Job angeboten, dann abgetaucht. Gerade Unternehmen in der DACH-Region ghosten gerne potenzielle neue Kräfte. Mehr Schein als Sein – Company Catfishing kommt hinzu. Donald Knight, Chief People Officer bei Greenhouse Software, appelliert an die Unternehmen, die Employee Journey ohne Bruchstellen zu gestalten.
Erst kürzlich hat das Institut der deutschen Wirtschaft erneut auf den Fachkräftemangel aufmerksam gemacht. So hat der Fachkräftemangel in IT-Berufen seit Beginn des Beobachtungszeitraumes im Jahr 2010 einen Höchststand erreicht. Damit konkurrieren Unternehmen immer stärker um die besten Talente. Ein Trend, der sich bereits auf sämtliche Branchen ausgeweitet hat.
Einstellungsprozess wichtiger Touchpoint in der Employee Journey
Umso verwunderlicher ist es daher, dass Unternehmen beim Personalbeschaffungsprozess offensichtlich Nachholbedarf haben. Denn die sogenannte Employee Journey, also die Reise des Mitarbeitenden durch das Unternehmen, hat Schwachstellen. Der Begriff der Employee Journey ist an das Konzept der Customer Journey angelehnt. Dort wird die Reise des Kunden zum Produkt beschrieben, bei der Employee Journey geht es um die Berührungspunkte des Mitarbeitenden zum Unternehmen. Dazu zählen beispielsweise das Onboarding, Weiterbildungsmaßnahmen, Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter-Bindungsprogramme oder der Austritt aus dem Unternehmen, aber auch das Recruiting.
Um die Employee Journey zu verbessern, ist die Kenntnis darüber essentiell, welche Kontaktpunkte für die Mitarbeitenden wichtig sind. Und einer der ersten und wichtigsten ist der Einstellungsprozess. Eine positive Candidate Experience, d.h. die Erfahrungen, die potentielle Mitarbeitende mit dem Unternehmen machen, ist entscheidend für den Erfolg des Einstellungsprozesses. Unternehmen sollten sicherstellen, dass Bewerberinnen / Bewerber während des gesamten Prozesses respektvoll und professionell behandelt werden.
Eine klare und zeitnahe Kommunikation, eine transparente Darstellung der Unternehmenskultur und ein strukturierter Bewerbungsablauf können dazu beitragen, dass Bewerberinnen / Bewerber eine positive Erfahrung machen und sich mit dem Unternehmen identifizieren.
Ghosting bleibt weiterhin ein Problem im Recruiting
Der neue international angelegte Greenhouse Candidate Experience Report stellt Unternehmen im Recruiting ein eher schlechtes Zeugnis aus, denn die Candidate Experience der Bewerberinnen / Bewerber lässt mehr als zu wünschen übrig. In der DACH-Region werden Bewerberinnen / Bewerber am häufigsten geghostet, das heißt, es gibt von Seiten des Unternehmens einen plötzlichen Abbruch der Kommunikation im Bewerbungsprozess. Mit 78 Prozent Ghosting-Anteil liegt die DACH-Region deutlich über dem Anteil in den USA (67 Prozent) und UK (57 Prozent).
Ghosting findet allerdings nicht nur in einer frühen Phase des Kennenlernens zwischen Unternehmen und Bewerberinnen / Bewerber statt. Nur 12 Prozent aller Befragten wurden nach dem ersten Gespräch mit einem Personalvermittler geghostet, 16 Prozent nach der ersten Runde mit dem einstellenden Manager, 13 Prozent nach nach einem Einstellungstest, 12 Prozent nach einem Gruppen- oder virtuellen Vorstellungsgesprächs, 13 Prozent nach dem letzten Gespräch und sogar 12 Prozent auch noch nach Erhalt eines Stellenangebots.
Der Vollständigkeit halber sei erwähnt, dass Ghosting natürlich nicht nur von Seiten des Unternehmens erfolgt, sondern auch für Unternehmen zum Problem werden kann. Nämlich dann, wenn sich Bewerberinnen / Bewerber einfach nicht mehr melden.
Company Catfishing beschreibt Phänomen einer vorgegaukelten Unternehmenskultur
Die Gründe für Ghosting sowohl auf Seiten des Unternehmens als auch auf Seiten der Bewerberinnen / Bewerber sind vielschichtig, wenngleich sie nicht akzeptabel sind. Allerdings scheint ein neues Phänomen dazu beizutragen, dass Bewerberinnen / Bewerber den Kontakt zum Unternehmen ohne Vorankündigung abbrechen. Die Rede ist von “Company Catfishing”. Das englische Wort “catfish” bedeutet in der Biologie “Wels”. Es wird in der Fischerei verwendet. Beim Fang von Kabeljau werden diese “echten Welse” eingesetzt, um dem Kabeljau das Gefühl zu geben, weiterhin frei im Wasser zu schwimmen.
Auch auf Dating-Plattformen ist Catfishing mittlerweile ein gängiger Begriff. Dort bezeichnet er eine Täuschungshandlung, bei der eine Person eine gefälschte Online-Identität in einem sozialen Netzwerk erstellt. In der Arbeitswelt spricht man von “Company Catfishing”, wenn die tatsächliche Unternehmenskultur nicht der Arbeitgebermarke entspricht, die das Unternehmen nach außen vertritt. Unternehmen geben also vor, etwas zu sein, was sie nicht sind. Und da der Einstellungsprozess der erste Kontaktpunkt in der Employee Journey ist, kann dieser Täuschungsversuch bereits dann ans Licht kommen.
Authentizität zählt
Eine zentrale Handlungsempfehlung für Unternehmen ist daher, ihre Arbeitgebermarke so authentisch wie möglich aufzubauen. Das fängt bei der Erstellung der Ausschreibungen an, geht über die Qualität und Quantität der Kommunikation, irrelevante Fragen und kritische Inhalte bei den Vorstellungsgesprächen bis hin zur Zusendung der vertragsrelevanten Unterlagen. Natürlich sind lange Antwortzeiten, verzögerte Rückfragen und unkoordiniertes Feedback bei der Suche nach den besten Talenten angesichts des Fachkräftemangels ein großer Nachteil für das Unternehmen.
Der weitaus größere Fauxpas im Hinblick auf eine nachhaltige Arbeitgebermarke ist es jedoch, vorzutäuschen, Menschen seien das wertvollste und man kümmere sich um ihre Bedürfnisse, dann aber kein Feedback zu geben oder die Kommunikation komplett abzubrechen.
Der langfristige Nutzen eines sorgfältigen Einstellungsprozesses
Die Optimierung der Candidate Experience entlang der Employee Journey lohnt sich also nicht nur im Hinblick auf das Employer Branding. Um die Talente von heute anzusprechen, brauchen Unternehmen einen rationalen und strukturierten Einstellungsprozess, der allen Bewerberinnen / Bewerbern das Gefühl gibt, geschätzt und respektiert zu werden – vor allem in Zeiten, in denen auch in den HR-Abteilungen Fachkräftemangel herrscht. Indem Unternehmen dem Einstellungsprozess mehr Aufmerksamkeit schenken, können sie langfristig von zahlreichen Vorteilen profitieren.
Eine gezielte Suche nach qualifizierten Kandidatinnen / Kandidaten, eine sorgfältige Bewertung der kulturellen Passung und eine effektive Onboarding-Phase tragen dazu bei, dass neue Mitarbeitende erfolgreich in das Unternehmen integriert werden. Dies führt zu einer höheren Mitarbeiter- /Mitarbeiterinnenzufriedenheit, einer geringeren Fluktuation und letztlich zu einer Steigerung der Produktivität und des Unternehmenserfolgs. Unternehmen müssen den Einstellungsprozess als Chance betrachten, um Talente anzuziehen und eine stabile Basis an Mitarbeitenden aufzubauen.
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Donald Knight ist Chief People Officer bei Greenhouse Software. Er ist verantwortlich für die Implementierung einer globalen Strategie und Führung bei der Entwicklung, Betreuung und Verwaltung von Personalprogrammen. Vor seiner Tätigkeit bei Greenhouse arbeitete er als Senior Vice President of Global Talent bei Edelman. Donald erwarb seinen B.A. an der Cornell University und hat einen Master-Abschluss in Human Resource Management von der University of Richmond.