Transformationen scheitern, weil Change Management nur als Baustein für die Projektdauer der Restrukturierung gesehen wird, sagt Martina Rauch von cetacea. Sie beschreibt die „Must-haves“ für einen nachhaltigen Restrukturierungserfolg.
Restrukturierungen sind in vielen Unternehmen mittlerweile ein Dauerzustand. Jedoch: Sie scheitern öfter als von außen erkennbar – allerdings nicht, weil es an ökonomischer Kompetenz mangelt, sondern weil der Faktor Mensch (also die „People Dimension“) ausgerechnet in einer der erfolgskritischsten Transformationen, die ein Unternehmen zu bewältigen hat, nicht ausreichend berücksichtigt wird.
Sie scheitern auch, weil Change Management lediglich als Baustein für die Projektdauer einer Restrukturierung gesehen wird. Und, sie scheitern, weil das Management die Restrukturierung nicht als Chance erkennt, die Unternehmenskultur für die angestrebte Neuausrichtung weiterzuentwickeln.
Das Problem ist die Herangehensweise. Restrukturierungen werden in vielen Fällen monatelang in kleinem Kreis – meistens mit Beratern – top-secret vorbereitet und sind daher in den Köpfen des Managements gedanklich schon umgesetzt, bevor es an die eigentliche Umsetzung geht, die in der Regel viel länger dauert als geplant, weil Führungskräfte und MitarbeiterInnen nicht rechtzeitig eingebunden werden und deshalb die notwendigen Veränderungen nicht mittragen.
Restrukturierung heißt Veränderung
Unabhängig davon, in welchem Bereich eine Restrukturierung erforderlich ist, kommt es meistens zu bedeutenden Veränderungen für alle Betroffenen. Veränderungsstress entsteht, weil die Organisation nicht mehr im Ausgangszustand A und noch nicht im Zielzustand B ist und dazwischen Arbeitsprozesse, Rollen und Verantwortlichkeiten oftmals unklar sind.
Damit steigt die Fehleranfälligkeit, sinkt die Leistungsbereitschaft und damit die Produktivität, nehmen Verunsicherungen und Frustrationen zu und schlimmstenfalls kommt es sogar zu inneren oder tatsächlichen Kündigungen. Vertrauens- und Reputationsverluste bei externen Stakeholdern durch Gerüchte und Spekulationen über den Verlauf der Restrukturierung verschärfen häufig die Lage.
Handlungsdruck steigt
Last but not least steigt der Handlungsdruck beim Management durch die zunehmenden Herausforderungen über die Dauer des Restrukturierungsprozesses, während gleichzeitig der Handlungsspielraum gefühlt kleiner wird. Wird er das wirklich? Oder öffnet eine Restrukturierung nicht gerade das Feld der Handlungsmöglichkeiten? Kommt es nicht gerade bei einer Restrukturierung auf gutes Management an? Und müssen gute Manager heute nicht vor allem exzellente Veränderungsmanager sein? Ich meine, ja! Denn Veränderungen gehören heute fast schon zum „Daily Business“ eines Managers.
„Must-haves“ für einen nachhaltigen Restrukturierungserfolg
Ein professionelles, planvolles Projektmanagement ist Pflicht und eine Selbstverständlichkeit – gerade bei Restrukturierungen. Die schnelle Ausarbeitung eines erfolgversprechenden Restrukturierungskonzepts, ein sensibles Vorgehen des Managements, Governance, Flexibilität in der Umsetzung sowie eine proaktive, transparente und vertrauensfördernde Kommunikation gehören aber auch dazu und sind die Kür einer erfolgreichen Veränderung.
„Must-haves“ für einen nachhaltigen Restrukturierungserfolg sind darüber hinaus:
- Ein nachvollziehbares und attraktives Zukunftsbild, das über die angestrebten Finanzkennzahlen hinausgeht und veranschaulicht, weshalb es sich für die Mitarbeiter und Führungskräfte lohnen wird, dem Management auf einem schwierigen Weg zu folgen – und dabei eventuell persönliche Einbußen oder Zusatzarbeit auf sich zu nehmen.
- Die Identifikation von Ängsten und Widerständen und der richtige Umgang damit (zuhören, ernst nehmen, auflösen bzw. minimieren).
- Die Schaffung der notwendigen Akzeptanz für Veränderungsmaßnahmen, indem Prozesse nachvollziehbar gemacht und Betroffene frühzeitig und kontinuierlich informiert werden.
- Die aktive Beteiligung möglichst vieler Betroffenen bei der Mitgestaltung der notwendigen Veränderungen, um die Umsetzungsdynamik zu erhöhen und eine größere Breitenwirkung in der Organisation zu erzielen.
- Die Verinnerlichung von neuen Arbeitsabläufen und -prozessen, deren Sinnhaftigkeit und Vorteile gegenüber den bisherigen sowohl auf individueller als auch auf kollektiver Ebene sowie die Flexibilität Abläufe, die keinen Sinn mehr machen, gegebenenfalls anzupassen.
- Die Befähigung und Unterstützung der Führungskräfte in ihren Rollen als Treiber der notwendigen Veränderungen sowie als Motivator und Coach für ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
- Die Entwicklung bzw. Weiterentwicklung einer zukunftsorientierten Unternehmenskultur mit tatkräftiger Unterstützung durch das Management und die Führungskräfte, die als Vorbilder fungieren und die Veränderung vorleben.
- Die Gestaltung eines veränderungsunterstützenden Umfelds, auch über das Restrukturierungsprojekt hinaus, um dauerhaft die Veränderungsbereitschaft in der Organisation zu erhöhen. Denn die nächste Restrukturierung kommt bestimmt!
Lernkurven für die Zukunft
Die theoretische Kenntnis der „Must-haves“ für eine erfolgreiche Restrukturierung sagt jedoch noch lange nichts über deren Umsetzung in der Praxis aus. Denn jede Restrukturierung ist anders. Und bei jeder Restrukturierung tauchen sehr häufig Probleme auf, die bei der Planung entweder nicht berücksichtigt wurden oder nicht berücksichtigt werden konnten, wie die letzten beiden Jahre uns sehr deutlich vor Augen geführt haben mit ihren unvorhergesehenen bzw. unvorhersehbaren multiplen, sich überlappenden Krisen.
Der Vorteil: Unternehmen haben dazu gelernt. Ihre Veränderungskompetenz ist gewachsen und wächst weiter – ebenso wie die Erkenntnis, dass professionelles Change Management genau so wichtig für den Restrukturierungserfolg ist wie ein professionelles Projektmanagement.
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Martina Rauch ist Partnerin bei der Unternehmensberatung Cetacea und deren Tochtergesellschaft Global Organizational Integrity Institute (GOII) in München. Sie hat mehr als zwanzig Jahre Erfahrung in den Bereichen Unternehmenskommunikation, Marketing und Public Affairs. In Managementfunktionen bei großen international tätigen Familienunternehmen und einem Konzern hat sie mehrere Transformations- und Restrukturierungsprogramme mitgestaltet sowie CSR- und Nachhaltigkeitsprogramme initiiert und geführt.