DAX Digital Monitor 2024: Konzerne und Belegschaft in der Zwickmühle der Künstlichen Intelligenz

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Auf der einen Seite wollen die DAX-Konzerne mit KI-Technologien Personal einsparen, auf der anderen Seite brauchen sie Arbeitskräfte, die sich damit auskennen. Professor Tobias Kollmann und Professor Dirk Stein beschreiben im DAX Digital Monitor 2024 eine Gratwanderung für die Beschäftigten.

Der DAX Digital Monitor 2024 hat wieder den Stand der Digitalisierung in den Geschäftsberichten der DAX40-Konzerne analysiert. Das Themenfeld „Digitalisierung“ hat dabei erneut an Bedeutung gewonnen. Allein der Begriff wurde diesmal insgesamt rund 5340-mal verwendet, was einer Steigerung von +22 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht. 7 DAX-Unternehmen widmen der Digitalisierung inzwischen einen eigenen Berichtsbereich. Und auch das Themenfeld „Künstliche Intelligenz (KI)“ hat in den Berichten deutlich zugelegt. An insgesamt 1440 (Vorjahr: nur 205) Textstellen wird darauf eingegangen, was einem Zuwachs von Faktor 7 entspricht. Allein die Anzahl der Nennungen sagt aber noch nichts über die Themenfelder aus und da lohnt sich ein Blick ins Detail.

KI als Mittel für mehr Effizienz

DAX Digital Monitor 2024: Angst versus Hoffnung beim KI-Einsatz
Envato/Rawpixel

Der Fokus der Digitalisierung liegt einmal mehr auf der Automatisierung, um die Prozesse noch effizienter zu machen. Dabei spielt der standardisierte Datenaustausch zwischen allen Beteiligten auf der gesamten Wertschöpfungskette eine zentrale Rolle. Digitalisierung als Mittel für eine Kostenreduktion bleibt das zentrale Anliegen der DAX-Konzerne. Das hat sich über die letzten Jahre (leider) nicht geändert.

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Neu ist aber, dass nun auch die Künstliche Intelligenz genau dafür eingesetzt werden soll. Gerade KI soll erheblich zu einer Erhöhung von Effizienz und Effektivität beitragen und auch am Ende wohl auch Mitarbeiter einsparen helfen, denn schließlich ist das das Ziel einer Automatisierung. Natürlich findet man diesen Zusammenhang so explizit nicht in den Geschäftsberichten, aber wer zwischen den Zeilen lesen kann, der wird zu diesem Schluss kommen (können).

SAP spricht vor diesem Hintergrund von einer „KI als Grundlage für neue Arbeitsmodelle“. Für Infineon kommt die KI über „leistungsfähige generative Sprachmodelle für die Kundenunterstützung“ zum Einsatz. Die Allianz sieht „KI als Hilfe bei der Verbesserung von kundenorientierten Dienstleistungen und interner Prozesse“ an. Auch BASF glaubt exemplarisch für viele andere Konzerne an eine KI, die „zahlreiche Möglichkeiten für höhere Effizienz und verbesserter Geschäftsabläufe“ bietet. Henkel geht davon aus, dass KI zu „einer Verkürzung der Produktentwicklung und gleichzeitig besserer Produktlösungen“ führen wird. Und die Mercedes Benz Car Group bringt es auf den Punkt: „KI wandelt die Jobprofile der Beschäftigten da sich die Arbeitsprozesse und -strukturen grundlegend ändern werden.“

Die doppelte Zwickmühle der KI

DAX Digital Monitor 2024: Konzerne und Belegschaft in der Zwickmühle der Künstlichen Intelligenz
Twenty20/@ijeab

Neben der dafür notwendigen Schaffung einer digitalen Infrastruktur und einer validen Datenbasis für eben diese effizienten Prozesse brauchen die DAX-Konzerne aber auch die notwendige Datenkompetenz bei den Mitarbeitern. Und so entsteht eine doppelte Zwickmühle in diesem Bereich. Zum einen würden die Konzerne gerne Mitarbeiter durch KI-Technologien einsparen, auf der anderen Seite brauchen sie aber Mitarbeiter, die sich genau mit diesen KI-Technologien auskennen. Zum anderen haben genau die Mitarbeiter aber auch Angst davor, dass sie durch die KI-Technologien ersetzt werden könnten und gleichzeitig erkennen sie, dass sie nur die eigene Datenkompetenz davor rettet. Entsprechend reagieren die Konzerne mit einer zugehörigen Weiterbildungsoffensive.

Eine Weiterbildungsoffensive der Konzerne für KI

Frau arbeitet am Laptop
Envato/Prostock-studio

Und so kann man in den Geschäftsberichten der DAX-Konzerne nachlesen, dass die digitale Kompetenzentwicklung für Führungskräfte, aber auch Mitarbeiter dringend gewünscht ist. Die Telekom spricht zum Beispiel in ihrem Bericht explizit von einer „Vermittlung von KI-Wissen für Mitarbeiter.“ Die Münchener Rück will „das Schulungsangebot in Bezug auf vertrauenswürdige KI“ ausbauen. Die Allianz bietet den Führungskräften „Schulungen zu generativer KI und ChatGPT“ an. KI und Datenanalyse gehören mittlerweile zu den Top-3-Themen bei den Weiterbildungsangeboten der Konzerne.

Der Ausbau der Weiterbildungsmaßnahmen und Lösungen für das Up-Skilling der Mitarbeitenden in Hinblick auf digitale Kompetenzen wird weiter vorangetrieben, um den Fachkräftemangel in diesem Bereich zu begegnen. Entsprechend ist an vielen Stellen in den Geschäftsberichten zu lesen, dass die Erweiterung der fachlichen Weiterentwicklung mit dem Fokus auf die Erhöhung der Datenkompetenz für Mitarbeitende, eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Nutzung von datengetriebenen Geschäftsmodellen und künstlicher Intelligenz ist.

DAX Digital Monitor 2024: Angst versus Hoffnung beim KI-Einsatz

Die resultierende Situation ist wie ein Tanz auf dem Drahtseil: Das Bewusstsein, dass KI und Automatisierung den eigenen Arbeitsplatz ersetzen können, erzeugt bei vielen Beschäftigten ein Gefühl der Unsicherheit und manchmal sogar Ohnmacht. Gleichzeitig forcieren die Konzerne den Druck auf diese Mitarbeiter auf die zugehörige Weiterbildung zur Schaffung einer Datenkompetenz.

In dieser Situation wird das Lernen einer neuen Kompetenz nicht unbedingt als Chance, sondern als zusätzliches Dilemma wahrgenommen. Aber um in der neuen Arbeitswelt zu bestehen, ist eine aktive Auseinandersetzung mit Datenkompetenz und KI unvermeidlich. Man muss sich mit dem Auseinandersetzen, was einen ersetzen kann, um eben nicht ersetzt zu werden. Eine Botschaft aus dem DAX Digital Monitor 2024, die ankommen sollte.

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Foto Tobias Kollmann

Prof. Dr. Tobias Kollmann ist Professor der Universität Duisburg-Essen und Experte für die Themen Digital Business, Digital Entrepreneurship, Digital Leadership sowie Künstliche Intelligenz im Rahmen eines Artificial Leader­ship bzw. Artifical Management. Seit 2015 ist er Mitglied im Aufsichtsrat vom börsennotierten Stahl- und Digitalkonzern Klöckner & Co SE. 2019 wurde er als stellvertretender Vorsitzender zudem in den Aufsichtsrat der COMECO GmbH & Co. KG, einem FinTech-Spin-off der Sparda Banken, berufen.

Foto Dirk Stein

Prof. Dr. Dirk Stein ist Professor an der FOM Hochschule und forscht am Institute for Strategic Finance zu den  Themengebieten Digitale Transformation und Digital Entrepreneurship. Die beruflichen Stationen von Dirk Stein waren unter anderem verschiedene Forschungsinstitute an der RWTH Aachen, General Electric und KPMG. Stein wurde u.a. bei General Electric Capital mit dem Jack Welsh Leadership Award ausgezeichnet. Seine Schwerpunkthemen sind nachhaltige Betriebs- und Geschäftsmodelle für die Digital Wirtschaft.

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