Für einen erfolgreichen Kulturwandel im Unternehmen ist ein enges Zusammenspiel von HR und Unternehmenskommunikation erforderlich. Vera Lehmann, Head of Talent, Leadership & Organizational Development bei Fresenius Kabi, und Susan Hölling, Co-CEO BCW Deutschland, erläutern, wie eine professionelle und orchestrierte Change-Kommunikation aufgesetzt werden kann, die die Mitarbeitenden einbindet und bewegt.
Die digitale Transformation, das Konzept von „New Work“ und die Veränderung von Arbeitsweise und Arbeitskultur, der Fachkräftemangel, der es erfordert, qualifizierte Mitarbeitende zu finden und zu halten: Es sind Entwicklungen wie diese, die Unternehmen auch im Jahr 2024 branchenübergreifend herausfordern.
Wie können sie sich aufstellen, sodass sie auch in Zukunft profitabel wirtschaften und langfristig erfolgreich sind? Nicht immer sind es nur organisatorische Veränderungen, Investitionen oder Restrukturierungen, die erforderlich sind. Oftmals ist ein sogenannter „weicher“ Change zentral: ein Kulturwandel im Unternehmen, der neue Arbeits- und Verhaltensweisen und Prozesse oder neue Unternehmenswerte einführt. Wichtig: „Weich“ bedeutet nicht „einfach“, da für diese Art von Change oftmals ein besonders langer Atem erforderlich ist. Wie können Mitarbeitende hierfür gewonnen und dabei eingebunden werden?
Dies ist insbesondere für große, global aufgestellte Industrieunternehmen anspruchsvoll. So auch für Fresenius Kabi, ein weltweit tätiges Gesundheitsunternehmen mit 42.000 Beschäftigten in über 60 Ländern in Europa, Nord- und Südamerika, der Region Asien-Pazifik sowie in Afrika und dem Mittleren Osten, von denen rund 60 Prozent nicht am Schreibtisch arbeiten, sondern vor allem in der Produktion und daher nur sporadisch Zugang zum Unternehmens-Intranet haben. Verschiedene Zeitzonen, Landessprachen und Arbeitskulturen sind zu beachten und auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.
Transformation ist überall
Eine wichtige Erkenntnis: Transformation ist überall und betrifft alle Mitarbeitenden. Die Einführung neuer Technologien ist bei Fresenius Kabi beispielsweise nicht nur ein Thema für das Headquarter und die Forschung, sondern ebenso für die Produktion rund um den Globus, wo auch schon seit Jahren stark daran gearbeitet wird, Prozesse zu automatisieren, um effizienter, agiler und schneller zu werden. Neue IT-Systeme, etwa im Bereich HR-Management, werden global ausgerollt und betreffen das gesamte Team an allen Standorten.
Das gilt auch für die kulturelle Transformation, die bei Fresenius Kabi in vollem Gange ist. Sie ist einer der Bestandteile der „Vision 2026“ des Unternehmens. Damit verbunden ist der Anspruch, „Employer of Choice“ zu sein. Dabei richten sich mehrere Initiativen an die gesamte Belegschaft. Beispielsweise hat Fresenius Kabi erste Eckpfeiler einer Talentstrategie definiert. Diese zielt darauf ab, neben der Einstellung von externen Experten verstärkt interne Fachkräfte weltweit zu identifizieren und gezielt zu fördern. Indem sie verschiedene Abteilungen kennenlernen, können sie ihre Perspektiven erweitern und ihre berufliche Weiterentwicklung und Karriere selbst planen und verwirklichen.
Aus Betroffenen Beteiligte machen
Fresenius Kabi beschreitet neue Wege – wie können wir alle Mitarbeitenden auf dieser „Transformation Journey“ mitnehmen? Zwei Funktionen übernehmen dabei eine Schlüsselrolle: HR und die Kommunikation. Sie bilden gemeinsam die Speerspitze des Projektteams, das darüber hinaus multifunktional und auch regionenübergreifend zusammengesetzt sein sollte. Die Personalabteilung ist der Impulsgeber und Berater des Managements, Entwickler von HR-Strategien und -Policies, Kenner der Organisation und der verschiedenen Zielgruppen, erster Ansprechpartner für die Führungskräfte sowie für die Mitarbeitenden. Die Unternehmenskommunikation ist für die strategische, strukturierte Change-Kommunikation zuständig. Sie entwickelt Kommunikationsstrategien und -maßnahmen, die es den Mitarbeitenden erlauben, den Wandel und ihre Rolle darin zu verstehen, mitzutragen und mitzugestalten, damit – und das ist unser zentrales Ziel – aus Betroffenen Beteiligte werden.
Drei Zielgruppen stehen bei einem Kulturwandel im Unternehmen besonders im Fokus:
Die Führungskräfte: Mit ihnen steht und fällt jede Transformation. Sie müssen den Change gegenüber ihren Mitarbeitenden glaubhaft vertreten können und vorleben. Hier sind HR und Kommunikation gemeinsam gefordert: Führungskräftetrainings und Workshops helfen Managern dabei, die Mitarbeitenden auf der „Transformation Journey“ mitzunehmen. Ein Kommunikationspaket mit One-Voice-Statement und Q&A-Katalog unterstützt sie dabei, mit einer Stimme zu sprechen. Zudem ist es hilfreich, die Führungskräfte frühzeitig einzubinden und sie zu Mitgestaltern des Changes zu machen. Bei Fresenius Kabi etwa gibt es einen Kreis aus dem Executive Leadership Team und deren Direct Reports mit mehr als 100 Führungskräften, in dem sich ein entsprechendes Ownership für den Wandel entwickelt. Gleichfalls werden konkrete Ziele der Transformation in den Zielvereinbarungsgesprächen verankert, was die Bedeutung des Kulturwandels betont.
Die Mitarbeitenden: Eine weltweit transparente und einheitliche Top-Down-Kommunikation ist wichtig, reicht heute aber nicht mehr aus. Moderne, interaktive Kommunikationsformate und -kanäle ermöglichen es den Mitarbeitenden, Fragen zu stellen, sich untereinander und mit Führungskräften und der Unternehmensleitung auszutauschen und gemeinsam Ergebnisse zu erarbeiten. HR und Kommunikation entwickeln gemeinsam diese Formate, die die Mitarbeitenden in die Lage versetzen, den Change mitzugestalten und außerdem einen „Sense of Belonging“ zum Unternehmen zu entwickeln.
Ein Beispiel: Mittels einer modernen Befragung sind bei Fresenius Kabi gerade alle Mitarbeitenden zu wichtigen Themen der Zusammenarbeit, Führung, Kommunikation und Weiterentwicklung zu Wort gekommen. Teams arbeiten selbständig an den für sie relevantesten Aspekten und auch das Management setzt weitere Schwerpunkte für zukünftige Initiativen. Weitere Maßnahmen sind spezifische Trainings, das Performance Management anhand der Transformationsziele oder auch Awards für die besten Ideen und Ergebnisse.
Der Vorteil dabei: Auch Produktionsmitarbeitende lassen sich auf diese Weise abholen. Global aufgestellte Konzerne wie Fresenius Kabi verfügen oft über ein starkes Netzwerk aus globalen und lokalen HR Business Partnern und Kommunikationsverantwortlichen, das hier zum Tragen kommt: Das Workshopkonzept entwickeln HR und Kommunikation aus der Zentrale – die konkrete Ausgestaltung liegt aber an den Standorten weltweit, die die lokalen Gegebenheiten und die Diskussionskultur am besten kennen.
Und last, but not least: Bei der Einbindung der Mitarbeitenden darf die Führungsmannschaft gern auch mit eigenen Ideen und Initiativen vorangehen. Bei Fresenius Kabi etwa ist dem CEO das Feedback der Mitarbeitenden wichtig – und so lädt er regelmäßig zu einem „CEO Breakfast“ ein, und das nicht nur in der Zentrale in Bad Homburg: Auch auf seinen Dienstreisen im Ausland tauscht er sich in diesem Format mit seinem Team aus – die Impulse nimmt er dann als Anregungen und mitunter auch konkrete Arbeitsaufträge mit zurück.
Die Bewerberinnen und Bewerber: Von den Mitarbeitenden wird der Change getragen – doch die meisten Transformationsprojekte haben mittelbar auch externe Auswirkungen und gehen damit einher, die Arbeitgebermarke zu stärken oder das Unternehmen neu zu positionieren, um sich attraktiv für Bewerberinnen und Bewerber zu präsentieren. Neue Jobprofile werden ebenso professionell vermarktet wie Möglichkeiten der Weiterentwicklung. Hier definieren HR und Kommunikation gemeinsam einen Weg, der Externe anspricht und gleichzeitig mit der internen Sicht übereinstimmt. Mitarbeitende treten nach außen als Markenbotschafterinnen und -botschafter auf, was für Glaubwürdigkeit sorgt. Claims und ein visuelles Erscheinungsbild sind in der Regel anzupassen und sichtbar zu machen – und das nicht nur auf der eigenen Website, sondern auch in den sozialen Medien (allen voran LinkedIn) und Arbeitgeber-Bewertungsportalen.
Kulturwandel im Unternehmen: 70 Prozent aller Change-Projekte scheitern – doch das muss nicht sein
Die nackten Zahlen sind ziemlich ernüchternd: 70 Prozent aller Change-Projekte scheitern. Nicht, weil sie unausgereift oder inhaltlich schlecht vorbereitet sind – sondern aufgrund von fehlender oder unzulänglicher Kommunikation und Einbindung. Doch mit einer engen Verzahnung von HR und Kommunikation lässt sich die Transformation erfolgreich gestalten. Gemeinsam sorgen sie dafür, dass alle relevanten Stakeholder abgeholt und mit passenden Formaten angesprochen werden.
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Vera Lehmann ist als Global Head of Talent, Leadership and Organizational Development bei Fresenius Kabi tätig, einem der führenden Anbieter in den Bereichen Ernährung, Infusionen, Arzneimittel und Medizinprodukte. Zuvor bekleidete die Diplom-Psychologin (Universität Jena) mehrere Führungspositionen im HR-Umfeld mit Fokus auf Learning, Talent Management und Acquisition, unter anderem bei Boehringer Ingelheim, Allianz Global Investors und der Deutschen Bank.
Susan Hölling ist Co-CEO der Agentur BCW in Deutschland, einer der führenden international tätigen Kommunikationsberatungen. Zuvor leitete sie den Bereich Healthcare bei BCW sowie der Agentur Cohn & Wolfe und beriet Unternehmen der Gesundheitsindustrie. Die studierte PR- und Kommunikationsmanagerin (Universität Leipzig) legt ihren Schwerpunkt auf die Begleitung von Unternehmen in Veränderungsprozessen, ist erfahren im Umgang mit Multi-Stakeholder-Ökosystemen und hat eine ausgeprägte Leidenschaft für People-Topics.