Nicole Reinhold von Cocomore zeigt, wie Unternehmen mittels Service Design das Beste aus den Welten von Arbeit vor Ort und Remote Work vereinen können.
In der ersten großen Homeoffice-Welle haben viele Unternehmen – aufgrund der Kurzfristigkeit – einfach das Vorhandene und Gelernte ad hoc auf die neue Situation übertragen. Heute gehört Remote Work zu unserem Alltag. Um diese neue Arbeitswelt für alle Beteiligten so optimal wie möglich zu gestalten, sollten Prozesse, Technologien und die Arbeitskultur noch einmal bewusst hinterfragt werden.
Hierzu eignen sich Methoden aus dem Service Design besonders gut. Diese Praxis wird meist genutzt, um Dienstleistungen und digitale Produkte zu konzipieren. Dazu ist es wichtig, ein Problem wirklich zu verstehen und die Nutzer in den Konzeptionsprozess einzubinden. Dieser Ansatz gilt nicht nur für digitale Prozesse, sondern ebenso für die Gestaltung einer neuen Arbeitskultur in Form von ‚Blended Work’. So ist daraus das Konzept „Office as a Service“ mithilfe des Service-Design-Prozesses entstanden.
Das Arbeiten vor Ort kombiniert mit Remote Work
‚Blended Work’ steht für das sinnvolle Komplementieren von Arbeit vor Ort und Remote Work. Möglich wird dies durch moderne Software und eine Cloud-Infrastruktur mit dem Ziel, ein reibungsloses und nahtloses Arbeitsumfeld zu ermöglichen. Organisationen und Individuen erleben so eine neue, effiziente und nachhaltigere Form von Zusammenarbeit.
Der Ansatz von ‚Blended Work‘ zeigt, dass beide Realitäten – Office und Homeoffice – durchaus nebeneinanderstehen können und dass – sofern sie für den konkreten Arbeitskontext richtig angewandt werden – das Beste aus beiden Welten vereint werden kann.
Im Service Design durchläuft ein Prozess sechs Phasen: Verstehen, Definieren, Konzipieren, Prototyp entwickeln, Testen und Ausrollen. Um zunächst einmal zu verstehen, wo es hakt, wird der konkrete Arbeitskontext inklusive der Stakeholder analysiert und anschließend die Problemfelder definiert. Homeoffice oder Präsenzarbeit sind dabei Möglichkeiten, die nicht einfach beurteilt oder verurteilt, sondern wertfrei aufgelistet werden. Nur ohne Vorurteile vergegenwärtigt man sich alle Optionen zur Gestaltung von ‚Blended Work’.
Mitarbeiterinnen, Mitarbeiter und das Management verstehen
Darüber hinaus ist es wichtig, die Mitarbeiterinnen, die Mitarbeiter und das Management zu verstehen – ob durch eine klassische Mitarbeiterumfrage, eine Ideenbox, einen Teamtag, eine Taskforce oder durch einen Workshop. So stellt ein Unternehmen sicher, dass sich die Maßnahmen an den Bedürfnissen und Realitäten der MitarbeiterInnen ausrichten.
Auch sollte jedes Unternehmen die technische Infrastruktur seiner MitarbeiterInnen evaluieren: Dabei geht es um die steuerliche Absetzung des Arbeitsraumes, Hardware (Kameras und Beleuchtung), VPN, Wifi und die Büroausstattung. Die IT-Bedürfnisse sollten unbedingt mit den Kolleginnen und Kollegen besprochen und von den erlebten Best-Practices gelernt werden.
Lösungen erarbeiten und adaptieren
Die nächste Service Design-Phase „Konzipieren“ veranschaulicht, wie das ‚Blenden‘ von Arbeit umgesetzt werden kann. In diesem Schritt geht es darum, Lösungen zu erarbeiten und zu adaptieren. Ein Beispiel: Ein Team berichtet, dass sich Remote-Meetings und -Workshops als effizienter herausgestellt haben, da sie besser vorbereitet und dokumentiert werden, wenn es eine klare Moderation und Zuständigkeit gibt. Diese positive Veränderung von Arbeitsprozessen sollte dann auch im Büro beibehalten werden.
Grundsätzlich hat Arbeit viele soziale Komponenten, und Büros spielen darin eine zentrale Rolle. Nur wer das Office auch als Sozialsystem versteht und weiß, wie und wo sozialer Austausch entsteht, kann sie gestalten. Feste Formate wie Stand-up-Meetings oder wöchentliche Meetings – ob remote oder live und in Farbe – sollten auch sozialen Komponenten Raum geben. Denn wenn Tratsch und Klatsch keinen offiziellen Platz bekommen, werden sie digital und in bi-lateralen Kanälen geteilt, was das Arbeitsklima nachhaltig belasten kann.
Definieren der Rahmenbedingungen: Maximale, individuelle Flexibilität und Verbindlichkeit im Team lassen sich nicht zu 100 Prozent miteinander kombinieren. Allerdings können sich Teams überlegen, wie viel Verbindlichkeit sie wirklich brauchen, beispielsweise durch Kernanwesenheitszeit an bestimmten Tagen, und wo individuelle Flexibilität eingeführt werden kann. Gibt es keine verbindlichen Absprachen zu Arbeitszeiten und Präsenz am Arbeitsplatz, schleicht sich leicht Unzufriedenheit ein.
‚Blended Work‘ ist kein starres Konstrukt
In weiteren Service Design-Phasen „Prototyp entwickeln“, „Testen“ und „Ausrollen“ können Maßnahmen zunächst im kleinen Kreis ausprobiert – wie bei einem Prototypen – und mit strukturiertem Feedback getestet werden, bevor sie in der ganzen Firma ausgerollt werden. Das allein zeigt, dass ‚Blended Work‘ kein starres Konstrukt ist, sondern ein immer aktueller, agiler Prozess.
Wichtig: Der gesamte Prozess hin zu einer neuen, tragfähigen Arbeitskultur sollte vom Management, den Personal-Verantwortlichen und den MitarbeiterInnen gestaltet und mitgetragen werden. Dann hat ‚Blended Work‘ eine reelle Chance, wirklich das Beste aus beiden Welten von Homeoffice und Präsensarbeitsplatz zu vereinen.
Nicole Reinhold, Senior Service Designerin bei der Digitalagentur Cocomore, besitzt langjährige Erfahrungen in qualitativer und quantitativer Nutzerforschung und in der Start-up-Beratung.