Vanessa Imhoff, Global Solutions Advisor bei Safeguard Global, hat eine Checkliste mit fünf Punkten zusammengestellt, die Unternehmen bei der Arbeit mit Freelancern beachten sollten.
Fehlende Fachkräfte, besonders in der IT, bremsen das Wachstum der Unternehmen. Daher entscheiden sich immer mehr Organisationen, ihre Teams durch Freelancer aus dem In- und Ausland zu verstärken. Allerdings sind sich viele Unternehmen nicht über die rechtlichen und Risiken bewusst, die bei der Arbeit mit Freelancern entstehen.
Eine korrekte Einstufung und Handhabung ist bei Mitarbeitenden aus dem Inland essenziell, bei der Arbeit mit Freelancern aus dem Ausland kommen weitere Kriterien hinzu. Über 60 Prozent der im Ausland beschäftigten Freelancer arbeiten laut Studien nicht rechtskonform. Das kann zu schweren rechtlichen und finanziellen Folgen auf beiden Seiten führen.
Arbeitet ein Freelancer nur für Sie? Arbeitet er oder sie in Vollzeit? Wird er oder sie von einem Ihrer Manager angewiesen? Wenn Sie eine dieser Fragen mit ja beantworten, dann sollten Sie unbedingt Ihre Verträge mit Freelancern überprüfen.
Wann ist ein Freelancer ein Freelancer?
Viele Unternehmen beabsichtigen, über Freelancer auf einen globalen Talentpool zuzugreifen. Auf den ersten Blick erscheint die Arbeit mit Freelancern als der unkompliziertere Weg, die eigene Belegschaft zu verstärken. Oftmals wird jemand, der vom Unternehmen als unabhängiger Auftragnehmender betrachtet und entlohnt wird, nach dem Arbeitsrecht des Landes, in dem er arbeitet, jedoch als Arbeitnehmender eingestuft.
Eine falsche Einstufung kann für Unternehmen sowie auch für die Arbeitskräfte schwerwiegende Konsequenzen bedeuten. Unternehmen, die international Arbeitskräfte beschäftigen, sollten daher sehr sorgfältig prüfen, ob sie im Einklang mit den geltenden Rechtsvorschriften handeln.
Arbeit mit Freelancern – Checkliste:
1. Vergütung und Arbeitszeit:
Ist die Arbeit zeitlich begrenzt und kein integraler Bestandteil der Geschäftstätigkeit? Oder wird die mitarbeitende Person monatlich für ihre Arbeit entlohnt und arbeitet sie in Vollzeit für das Unternehmen? Falls letzteres der Fall ist, könnte das bedeuten, dass der Freelancer / die Freelancerin tatsächlich wie eine angestellte Person zu behandeln ist.
2. Exklusivität:
Wird die Leistung der Fachkraft für mehrere Auftraggebende gleichzeitig erbracht oder ist sie ausschließlich für ein Unternehmen tätig? Die Verpflichtung zur Exklusivität kann die Abgrenzung zwischen einem Freelancer und einer fest angestellten Arbeitskraft verwischen.
3. Management und Kontrolle:
Wird die Arbeitskraft von einer Person im Unternehmen geleitet oder kontrolliert? Eine enge Leitung durch ein Unternehmen kann darauf hindeuten, dass der Freelancer / die Freelancerin nicht die Unabhängigkeit hat, die für eine Selbstständigkeit typisch ist. Denn bei Freelancern wird nur das Ergebnis der Arbeit gewertet. Die Art und Weise, wie die Arbeit ausgeführt wird, obliegt dem freien Mitarbeitenden und darf nicht vom Unternehmen vorgeschrieben werden.
4. Zusätzliche Leistungen und Spesen:
Erhält der Freelancer / die Freelancerin neben der Bezahlung weitere Leistungen, wie bezahlten Urlaub, Zahlung im Krankheitsfall, Spesenzahlungen oder auch die Bereitstellung von Equipment? Solche zusätzlichen Vergünstigungen könnten ebenfalls als Indiz dafür dienen, dass Freelancer in der Realität wie ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin zu behandeln sind. Denn Freelancer tragen die Kosten für ihre Arbeit selbst.
5. Kündigungsfristen:
Freelancern kann vielerorts jederzeit gekündigt werden, im Gegensatz zu angestellten Personen, bei denen Kündigungsfristen eingehalten werden müssen und oftmals Abfindungszahlungen erforderlich sind. Die Vorschriften für die Arbeit mit Freelancern variieren von Land zu Land.
Rechtliche Folgen
Falls einer oder einige dieser Punkte zutreffen, könnten die Mitarbeitenden falsch eingestuft sein und damit sind Sie dem Risiko der Scheinselbstständigkeit ausgesetzt, welches zu schweren rechtlichen Folgen nach sich ziehen kann. Dies hat gravierende Auswirkungen auf sowohl den Freelancer / die Freelancerin als auch den Auftraggeber. Die vermeintlichen Freelancer profitieren davon und erhalten nachträglich alle Rechte eines Arbeitnehmers, die in dem jeweiligen Land gelten.
Dazu zählen der lokal geltende Kündigungsschutz, Urlaubsanspruch oder die Lohnfortzahlungen. Für einen Fitnesstrainer in einem Club in Singapur mussten beispielsweise Sozialbeiträge in Höhe von knapp €300.000 nachgezahlt werden. Ein britisches Unternehmen musste einer freien Mitarbeiterin Urlaubsansprüche für 13 Jahre erstatten.
Der Auftraggeber muss zu den Lohnzahlungen rückwirkend alle die in dem Land geltenden Beiträge zur Sozialversicherung sowie Steuern für mehrere Jahre nachzahlen. Dazu können Säumniszuschläge sowie Konsequenzen in Form hoher Geldstrafen bis zur erzwungenen Schließung des Unternehmens kommen.
Handlungsempfehlungen
Falls eine falsche Einstufung der Freelancer erfolgt ist, sollte das Unternehmen schnell handeln. Verfügt das Unternehmen über eine Niederlassung im Ausland, kann das Vertragsverhältnis einfach umgestellt werden. Problematisch ist, wenn der Freelancer / die Freelancerin angestellt gehört und das Unternehmen keine Niederlassung im Ausland hat.
Hier kann die Zusammenarbeit mit einem sogenannten Employer of Record (EOR) hilfreich sein. Dieser fungiert als verlängerter Arm der eigenen HR-Abteilung und kümmert sich um die Payroll, Sozialleistungen und die Einhaltung von steuerlichen und rechtlichen Anforderungen für die entsprechenden Mitarbeitenden.
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Vanessa Imhoff ist Global Solutions Advisorin bei Safeguard Global. Ihr Job ist es, Unternehmen dabei zu unterstützen, ihre internationale Belegschaft aufzustellen und zu managen.