Recruiting muss endlich als Dienstleistung verstanden werden – nicht als reine Verwaltungstätigkeit, sagt Stephanie Krüger, Head of Talent Acquisition bei der HR-Agentur HRtbeat. Wer veraltete Strukturen hinter sich lässt, kann mit der richtigen Recruiting-Software im Mittelstand Prozesse optimieren und Fachkräfte gezielter gewinnen. Wie Unternehmen die passenden Tools sinnvoll einsetzen, erklärt Stephanie Krüger in diesem aktuellen Überblick.
Die Lage auf dem Arbeitnehmermarkt bleibt in vielen Branchen angespannt und fordert Unternehmen heraus: Der offene Bedarf an qualifizierten Fachkräften ist so hoch wie nie. Es ist für Unternehmen dringende Notwendigkeit, die Attraktivität der Jobangebote zu hinterfragen, sie mit der Konkurrenz zu vergleichen und den Marktverhältnissen anzupassen, anstatt weiter an alten Gewohnheiten und Prozessen festzuhalten.
Die Gründe, weshalb sich qualifizierte Fachkräfte gegen bestimmte Arbeitgeber entscheiden, sind vielfältig, beginnen aber oft schon beim Recruiting und dem dazugehörigen Bewerbungsprozess. Die potenziellen oft stark umworbenen Kandidatinnen / Kandidaten bevorzugen schnelle und transparente Prozesse, eine klare Kommunikation sowie zeitnahe Rückmeldungen und Zwischenupdates. Im Gegenzug bieten viele Unternehmen jedoch immer noch einen ineffizienten und unpersönlichen Rekrutierungsprozesses, auch weil sie Investitionen und Ressourcen in Digitalisierung und Automatisierung scheuen.
Dabei wird häufig außer Acht gelassen, was die gut durchdachte und umgesetzte digitale Transformation an Ressourcen im HR-Team freisetzen kann. Diese Ressourcen werden dringend für stetig vielfältiger werdende andere Aufgaben benötigt. Darüber hinaus können außerdem laufende Recruitingkosten reduziert werden.
Recruiting muss endlich als Dienstleistung verstanden und gelebt werden, nicht mehr als Verwaltungstätigkeit. Das funktioniert aber nur, wenn man den Bereich entsprechend ausstattet.
Weg von alten Strukturen – hin zu mehr Effizienz

In mittelständischen Unternehmen sind oft nur wenige Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter für alle Personalangelegenheiten zuständig, von der Lohn- und Gehaltsabrechnung über arbeitsrechtliche Fragen bis hin zur Personalbeschaffung und vielem mehr. Das Anforderungsportfolio von HRlern hat sich bereits fundamental verändert und wird immer umfangreicher. Das bindet vor allem in alten System- und Prozessstrukturen sehr viele, häufig unnötige Kapazitäten. Ziel muss es also sein, alle Aufgabenbereiche in der Personalabteilung so effizient wie möglich aufzustellen und so viele Aufgaben wie möglich zu automatisieren.
Auch im Recruiting gibt es hier wirklich viele Möglichkeiten, durch Softwarelösungen den Bewerbungsmanagement-Prozess im Mittelstand effizienter zu gestalten, zusätzlich die Qualität der Einstellungen zu verbessern und eine positive Kandidatenerfahrung zu schaffen. Man sollte aber immer im Auge behalten, dass auch Empathie und Kultur eine große Rolle im Recruiting und Employer Branding spielen, wenn man wirklich punkten will.
Und ganz wichtig: Allein die Anschaffung von IT ist nicht die Lösung – sie muss auch in Unternehmensprozesse integriert werden können und von den HRlern akzeptiert sowie genutzt werden. Dann werden auch wieder Kapazitäten für die wichtigen strategischen Themen frei.
Wie kann Recruiting-Software im Mittelstand konkret helfen?

Bewerbermanagement-Systeme dienen zum Beispiel nicht nur der Verwaltung des Bewerbungseingangs. Effizienter gestaltet sich der Bewerbungsprozess auch durch die automatisierte Nachverfolgung, die in der Realität häufig schon nicht mehr genutzt wird. Hilfreich sind dabei auch Recruiting-Tools, die Vorstellungsgespräche selbstständig planen. Um eine erste Vorhersage zu treffen, welche Kandidatinnen / Kandidaten am besten zur Unternehmenskultur und den Anforderungen passen, eignen sich „Predictive Analytics“.
Der Aufbau von Talentpools, die bestehende Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter ebenso berücksichtigen wie Bewerberinnen / Bewerber, um Profile für potenzielle Kandidatinnen / Kandidaten zu erstellen, sind dabei zu empfehlen. Um eine große Reichweite zu erzielen und gezielt nach Talenten zu suchen, eignen sich soziale Plattformen wie LinkedIn, GitHub, Stack Overflow und viele andere. Hier können Stellenanzeigen durch „Programmatic Job Advertising“ automatisch platziert werden. Zudem fördern „Employee Referral Programs“ Mitarbeiterempfehlungen und unterstützen so den Rekrutierungsprozess.
Ein wichtiger Faktor ist es, die Kandidatenerfahrung zu verbessern. Wichtig sind: Eine personalisierte Kommunikation durch transparent gekennzeichnete automatisierte E-Mails und Benachrichtigungen, Tools zur Einholung und Auswertung von Feedback der Bewerber sowie die Möglichkeit, dass Bewerberinnen / Bewerber den Status ihrer Bewerbungen in Echtzeit verfolgen können. Das können kleine HR-Teams ohne die entsprechende gut konzipierte digitale Unterstützung gar nicht mehr lückenlos gewährleisten.
Arbeitgeber können bei der Vorauswahl und Bewertung von Bewerberinnen / Bewerbern auf verschiedene Hilfsmittel zurückgreifen. Dazu gehören Video-Interview-Plattformen, KI-gestützte Recruiting-Tools zur Analyse von Lebensläufen und Online-Assessment-Tools zur Bewertung der Fähigkeiten der Bewerber. Der Einsatz von Collaboration Tools wie Slack, Microsoft Teams oder Trello sowie Dashboard- und Reporting-Tools zur Nachverfolgung von KPIs und zur Unterstützung datenbasierter Entscheidungen erleichtern die Auswahl.
Damit kann eine effiziente Zusammenarbeit und Kommunikation im Recruitingteam (dazu gehören auch die Fachbereiche!) gewährleistet werden. Die Anwendung von Bias-Freien-Algorithmen und anonymisierten Bewerbungen helfen Diversität und Inklusion zu fördern sowie gesetzliche Vorgaben einzuhalten.
Wie trägt Künstliche Intelligenz (KI) zu einem erfolgreichen Recruiting bei?

KI ist bereits in viele der genannten IT-Lösungen zumindest teilweise integriert. Was man jedoch im Blick behalten sollte: Die menschliche Komponente ist im Recruiting mindestens genauso wichtig. Tolle Möglichkeiten bieten sich, wenn beide zum Team werden und sich gegenseitig richtig verstehen. Wichtig zu beachten ist, dass Rekrutierungsteams befähigt sein müssen, KI-generierte Ergebnisse zu hinterfragen und zu korrigieren. Denn zahlreiche KI-generierten Ergebnisse sind derzeit noch fragwürdig und zu diskutieren.
Fakt ist: KI wird nur noch besser werden und man sollte lieber jetzt anfangen, sie ins Team einzubinden, um nicht von dem nächsten wichtigen Transformationsprozess abgehängt zu werden.
Konkret kann KI bereits heute Aspekte vom Lebenslauf-Screening über Video-Interview-Analysen und Assessments, 24/7 (echte) KI-Chatbots zur Betreuung der Bewerberinnen / Bewerber und der Erkennung von Mustern und Fähigkeiten und Erfahrungen der Bewerberinnen / Bewerber bis zur Datenanalyse und Entscheidungsunterstützung abdecken.
Ein besonders spannendes Tool ist „Predictive Workforce Analytics“, dadurch wird mittels KI die Mitarbeiterbindung und Karriereentwicklung analysiert. Es ermöglicht Vorhersagen über bevorstehende Kündigungen und kann Weiterbildungsmöglichkeiten empfehlen. All diese Themen können auf den eigenen Recruiting-Bedarf einwirken und diesen damit nach unten regulieren.
Recruiting-Software im Mittelstand – Fazit
Der Einsatz von HR-Software kann ein passendes Tool sein, wenn sie sinnvoll ausgewählt und in die eigenen Unternehmensprozesse integriert wird. Allein die Anschaffung von Software-Programmen bewirkt noch keine positive Veränderung. Sie muss auch in ihren Mechanismen verstanden und akzeptiert werden, um effizient genutzt werden zu können. Personalerinnen / Personaler müssen in der Lage sein, kompetent mit Recruiting-Software umzugehen, Ergebnisse kritisch zu hinterfragen und zu korrigieren.
Fakt ist: Gerade kleine und mittelständische Unternehmen dürfen sich der derzeitigen Transformation nicht verschließen und müssen stets offen für neue Technologien und Entwicklungen sein. Nur so können kleine HR-Teams gemeinsam mit den Fachbereichen auch in Zukunft die fähigsten Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter für das eigene Unternehmen begeistern und dafür sorgen, dass sie gehalten werden können.
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Stephanie Krüger ist seit Januar 2022 als Head of Talent Acquisition mit an Bord der HR-Agentur HRtbeat. Sie ist Expertin für alle Recruitingthemen und verbindet unternehmerisches Denken und Businessverständnis mit einer sehr hohen Kunden- und Mitarbeiterorientierung. Foto: Jennifer Aengst