nämlich als die Experten für die „People Dimension“, die ganz selbstverständlich mit dem Change Management für die digitale Transformation betraut worden sind. Wie sie für jedes andere Veränderungsprojekt in der Organisation auch mit dem Change Management betraut werden. Weil HR in diesem Verständnis nämlich über genau das Angebot und die Kompetenzen verfügt, um Menschen für die Veränderungen zu gewinnen, ihnen mögliche Sorgen zu nehmen und die Digitalisierung so zu gestalten, dass die Mitarbeiter den Erfolg der Transformation als ihren eigenen begreifen und nach Kräften dazu beitragen.

Eine HR-Funktion, die sich nicht nur als interner Dienstleister und Engagement-Experte versteht, sondern als Strategic Advisor im Unternehmen die eigenen Kernkompetenzen auf die Geschäftsstrategie ausrichtet und die übrigen Funktionen mit Lösungen unterstützt, muss den Anspruch haben, der erste Ansprechpartner zu sein, wenn es darum geht, die Mitarbeiter in einen Veränderungsprozess zu involvieren. Diesen Anspruch erfüllend, wird HR zum zentralen Change Enabler der Organisation, der in digitalen und anderen Transformationsprozessen die Verantwortung dafür übernimmt, den menschlichen Faktor bestmöglich einzusetzen.

Change-Management-Kompetenzen zum Einsatz bringen

HR als Gestalter der digitalen Transformation benötigt also keine ausgeprägten IT-Kenntnisse, sondern bringt seine Change-Management-Kompetenzen zum Einsatz. Und diese sind skalierbar: Was für ein kleines digitales Veränderungsprojekt in einer Abteilung gilt, sagen wir die Einführung eines neuen CMS für die Pflege der Homepage in der Unternehmenskommunikation, gilt auch für eine umfassende, mehrere Abteilungen, ihre Abläufe und Interaktionen betreffende Transformation wie etwa die Einführung eines neuen CRM-Programms und ebenso für eine unternehmensweite Neuausrichtung wie die Umstellung vom stationären auf den digitalen Vertrieb.

Die typischen Herausforderungen erkennen und meistern

Auch wenn sich die Zahl der Beteiligten und Art und Ausmaß der Veränderungen deutlich unterscheiden, sind die Herausforderungen, die sich aus der „People Dimension“ ergeben, doch weitgehend die gleichen. Weil sich die Menschen eben weitgehend gleichen. Diese Herausforderungen – und damit die Aufgaben von HR als Gestalter der Transformation – betreffen das Wissen, das Wollen und das Können der Menschen.

  • Wissen:

    Menschen wollen wissen, warum sie etwas tun, und warum sie etwas künftig anders tun sollen als bisher. Sie wollen wissen, wozu das gut ist, welche Vor- und Nachteile es hat und inwiefern die ersteren die letzteren überwiegen. Sie wollen es beurteilen können. Und sie wollen insbesondere wissen, was sie selbst – direkt oder indirekt – davon haben.

    Ob es sich für sie also lohnt, es zu wollen. (Wohlgemerkt, auf individueller Ebene sind diese Bedürfnisse durchaus unterschiedlich ausgeprägt; manche Leute sind vollauf zufrieden damit, Anweisungen ohne weitere Gedanken auszuführen. In einem Unternehmen aber, wo man es immer mit einer Mehrzahl von Menschen zu tun hat, sollte man vom statistischen Mittel ausgehen.)

  • Wollen:

    Veränderungen machen fast immer Mühe. Mühe aber machen sich die Menschen gemeinhin nur ungerne. Und selbst wenn sie abstrakt verstehen, warum sich die Mühe lohnt (siehe „Wissen“), heißt das noch nicht, dass sie auch konkret motiviert sind, diese Mühe auf sich zu nehmen. Dafür wollen sie auch emotional dabei sein, mit dem Herzen nämlich, und sei es „nur“ deshalb, weil eine emotionale Belohnung in Aussicht steht, zum Beispiel ein Lob.

    Gerade Digitalisierungsvorhaben sind besonders anfällig dafür, zu ignorieren, dass Menschen anders als Software nicht binär funktionieren, sondern auch in ihren Gefühlen ernst- und mitgenommen werden müssen.

  • Können:

    Dass für neue Software, neue Programme Schulungen durchgeführt werden, ist tatsächlich allgemeine Praxis. (Allzu oft sind sie zugleich der einzige Ort, wo – rudimentär – auch das Wissen und Wollen der Mitarbeiter adressiert wird. Aber das genügt nicht.) Das Problem dieser Schulungen ist dabei nicht nur ihre gelegentlich wenig überzeugende didaktische Qualität.

    Sondern mehr noch, dass ihr Ziel in der Regel nicht über die Beherrschung der neuen digitalen Artefakte hinausreicht. Das heißt, die mit diesen verbundenen neuen Arbeitsweisen, neuen Prozesse, auch neuen Perspektiven werden kaum betrachtet, geschweige denn durch die Betroffene selbst erarbeitet. Mit der Gefahr, dass das „Können“ nur oberflächlich bleibt.

Die skizzierten Herausforderungen zu meistern, ist keineswegs Hexen-, sondern schlicht Handwerk. Und HR eben die Unternehmensfunktion, die über das nötige „Werkzeug“ teils schon verfügt, teils sich leicht aneignen können sollte, da sie ihr „Material“ ja kennt: die Menschen, das Personal.

Dass viele HR-Abteilungen weder von Selbstverständnis und -bewusstsein noch von ihren Kompetenzen her soweit sind, ihren eigentlichen Wertbeitrag für das Unternehmen in der Rolle als Change Enabler zu leisten – zugegeben. Aber wäre es nicht höchste Zeit, sich auf den Weg zu machen? Die nächste digitale Transformation ist nicht mehr lange hin.

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Foto Jana Hecker

Jana Hecker ist Geschäftsführerin des Global Organizational Integrity Institutes und Geschäftsführerin der Unternehmensberatung cetacea. Sie hat mehrere Transformations-, Reorganisations- und Integritätsprogramme internationaler Konzerne wie auch mittelständischer Unternehmen mitgestaltet – immer mit dem Schwerpunkt Change Management und Change Communications.

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