Generationen wie der Gen Z oder den Millennials werden gerne bestimmte Stereotypen zugeschrieben. Labels sind wenig hilfreich für ein Unternehmen, sagen Stefan Mauersberger und Selina Gentele von Kincentric. Denn der Lebenszyklus der Menschen entscheidet über deren Einstellungen. Unternehmen sollten Schubladendenken vermeiden und sich auf einen Dialog zwischen und vor allem mit den verschiedenen Generationen konzentrieren.
Dass unser Arbeitsmarkt geprägt ist von der Zusammenarbeit verschiedener Generationen, ist an sich nichts Neues. Und dennoch wurden zu kaum einem anderen Zeitpunkt die unterschiedlichen Altersgruppen so stark nach vermeintlichen Generationsmerkmalen und Labels unterteilt, wie es aktuell der Fall ist. Begriffe wie Boomer, Generation X, Millennials und Gen Z gehören mittlerweile zum fest etablierten Wortschatz, nicht nur von HR-Verantwortlichen. Und nicht selten werden diesen Generationen bestimmte Stereotypen zugeschrieben.
Doch ist diese Einteilung wirklich hilfreich, um eine produktive Arbeitswelt voranzubringen, und macht es Sinn, pausenlos nach neuen Labels zu suchen – Stichwort „Generation Alpha“? Besteht dabei nicht eher die Gefahr, dass sich die Gräben zwischen den Generationen weiter vertiefen, anstatt ein konstruktives Miteinander verschiedener Altersgruppen zu fördern? Und darüber hinaus der Vielfältigkeit von uns Menschen – auch innerhalb von Generationen – nicht gerecht zu werden?
Labels und ihre Bedeutung
Zunächst einmal: Die Verwendung von Labels kann in gewissem Maße hilfreich sein, um gängige Praktiken an die Bedürfnisse einzelner Generationen anzupassen oder um verschiedene Altersgruppen besser zu verstehen. Ein aktuelles Beispiel dafür ist die Einführung des Begriffs „Zillennials“, um jene Personen zu beschreiben, die sich zwischen zwei bereits etablierten Generationen-Labels befinden – in diesem Fall zwischen den klassischen Millennials und der Gen Z. Diese Gruppe, vor 2000 geboren, ist ohne Smartphones aufgewachsen und hat gelernt, den Internet-Button auf dem Nokia auf keinen Fall zu drücken, teilt jedoch nicht zwingenderweise die gleiche Realität wie die „klassischen“ Millennials. Und genau diese Unterschiede, seien sie auch noch so klein, gilt es zu verstehen – nicht nur in Zeiten des Fachkräftemangels.
Die Vielfalt innerhalb der einzelnen Generationen
Wichtig ist es zudem, zu erkennen, dass es auch innerhalb der einzelnen Generationen erhebliche Unterschiede gibt. Die eine Generation, beispielsweise die Millennials, gibt es nicht. Tatsächlich ist die Vielfalt innerhalb einer Kohorte oft nur geringfügig kleiner als die Unterschiede zwischen den verschiedenen Generationen selbst. Menschen sind Individuen und nur weil man in der gleichen Generation geboren ist, heißt das nicht automatisch, dass alle die gleichen Werte und Vorstellungen vertreten.
Ein Beispiel: In der viel diskutierten Gen Z gibt es Menschen, denen Leistung wichtig ist, andere hingegen legen ihren Fokus auf Status und Geld und für manche wiederum stehen Aspekte wie Nachhaltigkeit oder Purpose im Mittelpunkt. Sicherlich mag es innerhalb einer Kohorte gewisse Grundtendenzen geben, aber gerade in der Unternehmenssteuerung darf die Segmentierung nicht unterschätzt werden. Im Gegenteil: Alle über einen Kamm zu scheren wäre nicht hilfreich. Denn genau das würde zum einen die Gräben vertiefen und andererseits auch nicht jeden innerhalb der Generation ansprechen.
Die Bedeutung des Lebenszyklus
Der Life Cycle – zu Deutsch Lebenszyklus – spielt eine entscheidende Rolle bei der Formung von Einstellungen und Verhaltensweisen. Menschen ändern ihre Prioritäten und Überzeugungen, je nachdem, in welcher Lebensphase sie sich befinden. Ein gutes Beispiel hierfür sind die ehemaligen Revoluzzer der 70er-Jahre, die heute auf Ruhe und Sicherheit bedacht sind und somit – laut allgemein gängigen Labels – eher die Vorstellungen der Boomer-Generation vertreten. Diese Verschiebung ist im Wesentlichen auf ihr heute höheres Lebensalter und den damit einhergehenden, veränderten Prioritäten zurückzuführen.
Perioden- versus Kohorteneffekt
Die sogenannten Period-Effekte sind weltweit einschneidende Ereignisse wie 9/11 oder die Verbreitung des Internets, die alle Altersgruppen gleichermaßen beeinflussen. Der Cohort-Effekt hingegen betrifft bestimmte Generationen, wenn sie in prägenden Phasen solcher globalen Großereignisse aufwachsen. Beispiele dafür sind unter anderem die Vereinsamung während der Corona-Pandemie, der Klimawandel oder die Verunsicherung der Weltlage durch den Ukraine-Krieg und Nahost-Konflikt. Diese Ereignisse haben sich besonders bei der heutigen Gen Z eingeprägt und in deren Folge eigene Wertvorstellungen ausgelöst. Dennoch sind junge Menschen, je nach ihren individuellen Lebensumständen, in ihren Eigenschaften und Vorlieben sehr unterschiedlich.
Die Rolle der Unternehmen im Generationenkonflikt
Aus Unternehmenssicht ist es wichtig, sich der potenziellen Konflikte zwischen den verschiedenen Generationen und den damit verbundenen polarisierenden Themen bewusst zu sein. Es ist jedoch genauso wichtig, Mitarbeitende nicht aufgrund ihres Alters in Schubladen zu stecken. Das betrifft unter anderem die unterschiedlichen Erwartungen in Bezug auf flexible Arbeitsmodelle, aber auch die potenzielle Voreingenommenheit, Digitalisierung sei nur für jüngere Menschen von Bedeutung.
Viel wichtiger ist es stattdessen, den Dialog zwischen und vor allem mit den verschiedenen Generationen zu fördern. Dies gelingt beispielsweise durch altersübergreifende Mentoring-Programme. Außerdem kann es hilfreich sein, sogenannte Micro-Personas für kritische employee eXperience (eX)-Momente zu erstellen, um die individuellen Unterschiede innerhalb jeder Generation besser zu berücksichtigen. Das bedeutet: Nicht nur Gen Z als eine Persona zu definieren, sondern beispielsweise die Gen Z im ländlichen Raum mit Führungsambition als eine Target Group zu adressieren.
Der Generationenkonflikt am Arbeitsmarkt ist ein komplexes Thema, das eine differenzierte Betrachtung erfordert. Labels können in bestimmten Situationen nützlich sein, dürfen jedoch nicht dazu führen, dass wir die Vielfalt innerhalb jeder Generation übersehen. Unternehmen sollten sich bewusst sein, dass es keine vollständig homogene „Generation“ gibt und sollten den Dialog zwischen den Generationen fördern, um ihre Arbeitswelt für die Zukunft fit zu machen. Denn letztendlich sind es die individuellen Fähigkeiten und Potenziale der Mitarbeitenden, die den Erfolg eines Unternehmens ausmachen, unabhängig von ihrem Geburtsjahr. Es liegt an uns, die Chancen dieser Vielfalt zu nutzen und gemeinsam eine produktive und harmonische Arbeitswelt zu gestalten.
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Dr. Stefan Mauersberger verantwortet in seiner Funktion als Partner und Regional Leader für die Regionen Zentral-, Süd- und Osteuropa unter anderem die Deutschland-Geschäfte der international agierenden Beratung Kincentric, Tochterunternehmen von Spencer Stuart. Mit langjähriger Branchenexpertise berät Dr. Mauersberger internationale Unternehmen bei ihren Transformations- und Wachstumsprozessen. Dabei konzentriert er sich insbesondere darauf, Unternehmen mittels datengestützter Methoden bei der Transformation ihrer Kultur sowie bei Fragen in den Bereichen Leadership und Change Management zu unterstützen. Foto: Quirin Leppert
Selina Gentele ist Associate bei Kincentric und mit ihrem Hintergrund in Wirtschaftspsychologie in den Bereichen Kultur und Engagement sowie Leadership Assessment und Development tätig.