„Blue Collar“: 4-Tage-Woche für erfolgreiches Recruiting

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New Work sollte nicht nur bei „White Collar“-Jobs eine Rolle spielen, fordert Frank Weishaupt, CEO bei Owl Labs. Denn die Anzahl der Bewerbungen wird sich in „Blue Collar“-Sektoren nur erhöhen, wenn die Arbeitsmodelle attraktiver werden. Die 4-Tage-Woche könnte dabei helfen, Nachwuchskräfte anzulocken.

Dass Deutschland immer mehr Personal ausgeht, wissen wir nicht erst seit der Corona-Krise. Natürlich wurden Personalengpässe, wie beispielsweise in der Gesundheitsbranche, erst durch Covid noch sichtbarer und akuter. Allein die Tatsache, dass geburtenstarke Nachkriegsjahrgänge nun nach und nach in Rente gehen, reißt branchenübergreifend große Lücken in die deutsche arbeitnehmende Bevölkerung und Unternehmen werden hierzulande zunehmend um Talente kämpfen müssen. Mit zukunftsfähigen Arbeitsmodellen können sich Unternehmen hierbei einen Vorteil verschaffen.

4-Tage-Woche auf Platz 1

In der State of Hybrid Work-Studie, beauftragt von Owl Labs und durchgeführt von Vitreous World, wurden Arbeitnehmende aus ganz Europa, darunter auch 2.000 aus Deutschland, nach den für sie attraktivsten Unternehmens-Benefits befragt. Die 4-Tage-Woche ging hier als klarer Sieger hervor: 45 Prozent der Befragten sehen diese als ansprechendsten Benefit bei zukünftigen potenziellen Arbeitgebenden.

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Flexiblere Arbeitszeiten erscheinen im Vergleich nur 38 Prozent am ansprechendsten, flexiblere Arbeitsorte und unbegrenzten Urlaub jeweils für 28 Prozent. Die 4-Tage-Woche stellt damit andere New Work-Modelle in den Schatten: Die deutliche Mehrheit der Befragten aus der repräsentativen Studie, ganze 80 Prozent, würden für die 4-Tage-Woche sogar eine Gehaltskürzung in Kauf nehmen. Auch dies ist mehr als bei anderen Benefits: Für flexiblere Arbeitszeiten- und orte würden dies nur 69 Prozent tun.

New Work nicht nur bei „White Collar“-Jobs

Um Mitarbeitende zu halten und gewinnen, sollten New Work-Modelle nicht nur in bürobasierten Jobs implementiert werden. Homeoffice und flexible Arbeitszeiten sind jedoch in vielen Berufen, die beispielsweise Schichtarbeit beinhalten, schlicht nicht möglich. Auch um zu vermeiden, dass langfristig eine Art Zwei-Klassen-System entsteht, bei dem bürobasierte Jobs durch Anreize wie höhere Flexibilität im Wettbewerb um Talente nicht-bürobasierte Jobs schlagen, sollten Benefits wie die 4-Tage-Woche branchenübergreifend in Betracht gezogen werden. New Work ist schließlich nicht nur den „White Collar“-Jobs vorbehalten. Verkürzte Arbeitszeiten könnten auch in Blue Collar-Branchen dabei helfen, das Image einiger Jobs aufzubessern und diesen gegenüber Bewerberinnen / Bewerbern neuen Glanz zu verleihen.

Unser Wochenende ist noch gar nicht so lange arbeitsfrei

Bei der Debatte um den Umfang der Vollzeitarbeitszeit dürfen wir nicht vergessen, dass auch unser heutiges zweitägiges Wochenende ebenso nur ein menschengemachtes Konstrukt ist. Noch nach dem zweiten Weltkrieg war in Deutschland eine 48-Stunden-Woche vollkommen normal. Gewerkschaften forderten damals, dass bei steigender Wirtschaftsleistung die Arbeitszeit gesenkt wird. Mittlerweile untersuchen Studien die Vorteile einer weiteren Reduzierung der Vollzeitarbeitszeit. Auch wenn auf wir auf die vollständige Auswertung solcher Studien womöglich noch warten müssen, ist klar: Moderne Angestellte haben ein „9-5“ an fünf Wochentagen satt.

Die Frage nach dem Gehalt

Die Arbeitszeiten drastisch zu reduzieren, dabei aber gleichzeitig dasselbe Gehalt zu bekommen, klingt für Arbeitnehmende fast zu schön, um wahr zu sein – und für Unternehmen womöglich nach einem enormen wirtschaftlichen Verlust. Dabei kann eine Reduzierung der gesamten Arbeitszeit von beispielsweise 40 Stunden auf 32 Stunden auch wirtschaftliche Vorteile mit sich bringen, wie der oben genannte Modellversuch in Großbritannien derzeit untersucht. Diese Vorteile könnten sich erstrecken über weniger Krankheitsfälle durch ausgeglicheneres Personal, höhere Zufriedenheit der Mitarbeitenden und folglich geringerer Fluktuation bis hin zu womöglich erhöhter Produktivität und Kreativität.

Die Personalflucht im „Blue Collar“-Bereich aufhalten

Die State of Hybrid Work-Studienergebnisse zur Attraktivität der 4-Tage-Woche beziehen sich zunächst auf Mitarbeitende in bürobasierten Jobs. Doch auch den sogenannten „Blue Collar“-Sektoren könnte die 4-Tage-Woche dabei helfen, Nachwuchskräfte anzulocken. In diesen Sektoren spielen Faktoren wie schlechte Bezahlung, harte körperliche Arbeit und wirtschaftliche Unsicherheit besonders dahin ein, dass Fachkräfte langfristig in andere Branchen fliehen. Die Anzahl der Bewerbungen wird sich im „Blue Collar“-Bereich nur dann erhöhen, wenn die Arbeitsmodelle attraktiver werden. Da Unternehmen handwerklichen Berufen oder der Gastronomie aber schlicht oft nicht mehr zahlen können, könnte dies auch für sie eine gute Zwischenlösung sei, um Talente anzulocken oder zu halten.

Über die Studie

Die europaweite Studie „State of Hybrid Work 2022“ wurde im Februar 2022 von Owl Labs in Zusammenarbeit mit Vitreous World durchgeführt, wobei insgesamt 10.000 Vollzeitbeschäftigte mit bürobasierten Tätigkeiten in Großbritannien (2000), Deutschland (2000), Frankreich (2000), den Niederlanden (2000) und den nordischen Ländern (2000) befragt wurden. Die nordischen Länder umfassen in diesem Fall Schweden, Finnland, Norwegen und Dänemark. Die hier zitierten Ergebnisse beziehen sich ausschließlich auf die Ergebnisse aus Deutschland.

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Weitere Quellen:

Foto Frank Weishaupt

Frank Weishaupt ist CEO von Owl Labs, dem Entwickler der intelligenten Konferenzkamera Meeting Owl. Weishaupt war zuvor als SVP of Sales bei CarGurus tätig und spielte eine entscheidende Rolle beim Wachstum des Unternehmens, was zu einem erfolgreichen Börsengang im Oktober 2017 führte. Bevor er zu CarGurus kam, war Weishaupt Chief Operating Officer bei Jumptap, was zu einer Übernahme durch Millennial Media führte. Außerdem war er in leitenden Positionen bei Yahoo! und Criteo tätig, das 2013 einen erfolgreichen Börsengang hatte.

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