Hochleistungsteams entwickeln: Psychologische Sicherheit als Schlüssel

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Hochleistungsteams entstehen nicht von selbst – sie sind das Ergebnis gezielter Führung. Ein zentraler Erfolgsfaktor: Psychologische Sicherheit. Hilde Rosenboom (ESMT Berlin) zeigt, wie Führungskräfte mit Haltung, Klarheit und Vertrauen Teams zu Spitzenleistungen befähigen – inklusive vier konkreter Maßnahmen und einer Checkliste zur Umsetzung.

Zielklarheit als Fundament

Selbst die besten Fachkräfte entfalten ihr volles Potenzial nur, wenn die Rahmenbedingungen stimmen. (Hackman, 2002) Eine dieser Rahmenbedingungen ist eine gemeinsame Sache. Solch eine übergeordnete Zielsetzung dient als Orientierung und motiviert, nicht nur ihre individuellen Aufgaben zu erfüllen, sondern aktiv an der Weiterentwicklung des Teams mitzuwirken.

Führungskräfte spielen hier eine essenzielle Rolle: Sie schaffen Klarheit darüber, welches übergeordnete Ziel verfolgt wird, warum es relevant ist und wie es mit der Gesamtstrategie des Unternehmens zusammenhängt. Dabei sollte die Führungsperson jedoch nur den Rahmen setzen, anstatt jeden einzelnen Schritt vorzugeben. Autonomie in der Umsetzung stärkt das Verantwortungsgefühl und fördert Eigeninitiative. Micro Management dagegen führt zum genauen Gegenteil – Mitarbeitende geben ihre Verantwortung an die Führungskraft ab und warten auf die nächste Aufgabe. (Bungay, 2011)

Hochleistungsteams – die Bedeutung psychologischer Sicherheit

Hochleistungsteams entwickeln: Psychologische Sicherheit als Schlüssel
Envato/Prostock-studio

Studien, unter anderem von Google, haben gezeigt, dass die sogenannte psychologische Sicherheit ein wichtiger Einflussfaktor auf die Teamperformance ist: Wenn Mitarbeitende befürchten, für Fehler oder kritische Fragen sanktioniert zu werden, bleibt wertvolles Wissen ungenutzt und neue Ideen werden erst gar nicht geäußert.

Mitarbeitende schweigen, wenn sie sich unsicher fühlen – ein Phänomen, das als „Employee Silence“ bekannt ist. Laut Milliken et al. (2003) haben 85 Prozent aller Mitarbeitenden schon einmal ein Thema nicht gegenüber ihrer Führungskraft angesprochen, obwohl es sie beschäftigte.

Ein offener Umgang mit Unsicherheiten und Herausforderungen hingegen fördert eine Teamkultur, die Kreativität und Problemlösungskompetenz stärkt, wie die Forschung von ESMT Berlin Professor Jan Hagen zeigt (Hagen, 2017).

Im Kern steht oft die Art und Weise, wie mit Fehlern umgegangen wird – sowohl im Team als auch von der Führungskraft. Unterscheidet sie zwischen vermeidbaren Fehlern, die aus Nachlässigkeit entstehen, und „intelligenten“ Fehlern, die Teil von Experimenten und Innovationsprozessen sind? Schließlich bieten letztere wertvolle Lernmöglichkeiten und sollten seitens der Führung als Entwicklungschance für das Team oder einzelne Mitarbeitende betrachtet werden. (Edmonson, 2023)

Führung mit Haltung: Demut und geteilte Verantwortung

Foto Teamwork
Envato/Rawpixel

Entscheidend ist, dass psychologische Sicherheit mit Verantwortungsübernahme kombiniert wird – nur dann befinden sich Mitarbeitende in der sogenannten Lernzone (Edmondson, 2018). Studien zeigen, dass demutsvolle Führungskräfte signifikant häufiger als kompetent, motivierend und vertrauenswürdig wahrgenommen werden (Frank, 2024). Eine demutsvolle Haltung generiert psychologische Sicherheit und stärkt gleichzeitig das Verantwortungsbewusstsein im Team.

Konkret heißt das, dass Hochleistungsteams von Führungskräften profitieren, die sich nicht als allwissende Entscheider verstehen, sondern als Moderierende, welche die Rahmenbedingungen für Erfolg schaffen. Eine demutsvolle Einstellung hilft, eigene Führungs-Stärken und Schwächen realistisch einzuschätzen, Teammitglieder gezielt zu fördern und sinnvoll zu delegieren. Wer seinen Mitarbeitenden zutraut, eigenständig Lösungen zu finden, stärkt deren Engagement, Leistung und Motivation nachhaltig.

Ein weiteres Merkmal für Hochleistungsteams ist ein sogenanntes „Shared Mindset“ – ein gemeinsames Selbstverständnis des Teams, welches über individuelle Rollen hinausgeht. Wenn Teammitglieder sich nicht nur als Einzelakteure, sondern als Teil eines größeren Ganzen wahrnehmen, steigt die Bereitschaft zur gegenseitigen Unterstützung und zur kollektiven Verantwortung für den Erfolg. (Haslam et al, 2022)

Praktische Maßnahmen zur Förderung psychologischer Sicherheit

Foto Frauen im Gespräch im Büro
Twenty20/@bluelily52

Führungskräfte fördern die Teamleistung, wenn sie eine Kultur schaffen, in der Offenheit, Vertrauen und kontinuierliches Lernen gefördert werden. Bewährte Ansätze sind:

1. Aktives Zuhören und konstruktives Feedback:

Führungskräfte sollten bewusst Raum für Meinungen und Ideen schaffen, gezielt nach Perspektiven fragen und aktiv zuhören (Hagen et al, 2020).

2. Fehlermanagement als Lernchance:

Fehler sollten systematisch analysiert und als Grundlage für Verbesserungen genutzt werden, anstatt nur Schuldige zu suchen. Neben vermeidbaren Fehlern gibt es auch sogenannte intelligente Fehler – unerwünschte Ergebnisse in neuen Kontexten, die wertvolle Lerngelegenheiten darstellen. Diese Unterscheidung ist zentral für den Aufbau einer lernorientierten Fehlerkultur (Edmondson, 1999, Hagen, 2022).

3. Erwartungen an Feedback reflektieren:

Ein häufiges Missverständnis ist, dass Feedback vor allem auf Kritik basiert. Tatsächlich ist gezieltes Lob oft wirksamer, um Leistungsbereitschaft und Engagement zu fördern.

4. Klare Verantwortlichkeiten und Entscheidungsfreiräume:

Teammitglieder sollten genau wissen, wofür sie verantwortlich sind, und gleichzeitig den nötigen Freiraum erhalten, eigenverantwortlich zu agieren.

Checkliste: Psychologische Sicherheit im Team erkennen und verbessern

  • Stellen Sie sich gezielte Reflexionsfragen, zum Beispiel: „Wann hat zum letzten Mal jemand eine (ungewöhnliche) Idee geäußert? Wann hat mich zum letzten Mal jemand in Frage gestellt?“ → So gewinnen Sie einen ersten Eindruck von der psychologischen Sicherheit Ihres Teams. Wenn Ihnen bald ein paar Beispiele einfallen, kann das ein Hinweis auf hohe psychologische Sicherheit im Team sein.
  • Ermöglichen Sie aktiven Informationsaustausch, um Silodenken zu verhindern. → Offene Kommunikation senkt Reibungsverluste und fördert Zusammenarbeit.
  • Sorgen Sie für klare Rollen und Zuständigkeiten – gerade in dynamischen Teams → Jeder soll wissen, was von ihm oder ihr erwartet wird.
  • Achten Sie auf inklusives Verhalten und adressieren Sie „Wir gegen die”-Denken direkt → Diversität braucht Zugehörigkeit, sonst entsteht unproduktive Distanz.
  • Stärken Sie ein gemeinsames Teamverständnis und Zielbild. → Ein „Shared Mindset“ fördert Engagement, Eigenverantwortung und Leistung.

Führung als kontinuierlicher Lernprozess

Der Aufbau eines Hochleistungsteams ist keine einmalige Aufgabe, sondern ein kontinuierlicher Prozess. Nur Führungskräfte, die eine Umgebung der psychologischen Sicherheit schaffen und erhalten können, ermöglichen es ihren Teams, ihr volles Potenzial zu entfalten. Der Schlüssel liegt darin, eine klare Richtung vorzugeben, Verantwortung zu teilen und eine offene, lernfördernde Kultur zu etablieren. Wer dies beherrscht, wird nicht nur bessere Teamleistungen erzielen, sondern auch eine nachhaltige Innovations- und Entwicklungskultur im Unternehmen verankern.

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Foto Hilde Rosenboom

Hilde Rosenboom ist Program Director an der European School of Management and Technology (ESMT Berlin) und Seminarleiterin des Programms "High Performing Teams führen". Sie coacht erfahrene Führungskräfte, die ihr Führungsverhalten reflektieren und optimieren möchten. Foto: ESMT/David Ausserhofer

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