Aktives Zuhören wirkt sich unmittelbar auf die Zusammenarbeit und die Produktivität aus, sagt Elton Schwerzel, Managing Director DACH bei Cegid. Positive Effekte verspricht es vor allem in drei Bereichen.
Was einst so leicht fiel, wird nach zwei Jahren Homeoffice plötzlich zur Herausforderung: Smalltalk an der Kaffeemaschine, Projektarbeiten im Meetingraum und die tagtägliche Konfrontation mit den Vorgesetzten. Die physische Distanz im Homeoffice gab vielen Sicherheiten, die sie nun mit der Rückkehr ins Büro missen. Führungskräfte stehen vor der Herausforderung, den geschützten Raum des Homeoffice im Büro weiterleben zu lassen. Dafür müssen sie ihr Skillset um eine wichtige Kernkompetenz erweitern: Das aktive Zuhören.
Führungskompetenz beginnt beim Zuhören
Aktives Zuhören beschreibt nicht nur das bewusste Wahrnehmen einer Unterhaltung, sondern auch das Verstehen und Nachvollziehen ebendieser. Gerade in hierarchischen Organisationen dienen Führungskräfte als Vorbilder und beeinflussen die Basis für vertrauenswürdige Beziehungen. Vor diesem Hintergrund müssen sie für eine bessere unternehmensinterne Kommunikation zunächst einen Schritt zurücktreten – und das fällt vielen schwer. Den Mitarbeitenden bewusst zuzuhören und ihnen Möglichkeiten zu schaffen, sich auszusprechen, muss in Unternehmen als echte Kernkompetenz gehandhabt und vor allem entwickelt werden.
Denn für die Wandlungsfähigkeit und Resilienz einer Organisation ist das Wissen um die Fähigkeiten und Bedürfnisse der Mitarbeitenden von signifikanter Bedeutung. Ein Unternehmen entwickelt sich nur mit der Belegschaft weiter. Wenn Führungskräfte jedoch weder wissen, was die Belegschaft für effizientes Arbeiten benötigt, noch wo Know-how fehlt, können sie nicht das volle Potential ihres Humankapitals nutzen.
Die Auswirkungen von bewusstem Zuhören
Als empathische Methode der Mitarbeiterführung und -motivation drücken Führungskräfte durch das aktive Zuhören Wertschätzung und Respekt gegenüber den Mitarbeitenden aus. Zugleich profitieren sie durch den Austausch von dem Wissen ihrer Mitarbeitenden. Daher wirkt sich aktives Zuhören unmittelbar auf die Zusammenarbeit und damit die die Produktivität aus. In der Erfolgsbemessung der Methode sind besonders drei Bereiche wegweisend:
1. Festigung der Mitarbeiterbindung
Je mehr Führungskräfte zuhören, desto besser wird ihr Verständnis dafür, was Mitarbeitende tatsächlich brauchen. So knüpfen sie nicht nur auf lange Sicht engere Beziehungen zu ihren Teams, sie vermitteln ihren Mitarbeitenden auch die Gewissheit, dass sie selbst beim Auftreten von Hindernissen oder anderen Herausforderungen substanzielle Unterstützung erhalten, um erfolgreich zu sein. Diese Vertrauensbasis schafft ein besseres Arbeitsumfeld und festigt die Mitarbeiterbindung.
2. Kein Betriebsklima „lost in translation“
Gerade in der vom Homeoffice dominierten Zeit beklagen Mitarbeitende „Kommunikationsverluste“ und Missverständnisse. So fortgeschritten der digitale Austausch auch bereits ist: Einen Blick im Konferenzraum, der mehr sagt als tausend Worte, können Online-Meetings bislang noch nicht zufriedenstellend ersetzen. Es sind diese fehlenden feinen Nuancen in der zwischenmenschlichen Kommunikation, die das digitale Miteinander so schwer zu interpretieren und beeinflussbar machen.
Viele gewöhnten sich an die Passivität der Online-Meetings und fühlen sich nun im Konferenzraum von den vielen größtenteils unterbewussten Signalen der Teilnehmenden überfordert. Aus diesem Grund ist jetzt eine noch stringentere Konzentration auf das Zuhören zwingend erforderlich: Führungskräfte können durch ihre Zuhör-Kompetenz in Meetings die Atmosphäre beeinflussen, Missverständnisse frühzeitig erkennen und deeskalierend wirken, die Gespräche bleiben produktiv. So können Führungskräfte direkt positiv auf das Betriebsklima einwirken und Konflikte unterbinden, bevor sie entstehen.
3. Gestärkte Fehlerkultur für mehr Produktivität
Wird aktives Zuhören in der Unternehmenskultur etabliert, nimmt es den Mitarbeitenden einen Großteil des Drucks von den Schultern– selbst dann, wenn ab und zu Fehler auftreten. Die Mitarbeitenden werden dadurch selbstbewusster und ergreifen die Initiative, weil sie unter diesen Voraussetzungen nicht mit Versagensängsten konfrontiert werden. So wird den Mitarbeitenden auch ausreichend Platz und Zeit eingeräumt, um aus Fehlern zu lernen, ohne dass sie in eine anhaltende Defensivhaltung verfallen. Durch regenerative Führungskultur steigern Unternehmen auf diese Weise die Produktivität und profitieren von zufriedenen Mitarbeitenden.
Aktives Zuhören: Kompetenzlücke gezielt füllen
Bewusstes Zuhören klingt an sich zunächst einfach und plausibel, doch in der Praxis ist es nicht so leicht umzusetzen. Forschungsergebnisse zeigen: Menschen erinnern sich lediglich an etwa die Hälfte des Gehörten, sobald ihr Gesprächspartner zu reden aufhört. Das liegt vermutlich daran, dass Menschen während sie zuhören, bereits ihre Antwort planen, statt das Gesagte der anderen Person zu verinnerlichen. Mit etwas Training kann jedoch jeder das aktive Zuhören erlernen. Unternehmen sollten daher in Zuhör-Fortbildungen für ihre Führungskräfte ähnlich viel investieren, wie in Präsentations- oder Sprechtrainings.
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Elton Schwerzel ist Managing Director DACH bei Cegid. Er blickt auf mehr als 20 Jahre Berufserfahrung im Software-Sektor, u.a. in Management-Positionen bei SAP, OpenText und Workday, zurück. Der ausgebildete Fachinformatiker und Betriebswirt leitet das Cegid-DACH-Team von Köln aus und verantwortet die strategische Entwicklung innovativer Software-Lösungen. Sein Steckenpferd sind u.a. die Themen HR-Transformation, HR-Software und Recruiting.