Arbeitssicherheit: Verantwortung ist nicht delegierbar

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Wie setzen Unternehmen Arbeitssicherheit und betrieblichen Gesundheitsschutz zielführend um? Michael Wentler, Höppner Management & Consultant GmbH, gibt einen Überblick.

Ein paar Zahlen vorneweg: In der gewerblichen Wirtschaft und der öffentlichen Hand ereigneten sich 2021 laut der Deutschen Gesetzliche Unfallversicherung e.V. (DGUV) insgesamt 806.217 meldepflichtige Arbeitsunfälle, die eine Arbeitsunfähigkeit von mehr als drei Tagen oder den Tod zur Folge hatten. Das sind sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Dabei waren 12.079 schwere Arbeitsunfälle zu verzeichnen, bei denen es zur Zahlung einer Rente oder eines Sterbegelds gekommen ist. Bei den tödlichen Arbeitsunfällen ist gegenüber 2022 ein Anstieg um 111 Fälle auf 510 Todesfälle zu verzeichnen, heißt es.

Das bedeutet: Arbeitsunfälle können jederzeit und in jedem Unternehmen passieren, mit unterschiedlichen Auswirkungen. Denn zum einen sind Kosten horrend. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) schätzte die volkswirtschaftlichen Produktionsausfälle durch Arbeitsunfähigkeit für 2020 mit 700,6 Millionen Arbeitsunfähigkeitstagen auf insgesamt 87 Milliarden Euro. Der Ausfall an Bruttowertschöpfung betrug demnach 144 Milliarden Euro.

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Gesetzliches Regelwerk für den Arbeitsschutz

Dazu kommen gesundheitliche Risiken wie Depressionen und Anpassungsstörungen als stressbedingte Erkrankungen. Laut dem „Psychoreport 2020“ der Krankenversicherung DAK-Gesundheit der DAK fehlte 2019 jeder 18. Arbeitnehmer aufgrund von psychischen Gesundheitsproblemen im Job. Mit 276 Fehltagen je 100 Versicherten lag das Niveau 41 Prozent über dem vor zehn Jahren. Dabei dauerte eine Krankschreibung wegen psychischer Leiden 2021 im Schnitt 39,2 Tage – solange wie noch nie. Die Folge: Arbeitsbedingte psychische Belastungen verursachten bereits 2017 Kosten von fast 45 Milliarden Euro.

Neben der rein betriebswirtschaftlichen Motivation für mehr Arbeits- und Gesundheitsschutz existiert auch ein gesetzliches Regelwerk dafür. Das wichtigste Grundlagengesetz für den betrieblichen Arbeitsschutz ist das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Es verpflichtet den Arbeitgeber, Gesundheitsgefährdungen am Arbeitsplatz zu beurteilen und über notwendige Schutzmaßnahmen zu entscheiden. Der Arbeitgeber hat für eine funktionierende Arbeitsschutzorganisation im Betrieb zu sorgen. Das Arbeitsschutzgesetz gilt immer und regelt für alle Tätigkeitsbereiche die grundlegenden Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers, die Pflichten und die Rechte der Beschäftigten sowie die Überwachung des Arbeitsschutzes nach diesem Gesetz.

Gefährdungsbeurteilung als zentrales Instrument der Arbeitssicherheit

Wie setzen Unternehmen Arbeitssicherheit und betrieblichen Gesundheitsschutz individuell und zielführend um? Diese Aspekte sind immer sehr individuell zu betrachten und unterscheidet sich von Branche zu Branche, von Unternehmen zu Unternehmen. Im Fokus steht daher immer die Gefährdungsbeurteilung als zentrales Instrument der Arbeitssicherheit. Konkretisiert werden die Vorgaben zur Gefährdungsbeurteilung in einer Reihe von Vorschriften, beispielsweise im Arbeitssicherheitsgesetz, in zahlreichen Verordnungen, in technischen Regelwerken zu den Verordnungen im Arbeitsschutz sowie in den Vorschriften der Unfallversicherungsträger.

Im Rahmen der Gefährdungsbeurteilung ermitteln und beurteilen Unternehmen und Arbeitssicherheitsexperten für alle Beschäftigten eines Unternehmens die im Zusammenhang mit der betrieblichen Tätigkeit relevanten Gefährdungen. Ausgehend von diesen Ergebnissen werden individuell passende Schutzmaßnahmen zur bestmöglichen Senkung des Unfall- und Gesundheitsrisikos implementiert. Nur durch die individuelle Analyse lässt sich erkennen, welche Risiken wirklich auf die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer warten, damit die jeweils passenden Schutzmaßnahmen getroffen werden können. Dazu gehören beispielsweise die Arbeitsplatzgestaltung, der sichere Einsatz von Arbeitsmitteln und der persönlichen Schutzausrüstung, Lärmschutz, die Lastenhandhabung, der Umgang mit Gefahr- oder Biostoffen und die arbeitsmedizinische Vorsorge.

Organisationspflicht des Arbeitgebers

Gerade für kleine und mittlere Unternehmen ist dies mit Bordmitteln kaum zu schaffen. Spezialisierte Beratungsgesellschaften unterstützen Unternehmen bei der rechtssicheren Umsetzung aller Anforderungen in der Arbeitssicherheit nach dem Arbeitssicherheitsgesetz (ASiG) und der Leistungspflichten der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung.

Zu den Sonderthemen des Arbeits- und Gesundheitsschutzes gehören beispielsweise die Bewertung und Optimierung der Betriebsorganisation, um Organisationsverschulden vorzubeugen, die Unterstützung der Unternehmensführung in der Kommunikation mit Behörden und Unfallversicherern, die Optimierung von arbeitsschutzbezogenen Prozessen, die ergonomische Einrichtung von Arbeitsstätten, die Beurteilung möglicher psychischer Gefährdungspotenziale und die Durchführung von speziellen Unterweisungs- und Fortbildungsmaßnahmen.

Eine besondere Herausforderung: Verantwortung ist nicht delegierbar. In der Konsequenz haben Arbeitgeberinnen / Arbeitgeber zur Planung und Durchführung der entsprechenden Maßnahmen unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten für eine geeignete Organisation zu sorgen und die erforderlichen Mittel bereitzustellen. Und sie haben Vorkehrungen zu treffen, dass die Maßnahmen erforderlichenfalls bei allen Tätigkeiten und eingebunden in die betrieblichen Führungsstrukturen beachtet werden und die Beschäftigten ihren Mitwirkungspflichten nachkommen können.

Die Organisationspflicht des Arbeitgebers besteht darin, betriebliche Abläufe so festzulegen, dass für seine Beschäftigten keine Gefährdungen entstehen. Die Sanktionen bei Rechtsverstößen und können bei fahrlässigen Pflichtverstößen Geldbußen bis zu eine Million Euro nach sich ziehen oder sogar eine Freiheitsstrafe von bis zu zehn Jahren.

Fazit

Das bedeutet zusammengefasst: Durch entsprechende Maßnahmen schützen Arbeitgeberinnen / Arbeitgeber ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vor krankheitsbedingten Ausfällen, vermeiden dadurch Schwierigkeiten mit der Berufsgenossenschaft und schaffen ein Umfeld, die menschengerechte Arbeit fördert und alles dafür tut, dass sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ohne Sorge um ihr Wohlergehen entwickeln und entfalten können.

Ausfälle von Mitarbeiterinnen / Mitarbeitern sind durch den Fachkräftemangel auch immer schwerer zu kompensieren. Daher ist eine entsprechende Sicherheitskultur und der damit verbundenen Minimierung von Ausfällen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von erheblichem Wert für Unternehmen.

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Foto Michael Wentler

Michael Wentler, Geschäftsführer der Höppner Management & Consultant GmbH aus Wedemark/Hannover, einer unabhängigen Unternehmensberatung für Arbeitssicherheit, Umweltschutz und Managementsysteme.

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