Seit Anfang 2022 müssen Unternehmen den Arbeitgeberzuschuss auch für „Altverträge“ zahlen. Arbeitsrechtler Tim Eickmanns und Jan Kern erläutern die aktuelle Rechtslage.
Rentenversicherungspflichtige Arbeitnehmer haben einen gesetzlichen Anspruch darauf, dass der Arbeitgeber einen Teil ihrer künftigen Entgeltansprüche durch Entgeltumwandlung für ihre betriebliche Altersversorgung verwendet (bis zu 4 Prozent der jeweiligen Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung). Der Arbeitgeber muss diesem Wunsch nachkommen, ist allerdings frei in der Wahl des Versorgungsträgers. Dies ergibt sich aus § 1a BetrAVG.
Eine Besonderheit der Entgeltumwandlung liegt darin, dass das umgewandelte Entgelt nicht vom Netto-, sondern vom Bruttolohn des Arbeitnehmers abgezogen wird. Damit reduziert sich auch das sozialversicherungspfichtige Einkommen des Arbeitnehmers. Betreibt der Arbeitnehmer Entgeltumwandlung, sparen dadurch in der Folge sowohl der Arbeitgeber, als auch der Arbeitnehmer einen Teil der ansonsten abzuführenden Sozialversicherungsbeiträge ein.
1. Bisher: Verpflichtende Arbeitgeberzuschüsse nur für „Neuverträge“ ab 1. Januar 2019
Es entspricht allerdings nicht (mehr) der Intention des Gesetzgebers, dass der Arbeitgeber die durch die Entgeltumwandlung ersparten Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung vollständig behalten darf. Aus diesem Grund schreibt der Gesetzgeber seit dem 1. Januar 2019 vor, dass der Arbeitgeber bis zu 15 Prozent des umgewandelten Entgelts zusätzlich als Arbeitgeberzuschuss an den Versorgungsträger weiterleiten muss, soweit er durch die Entgeltumwandlung Sozialversicherungsbeiträge einspart.
2. Seit 1. Januar 2022: Verpflichtende Arbeitgeberzuschüsse auch für „Altverträge“
Die Relevanz dieser gesetzlichen Zuschusspflicht hielt sich bisher in Grenzen, da sie zunächst nur für „Neuverträge“ galt, die ab dem 1. Januar 2019 geschlossen wurden. Dies ist seit dem 1. Januar 2022 jedoch anders, denn seitdem müssen Arbeitgeber den vorgenannten Arbeitgeberzuschuss auch für alle „Altverträge“ zahlen, die vor diesem Datum geschlossen wurden.
3. „To Do“: Prüfung und ggf. Anpassung bestehender Vereinbarungen
Diese Ausweitung auf Altverträge erzeugt Handlungsbedarf, denn diese wurden zu einer Zeit geschlossen, in der es noch keine gesetzliche Arbeitgeberzuschußpflicht gab. Die Altverträge sollten daher unbedingt auf etwaigen Anpassungsbedarf mit Blick auf die neue gesetzliche Zuschußpflicht überprüft werden.
a) Besteht eine Zuschusspflicht?
Hierbei sollte in einem ersten Schritt geprüft werden, ob die gesetzliche Arbeitgeberzuschusspflicht überhaupt Anwendung findet. Dies ist grundsätzlich dann der Fall, wenn ein Arbeitnehmer rentenversicherungspflichtig ist und durch Umwandlung eines Teils seines Bruttoeinkommens in die Betriebsrente einzahlt. Ferner besteht die Zuschusspflicht nur dann, wenn das umgewandelte Entgelt an einen Pensionsfonds, eine Pensionskasse oder eine Direktversicherung weitergeleitet wird.
b) Höhe des Arbeitgeberzuschusses: Pauschalierte oder „spitze“ Berechnung?
Besteht eine Zuschusspflicht, sollte in einem zweiten Schritt die Höhe des gesetzlichen Pflichtbeitrags ermittelt werden. Nach der gesetzlichen Konzeption entspricht dieser der Höhe der durch die Entgeltumwandlung ersparten Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung, ist jedoch auf maximal 15 % des umgewandelten Entgelts „gedeckelt“.
Für Gehälter unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung (derzeit EUR 4.837.50) kann der Zuschlag in Höhe von 15 Prozent des umgewandelten Entgelts pauschal angesetzt werden, denn die Höhe der tatsächlichen Beitragsersparnis liegt hier derzeit ohnehin über diesem gesetzlichen Deckelungsbetrag.
Bei Gehältern oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung dürfte die tatsächliche Beitragsersparnis zwar häufig weniger als 15 Prozent des Entgeltumwandlungsbetrags betragen; auch hier zahlen viele Arbeitgeber jedoch freiwillig den unter Umständen höheren vorgenannten Pauschalbetrag, je nachdem wie hoch der Verwaltungsaufwand für die „spitze“ Abrechnung ist.
c) Werden bereits freiwillige Arbeitgeberzuschüsse gezahlt, die anrechenbar sind?
Stehen die Arbeitgeberzuschusspflicht und deren Höhe fest, sollte überprüft werden, ob in den bestehenden Vereinbarungen zur Entgeltumwandlung bereits „freiwillige“ Arbeitgeberzuschüsse vorgesehen sind. Falls ja, muss ermittelt werden, ob diese auf die gesetzlichen Pflichtzuschüsse angerechnet werden können. Wenn kein ausdrücklicher Anrechnungsvorbehalt vereinbart wurde, sind die Voraussetzungen hierfür jedoch umstritten:
Teilweise wird vertreten, eine Anrechenbarkeit bestehe ohne Einschränkungen, wenn die Zuschüsse zur Entgeltumwandlung bereits vor Einführung der gesetzlichen Zuschusspflicht zum 1. Januar 2019 zugesagt waren. Teilweise wird hingegen die Ansicht vertreten, eine Anrechnung freiwilliger Arbeitgeberzuschüsse sei ohne ausdrücklichen Anrechnungsvorbehalt nur dann möglich, wenn (i) der bisherige Zuschuss in dieselbe Altersversorgung eingezahlt wird wie die Entgeltumwandlung und (ii) erkennbar ist, dass der Arbeitgeber den freiwilligen Zuschuss zumindest auch wegen der ersparten Sozialversicherungsbeiträge gewährt. An die entsprechende Auslegung sollen nach dieser Ansicht allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen sein.
Daher müssen etwaige bestehende freiwillige Arbeitgeberzuschüsse im Einzelfall geprüft und auf eine etwaige Anrechenbarkeit hin ausgewertet werden. Je nach Ergebnis dieser Auswertung kann der Abschluss einer (klarstellenden) nachträglichen Anrechnungsvereinbarung oder ergänzenden Betriebsvereinbarung sinnvoll sein.
d) Erlaubt der Tarif des Versorgungsträgers eine Einzahlung des Pflichtbeitrags „on top“?
Sind die vorgenannten Schritte durchgeführt, steht regelmäßig fest, (i) ob der Arbeitgeber zuschusspflichtig ist, (ii) wie hoch der Pflichtzuschuss ist und (iii) ob gegebenenfalls bereits freiwillige Zuschüsse bestehen, die ganz oder teilweise auf die gesetzlichen Pflichtzuschüsse angerechnet werden können.
Sollte eine gesetzliche Zuschusspflicht bestehen, die nicht bereits durch freiwillige Zuschüsse abgedeckt ist, sollte dringend mit dem Versicherungsträger geklärt werden, ob ein „offener“ Tarif besteht, bei dem die Erhöhung des weitergeleiteten Umwandlungsbetrags um die gesetzlichen Arbeitgeberzuschüsse möglich ist. Dies ist in vielen Fällen nicht der Fall.
Sollte eine Erhöhung nicht möglich sein, müssen Arbeitgeber und Arbeitnehmer eine Neuaufteilung des Versicherungsbetrags vereinbaren, bei welcher der bisherige Weiterleitungsbetrag gleich bleibt, allerdings in einen Arbeitgeber- und einen Arbeitnehmeranteil aufgeteilt wird: Hat der Arbeitnehmer bisher also beispielsweise EUR 100 pro Monat umgewandelt, müsste die Aufteilung so geändert werden, dass der Arbeitnehmer künftig nur noch EUR 86,95 umwandelt, und der Arbeitgeber 15 Prozent hiervon (also EUR 13,05) als Arbeitgeberzuschuss zahlt.
4. Fazit
Die neue Arbeitgeberzuschusspflicht auch für Entgeltumwandlungen über „Altverträge“ sorgt für Handlungsdruck: Diese Verträge stammen aus einer Zeit, zu der es noch keine gesetzliche Arbeitgeberzuschusspflicht gab. Daher sollten Arbeitgeber eine Überprüfung dieser Altverträge auf etwaigen Anpassungsbedarf spätestens jetzt in Angriff nehmen. Etwaige bereits freiwillig gewährte Arbeitgeberzuschüsse können auf den gesetzlichen Zuschuss gegebenenfalls angerechnet werden. Je nach Einzelfall kann ein schriftlicher Anrechnungsvorbehalt sinnvoll sein. Sollte eine Anrechnung nicht möglich sein, müsste in jedem Falle die „Offenheit“ des Versorgungsträger-Tarifs geklärt werden.
Anlass zur Sorge sollte der gesetzliche Arbeitgeberzuschuss jedoch nicht geben: Da der Pflichtzuschuss letztlich nur einen Teil von ersparten Sozialversicherungsbeiträgen „abschöpft“, dürfte die Entgeltumwandlung auch weiterhin kein „Minusgeschäft“ für Arbeitgeber sein. Vor allem bei Gehältern unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze der gesetzlichen Krankenversicherung dürften die ersparten Arbeitgeberbeiträge zur Sozialversicherung sogar höher sein, als der gesetzliche Maximal-Pflichtzuschuss von 15 % des umgewandelten Entgelts. Damit verbleibt auch nach Abzug des neuen gesetzlichen Pflichtbeitrags in den meisten Fällen ein „Plus“ für Arbeitgeber durch die Entgeltumwandlung.
Dr. Tim Eickmanns ist als Rechtsanwalt im Bereich Arbeitsrecht für die internationale Wirtschaftskanzlei Taylor Wessing in Düsseldorf tätig. Er berät national und international tätige Unternehmen sowie Führungskräfte in allen Bereichen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts. Sein besonderer Beratungsschwerpunkt liegt in der arbeitsrechtlichen Beratung von Energie- und Versorgungsunternehmen sowie zu Fragen im Zusammenhang mit dem Trennungsmanagement.
Dr. Jan Kern ist als Rechtsanwalt für die internationale Wirtschaftskanzlei Taylor Wessing in Hamburg tätig. Er berät zum gesamten individuellen und kollektiven Arbeitsrecht, insbesondere zum Betriebsverfassungs- und Tarifvertragsrecht. Er begleitet Unternehmen bei Restrukturierungen (Betriebsübergänge, Personalanpassungen, Betriebsstilllegungen, Standortverlagerungen, Errichtung von Transfergesellschaften), in Sanierungssituationen und bei Insolvenzen. Besondere Schwerpunkte sind zudem die arbeitsrechtliche Beratung zur betrieblichen Altersversorgung und bei Transaktionen.