Die Rolle von HR hat sich von einer administrativen zu einer strategischen Schlüsselposition gewandelt. Petra Schneider, Head of HR bei Cognizant DACH, beschreibt, was New HR ausmacht. Welche Trends prägen das Personalwesen der Zukunft und wie können sich Personalerinnen und Personaler darauf vorbereiten? Gefragt sind auf jeden Fall exzellente Change Management Skills.
Bewerbung, Betriebsrat, Payroll – früher der Löwenanteil der HR-Arbeit, machen diese Themen nunmehr einen Bruchteil der Arbeitsrealität von Personalverantwortlichen aus. Noch vor 15 Jahren war es untypisch, Personalverantwortliche in C-Level-Meetings anzutreffen. Mit dem „New Work“-Paradigmenwechsel hat sich die Rolle der HR nach innen und außen radikal gewandelt: vom Support zur Strategie, von der Verwaltung zur (Mit-)Gestaltung.
Entsprechend sind Personalverantwortliche im Rahmen von New HR gefragt, eine unternehmerische Perspektive einzunehmen. Dabei dürfen sie nicht die Rechnung ohne die KI machen: Bis zum Jahr 2032 werden 90 Prozent aller Stellen von KI betroffen sein. Das ergibt eine aktuelle Studie von Cognizant, bei der über 1.000 Berufe und insgesamt über 18.000 Arbeitsaufgaben untersucht wurden. Was genau bedeutet die neue, digitale Arbeitswelt für Personalerinnen und Personaler?
Trend 1: Change Management als Kernkompetenz
Das Aufgabengebiet der HR wird immer vielfältiger und differenzierter. Während etliche Unternehmen Teilbereiche wie das Payroll Management oder das Recruiting von der HR entkoppeln, kommen immer neue Aufgaben und Berührungspunkte hinzu.
So sind das Auseinandersetzen mit Datenschutzregularien für HR Verantwortliche nicht mehr wegzudenken. Hinzu kommen zahlreiche weitere Themen, die mit Sachverständnis und Fingerspitzengefühl begleitet werden müssen – von Remote Work und internationale Teams über neue Rollen und Abteilungen innerhalb eines Unternehmens, bis hin zu Wertvorstellungen der jüngeren Generationen.
Dieser Wandel verlangt von der HR exzellente Change-Management-Kompetenzen, und zwar auf mehreren Ebenen: in ihrem eigenen Selbst- und Rollenverständnis einerseits, so wie als Begleiter des Wandels im Unternehmen andererseits.
Trend 2: Mehr fachliches Verständnis von HR gefragt
Personalverantwortliche benötigen im Rahmen von New HR ein noch tieferes praktisches Verständnis der Bereiche und den Herausforderungen, mit denen diese konfrontiert sind. Worauf kommt es in der Praxis an; welche KPIs und Prozesse sind ausschlaggebend? Wenn sie die Realität hinter Kennzahlen wie der Fluktuationsrate einer Abteilung verstehen, können sie die Situation richtig deuten, auch künftige Bedarfe antizipieren und die richtigen Weichen für die Zukunft stellen.
Auch der Wandel in der Feedback-Kultur erfordert eine tiefere Auseinandersetzung mit den einzelnen Aufgaben. Früher heiß umstritten, sind Performance-Management-Systeme aus dem zunehmend prozessorientierten Personalwesen nicht mehr wegzudenken. Spannend dabei ist zu beobachten, wie bei New HR das Korsett der klassischen Zielvereinbarung mit harten Kennzahlen und erfolgsbasierten Boni gelockert wird. Konstruktives, authentisches Feedback auf Augenhöhe sowie individuelle Entwicklungsmöglichkeiten sind immer wichtigere Hebel, um in einem nach wie vor umkämpften Arbeitsmarkt wertvolle Talente langfristig zu binden.
Trend 3: Von der Qualifikation zum Skill
Wenn generative KI viele Routine-Aufgaben trivialisiert, müssen beim Recruiting ganz andere Faktoren berücksichtigt werden als der akademische Abschluss, die bisherigen beruflichen Stationen oder Positionsbezeichnungen. Statt Abschlüssen und Qualifizierungen wird immer gezielter nach Skills gesucht.
Bei den Soft Skills sind kritisches Denkvermögen, Kreativität sowie Lernbereitschaft hoch im Kurs. In diesem Kontext sind „krumme“ Lebensläufe nicht zwangsläufig ein K.O.-Kriterium, sondern ein Indiz dafür, dass Kandidatinnen / Kandidaten über ebendiese Flexibilität verfügen. Grundsätzlich gewinnt die Frage an Bedeutung, ob Kandidatinnen / Kandidaten nicht nur fachlich passen, sondern auch menschlich in ein Team. Denn dieser „Cultural Fit“ ist entscheidend, damit gewonnene Talente auch langfristig bleiben.
Trend 4: Upskilling ist das neue Recruiting
Mit dem Einzug von GenAI im Arbeitsalltag verlangen viele Rollen und Qualifikationsprofile nach einem Update. Hier wird der HR gemeinsam mit der Unternehmensführung die Pflicht zuteil, den fachlichen und strukturellen Rahmen zu schaffen, damit die Teams souverän und strategisch mit generativer KI und anderen digitalen Tools umgehen können. Beim Aufbau von Kompetenzen setzt fast die Hälfte der von Cognizant befragten Führungskräfte auf die Weiterentwicklung bestehender Talente. Hier tritt die HR als Change Manager und Enabler des kontinuierlichen Lernens auf.
Und bei immer mehr IT-Themen ist die HR Teil der Diskussion, denn Themen wie Datenschutz, die Wahl digitaler Tools oder der rechtliche Umgang mit KI-generierten Inhalten betrifft das Personalwesen unmittelbar.
Trend 5: Diversität wird Realität
Die gestalterische Rolle der HR kommt im Bereich D&I (Diversity & Inclusion) besonders zutage. Wenn gerade in internationalen Unternehmen unzählige Kulturen, Mentalitäten und Lebensrealitäten aufeinandertreffen, schafft die HR einen Rahmen für ein produktives Miteinander – auf rechtlicher, aber auch auf (inter-)kultureller Ebene. D&I – und damit auch die Verantwortung der HR – erstreckt sich von hochpsychologischen Themen wie “Unconscious Bias” bis zu ganz handfesten Details wie der veganen Option beim Event-Catering oder der Entscheidung, wie man die „Weihnachtsfeier“ inklusiver benennt.
Fazit – New HR
Kurzum: Die strategische Rolle der HR ist nicht von der Hand zu weisen und geht weit über das Recruiting, Payroll Management oder Learning Development hinaus. Personalentscheidungen spiegeln sich unmittelbar im Vertriebserfolg eines Unternehmens wider. So ist Beobachtungen von Cognizant zufolge eine hohe Fluktuationsrate – und damit verbunden ständig wechselnde Ansprechpartner – einer der häufigsten Gründe, warum sich Kunden gegen einen bestimmten Partner entscheiden. Und auch wenn sich viele Bereiche des Personalwesens weiterentwickeln, bleibt eines gleich: die menschliche Komponente als Kernkompetenz und Mission der HR. Denn bei aller Digitalisierung wird Empathie nicht aus der Mode kommen.
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Petra Schneider ist Head of HR bei Cognizant DACH. Als Teil der Geschäftsführung fördert sie den Wandel ihrer Abteilung hin zum Geschäftstreiber. Dabei greift Petra Schneider auf einen umfangreichen Erfahrungsschatz in der Tech-HR zurück. Zu ihren beruflichen Stationen zählen Unternehmen wie Avnet Technology Solutions, Tech Data, aber auch METRO. Foto: Cognizant Technology Solutions