Unternehmen und Belegschaft haben durch den Wandel der Arbeitskultur viel zu gewinnen, sagt Thomas Kessler von Locatee. Erfahren Sie hier mehr.
Das vergangene Jahr hat uns vielerorts vor Augen geführt, dass sich die Ausgestaltung der täglichen Arbeit weiter von den individuellen Lebensrealitäten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter entfernt. Dies zeigt sich beispielsweise deutlich in der Tatsache, dass in vielen Unternehmen auch heute noch eine Präsenzpflicht im Unternehmen besteht. (1)
Dabei wird das Büro als die klassische Instanz, wie sie sich bis zur Pandemie etabliert hat, in ihrer ursprünglichen Form gar nicht mehr benötigt. Streng genommen reicht Büromitarbeiterinnen und -Mitarbeitern oft ein Internetanschluss und ein Computer, um ihre Tätigkeiten von jedem beliebigen Ort zu erledigen. Diese Erkenntnis sollte für Unternehmensführung und Belegschaft eigentlich ein Grund zur Freude sein, da die weiter voranschreitende Ortsunabhängigkeit zahlreiche Chancen mit sich bringt, um die Gestaltung der zukünftigen Arbeit deutlich besser ausrichten zu können. Die Voraussetzung dafür ist allerdings ein wenig Mut, sich auch darauf einzulassen.
Die Trennung von Arbeitsplatz und Beschäftigung
Einer der grundlegendsten Trends, welche sich derzeit abzeichnen, ist die Trennung des Arbeitsplatzes von der tatsächlichen Beschäftigung. Mit einem Blick in die Vergangenheit zeigt sich, dass Unternehmen meist in urbane Standorte investiert haben. Dies ist nicht weiter überraschend, denn im Einzugsgebiet von Großstädten ist die Anzahl möglicher Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schlicht am höchsten und der Wettbewerb um die besten Talente tobt nicht erst seit gestern und wird auch großen Einfluss auf den künftigen Arbeitsmarkt haben. Diese lokale Fokussierung hat jedoch den Nachteil, dass selbst in Großstädten das Angebot an Fachkräften, gerade in spezialisierten Berufen, schnell erschöpft ist. Und mit verändertem Blickwinkel ist es für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein extrem großer Nachteil, wenn das Angebot an potenziellen Arbeitgebern allein durch die räumliche Entfernung sehr begrenzt ist. Um diesem Dilemma zu entgehen, ist die häufigste und gleichzeitig aufwändigste Antwort darauf noch immer ein Umzug in eine andere Stadt.
Doch jeder Mensch befindet sich in einer ganz individuellen Lebenssituation und ein Umzug ist für viele eine enorme Belastung, den eigenen Freundeskreis, das gewohnte Umfeld oder auch die Familie für einen Job zurückzulassen. Dies nur um in einer anderen Stadt an einem Schreibtisch zu sitzen, der heutzutage an jedem beliebigen Ort stehen könnte. Mit der konkreten Trennung von Arbeitsplatz und Beschäftigung bietet sich für Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer und Unternehmen ein enormes Potenzial, das es nur noch zu nutzen gilt. Ortsunabhängiges Arbeiten bietet Unternehmen praktisch einen schier unbegrenzten Zugang zu Fachkräften. Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer könnten ihrerseits auf ein unglaubliche Auswahl potenzieller Arbeitgeber zurückgreifen, ohne sich dabei Gedanken um einen Umzug oder weitere lebensprägende Ereignisse zu machen.
Mehr Fokus auf Zusammenarbeit und Kollaboration
Im Zuge dieser Entwicklung stellt sich natürlich auch vermehrt die Frage, wie trotz der räumlichen Trennung die Zusammenarbeit und Kollaboration nicht nur organisiert, sondern auch gefördert und ausgebaut werden kann. Schließlich lebt ein Unternehmen nicht nur von der reinen Abarbeitung von To-dos, sondern vor allem auch von einer lebendigen und aktiven Gestaltung der Unternehmenskultur. Nicht zuletzt durch die Pandemie haben sich schier unendliche Modelle und Methoden entwickelt, wie dies auch aus den eigenen vier Wänden geschehen kann. Doch neben diesen virtuellen Angeboten spielt auch das physische Büro eine große Rolle. Jedoch nicht als reine Ansammlung von Arbeitsplätzen, sondern als Ort des kreativen Austausches.
Das klassische Büro muss sich zu einem Ort entwickeln, an dem Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zusammenkommen können, um sich auszutauschen, kreativ zu arbeiten und um ein Gemeinschaftsgefühl entwickeln können. Büros müssen in Zukunft so gestaltet sein, dass sie genau diesen neuen Bedürfnissen dienen. Das Bedürfnis danach zeigt sich schon jetzt in der zunehmenden Fokussierung auf Annehmlichkeiten, Vergünstigungen und alles, was die Arbeit im Büro angenehmer und attraktiver macht. Dabei geht es nicht nur um die Bürofläche selbst, sondern auch um die Umgebung, welche eine immer wichtigere Rolle einnimmt.
Fluktuationen in der Büroanmietung
Die beiden erstgenannten Punkte zeigen deutlich, dass das Büro in seiner jetzigen Form künftig kaum mehr Bestand haben kann und wird. Für die Unternehmen bedeutet dieser Wandel der Arbeitsmodelle auch, dass der konkrete Flächenbedarf und die Nutzung der Flächen völlig neu gedacht werden kann und ein nicht unerhebliches Einsparpotenzial bietet, welches genutzt werden kann, um das Büro auf die neuen Bedürfnisse der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auszurichten.
Auswertungen von Locatee zeigen, dass schon vor der Pandemie die durchschnittliche Auslastung von Büroflächen bei nur etwa 60 Prozent lag. Im Umkehrschluss bedeutet dies, dass schon vor einem Jahr rund 40 Prozent aller Büroflächen nicht genutzt wurden. Ungeachtet dessen, müssen aber dennoch Equipment, Heizungs- und Reinigungsabläufe bewirtschaftet werden und verursachen somit auch nicht unerhebliche Kosten. Für Unternehmen jeder Größe bietet sich so ein unterschiedliches Potenzial, welches nicht nur genutzt werden sollte um Kosten zu sparen, sondern auch, um sich zukunftsfähig und attraktiv für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter aufzustellen. Denn ein schlichtes Großraumbüro wird künftig keine hochkarätigen Bewerber mehr anlocken.
Wir können aktuell einen grundlegenden Wandel der Arbeitskultur erleben, welcher sich, unabhängig von der Pandemie, rasant entwickelt. Dabei ergeben sich für Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer sowie Unternehmen große Chancen, sich für die Zukunft gut aufzustellen und für alle die perfekten Arbeitsbedingungen zu schaffen. Denn letzten Endes sollten sich Unternehmen vor Augen führen, dass es aktuell nichts zu verlieren gibt, sondern nur etwas für die Zukunft zu gewinnen gilt. Menschen und ihre Bedürfnisse werden sich immer weiter entwickeln und Unternehmen müssen sich daran anpassen, um Fachkräfte für sich zu gewinnen.
(1) Laut einer Online-Umfrage, die durch YouGov und Locatee im Zeitraum 12.01.-15.01.2021 erhoben wurde, geben 27 Prozent der Befragten an, dass Homeoffice trotz einer generellen Bürotätigkeit nicht möglich ist, während neun Prozent die Arbeit von zu Hause verwehrt wird, obwohl diese machbar wäre.
Thomas Kessler ist Mitgründer und CEO von Locatee, der führenden Workplace Analytics Plattform im Corporate Real Estate Sektor. Gemeinsam mit dem CTO Benedikt Köppel hat er Locatee im Jahr 2014 gegründet. Vor der Firmengründung in verschiedenen Unternehmen gearbeitet, so auch bei der Schweizer Grossbank Credit Suisse. Dort sammelte er erste Erfahrungen mit «Smart Working Environments» und erkannte dabei das ungenutzte Potenzial moderner Arbeitsplatzkonzepte, was zur Unternehmensgründung von Locatee führte.