Cultural Due Diligence: Der versteckte Hebel für eine erfolgreiche M&A-Transaktion

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Bei Unternehmensübernahmen (M&A) ist die Unternehmenskultur meist der stille, aber äußerst wichtige Erfolgsfaktor. Leonard Kluck, Leiter HR Excellence bei Dr. Wieselhuber & Partner, beschreibt hier die wichtigsten Handlungsfelder eines People & Culture Quick Checks im Rahmen einer Cultural Due Diligence – der Untersuchung und Analyse der Unternehmenskultur im Vorfeld einer Übernahme. Ziele: Kommunikationsbarrieren abbauen, Motivationseinbrüchen vorbeugen, einer einseitigen „Kulturinvasion“ durch das übernehmende Unternehmen entgegenwirken.

In Zeiten von Fachkräftemangel und steigendem Wettbewerbsdruck wird eine starke Unternehmenskultur für den deutschen Mittelstand zum entscheidenden Erfolgsfaktor. Es genügt längst nicht mehr, nur durch innovative Produkte oder einen soliden Geschäftsplan zu überzeugen – entscheidend ist, wie das Unternehmen von innen heraus agiert. Eine gelebte, kohärente Kultur zieht nicht nur Talente an, sondern sorgt dafür, dass Mitarbeitende langfristig bleiben und motiviert zum Unternehmenserfolg beitragen.

Gerade bei Unternehmensübernahmen (M&A-Transaktionen) ist die Unternehmenskultur oft der stille und fast unsichtbare aber äußerst bedeutende Erfolgsfaktor für den nachhaltigen Erfolg eines M&A-Vorhabens. Während finanzielle und rechtliche Details im Due Dilligence-Fokus stehen, wird die deskriptiv eher schwer zu erfassende Kultur zu oft vernachlässigt. Die Tatsache, dass Unternehmenskultur weder sichtbar noch greifbar ist und sich nur durch subtile Reaktionen zeigt, wenn man durch die Werkhallen und Standorte geht, erklärt einerseits, warum sie oft vernachlässigt wird. Gleichzeitig verdeutlicht dies aber auch die erhebliche Komplexität, die in ihrer Analyse und Integration liegt.

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Dabei zeigt die Erfahrung, dass kulturelle Unterschiede der größte Stolperstein bei der Integration sein können. Bleibt die Verschmelzung der Unternehmenskulturen aus, führt dies zu sinkender Motivation, erhöhter Fluktuation und im schlimmsten Fall zum Scheitern der gesamten Übernahme. Eine frühzeitige, deskriptive und systematische kulturelle Due Diligence ist daher unerlässlich. Denn nur wenn Werte, Kommunikations- und Führungsstile, Leistungsorientierung, Motivation und Arbeitsweisen harmonieren, können die versprochenen Synergien tatsächlich realisiert werden – und die Übernahme zu einem nachhaltigen Erfolg führen.

Cultural Due Diligence: Unternehmenskultur ist das Schmiermittel einer reibungsarmen Integration

Die sogenannte Cultural Due Diligence – die Untersuchung und Analyse der Unternehmenskultur im Vorfeld einer Übernahme bzw. Integration – ist ein entscheidendes Analyseinstrument, um die Eigenarten und normative Funktionsweise eines Unternehmens zu beschreiben. Diverse Studien zeigen, dass in rund 85 Prozent der gescheiterten M&A-Transaktionen kulturelle Integrationsprobleme als Hauptursache genannt werden. Unterschiedliche Informations- sowie Kommunikationsstile, Wertvorstellungen und Führungshierarchieprinzipien können erhebliche Spannungen erzeugen. Besonders mittelständische Unternehmen, die häufig eine familiäre und wertebasierte Unternehmenskultur pflegen, spüren die Auswirkungen solcher Unterschiede sofort.

Cultural Due Diligence: Der versteckte Hebel für eine erfolgreiche M&A-Transaktion
Envato/nd3000

Ein zentrales Problem stellt das Entstehen von Kommunikationsbarrieren dar. Wenn Mitarbeitende aus beiden Unternehmen auf unterschiedliche Art und Weise kommunizieren, um Informationen auszutauschen, entstehen schnell Missverständnisse, die den Integrationsprozess behindern. Unterschiedliche Vorstellungen von Entscheidungswegen und Eskalationsmechanismen können erhebliche Verwirrung und Frustration verursachen und wichtige Schritte der Integration verzögern. Diese Herausforderungen wirken sich nicht nur auf den Integrationsprozess selbst aus, sondern beeinflussen auch die Arbeitsatmosphäre und schwächen damit die Employer Value Proposition, was letztendlich sogar zu signifikanten Produktivitätseinbußen führen kann.

Noch kritischer wird es, wenn die Mitarbeiterzufriedenheit beeinträchtigt wird. Mitarbeitende, deren Werte und Arbeitsweisen nach einer Übernahme nicht respektiert werden, verlieren schnell ihre Motivation. Gerade in einem sich wandelnden Unternehmensumfeld sind sie jedoch besonders auf Stabilität und Vertrauen angewiesen. Entsteht das Gefühl, dass ihre Kultur verdrängt oder untergraben wird, führt dies zu Loyalitätsverlust, sinkender Leistungsbereitschaft und erhöhter Fluktuation – besonders bei Schlüsselressourcen und Leistungsträgern.
Gefahr einer einseitigen Kulturinvasion

Foto Frauen im Gespräch im Büro
Twenty20/@bluelily52

Eine der häufigsten Fehlerquellen bei M&A-Transaktionen liegt darin, dass das übernehmende Unternehmen seine Unternehmenskultur einseitig durchzusetzen versucht. Dies führt oft zu einem „Wir gegen die“-Denken, das den gesamten Integrationsprozess blockiert. Besonders für mittelständische Unternehmen, die oft stark auf individuelle, traditionsreiche Unternehmenskulturen setzen, stellt diese Herangehensweise ein erhebliches Risiko dar.

Die vorhandene Kultur des übernommenen Unternehmens muss wertgeschätzt und respektiert werden. Es gilt, die Stärken beider Kulturen zu identifizieren und zu einer neuen, gemeinsamen Kultur zu verschmelzen. Über die Zeit gleichen sich extreme Unterschiede und besondere Eigenheiten der jeweiligen Kulturen von selbst aus, sodass ein harmonisches Zusammenwachsen und gegenseitiges Einpendeln entstehen.

Die wichtigsten Handlungsfelder für den Mittelstand – People & Culture Quick Check:

Um kulturelle Risiken im Rahmen einer M&A-Transaktion frühzeitig zu erkennen und zu adressieren, ist eine systematische Analyse äußerst hilfreich. Im Rahmen eines stringenten People & Culture Quick Checks können alle relevanten kulturellen Dimensionen ausgeleuchtet und zentrale Handlungsfelder für die Cultural Due Diligence identifiziert werden. Der dreistufige Ansatz des Quick Checks berücksichtigt dabei zentrale Aspekte der Unternehmenskultur:

1. Organisations- und Governance-Struktur:

Im ersten Schritt werden die grundlegenden Aufbau- und Ablaufstrukturen des Unternehmens analysiert. Der Fokus liegt dabei besonders auf den Steuerungs- und Rollenmodellen sowie dem Reifegrad des bestehenden HR-Managements. Ziel ist es, zu verstehen, wie viel Agilität und Handlungsspielraum die Mitarbeitenden im Arbeitsalltag haben, um effektiv und flexibel auf unterschiedliche Herausforderungen und Veränderungen zu reagieren. Die Bewertung der Reaktivität und Responsivität liefert dabei wichtige Hinweise auf die Komplexität der Harmonisierung und die Integrationsfähigkeit der gesamten Organisation.

2. People-Performance & -Entwicklung:

Im zweiten Schritt der Analyse liegt der Fokus auf den Systemen und Prozessen zur Mitarbeiterentwicklung, Leistungsevaluierung und Retentionssicherung. Besonders im M&A-Kontext ist es entscheidend, dass beide Unternehmen möglichst vergleichbare oder kompatible Ansätze in der Personalbewertung und -entwicklung aufweisen.

Nur so kann das Gefühl von Gleichbehandlung sichergestellt werden, und Mitarbeitende können auch künftig auf ähnliche Weise gefördert und evaluiert werden. Sollten signifikante Unterschiede zwischen den Unternehmen erkannt werden, ermöglicht dies die rechtzeitige Entwicklung eines HR-kompatiblen Gesamtmodells oder die Ausarbeitung geeigneter Übergangslösungen.

3. Corporate Culture & Führung:

Foto Teamwork
Envato/Rawpixel

Im dritten Schritt des Quick Checks werden die strategischen Kernelemente der Unternehmenskultur detailliert analysiert: Vision, Mission, Werte sowie Führungsstil und Kommunikationsstrukturen. Diese Faktoren sind das Fundament jeder Unternehmenskultur und entscheidend für eine erfolgreiche Integration. Vision und Mission legen die langfristige Ausrichtung fest, während Werte das tägliche Verhalten und die Entscheidungen der Mitarbeitenden prägen. Ebenso spielt die Art und Weise, wie Führung gelebt wird und wie offen und transparent Kommunikation stattfindet, eine zentrale Rolle.

Unterschiedliche Auffassungen von Führungshierarchien, Entscheidungsfindung und Kommunikationsstilen müssen frühzeitig identifiziert und angeglichen werden, um Reibungsverluste zu minimieren. Ohne eine gezielte Harmonisierung dieser kulturellen Grundpfeiler ist eine erfolgreiche M&A-Transaktion kaum umsetzbar, da diese Elemente die DNA des neuen, vereinten Unternehmens bilden.

Conclusio zur Bedeutung von Unternehmenskultur im Kontext M&A

Für den Mittelstand ist die Unternehmenskultur ein essenzieller Erfolgsfaktor – auch und gerade im Kontext von M&A-Transaktionen. Kulturelle Unterschiede, die nicht rechtzeitig berücksichtigt werden, führen zu Kommunikationsproblemen, sinkender Mitarbeiterzufriedenheit, einer deutlichen Fluktuation insbesondere bei den Leistungsträgern und im schlimmsten Fall zum Scheitern der gesamten Übernahme. Es ist daher entscheidend, kulturelle Aspekte aktiv und gezielt in den Integrationsprozess einzubeziehen.

Ein fundierter People & Culture Quick Check im Rahmen einer Cultural Due Diligence stellt dabei eine wertvolle Unterstützung dar, indem er potenzielle kulturelle Konfliktfelder frühzeitig aufdeckt und gezielte Maßnahmen zur Integration vorschlägt. Nur wenn die normativen Dimensionen ebenso sorgfältig gemanagt werden wie die finanziellen und rechtlichen Aspekte, können die versprochenen Synergien einer M&A-Transaktion tatsächlich realisiert werden.

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Foto Leonard Kluck

Leonard Kluck ist Head of HR Excellence bei der Management-Beratung Dr. Wieselhuber & Partner (W&P).

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