VW als Lehrstück: Warum Top-Manager:innen besser mit Betriebsräten kommunizieren müssen

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Der Umgang mit dem Betriebsrat ist ein Paradebeispiel dafür, wie sehr die kommunikativen Fähigkeiten von Top-Manager:innen über Erfolg oder Misserfolg unternehmerischer Initiativen entscheiden können. Das Beispiel VW bestätigt diese Aussage. Kaan Bludau, Geschäftsführer von BludauPartners Executive Consultants, argumentiert hier, warum eine starke Führungskommunikation die Basis für langfristigen Erfolg ist.

Die Rolle von Top-Managerinnen / Top-Managern hat sich im Laufe der letzten Jahrzehnte stark gewandelt. Wo früher vor allem strategisches Know-how und Fachkompetenz im Vordergrund standen, gewinnen heute die sogenannten „weichen“ Faktoren, wie zum Beispiel Kommunikationsfähigkeiten und Empathie immer mehr an Bedeutung. Die Zusammenarbeit und der adäquate Umgang mit Betriebsräten beispielsweise ist dabei eine besonders anspruchsvolle Aufgabe, die maßgeblich zum Unternehmenserfolg beitragen kann.

Vielen Managerinnen / Managern fällt es jedoch schwer, effektiv zwischen Top-Management, Belegschaft und weiteren Stakeholdern zu vermitteln. Ein prominentes Beispiel ist Volkswagen (VW), wo die schwierige Beziehung zwischen Management und Betriebsrat – stellvertretend für die Situation in vielen deutschen Konzernen – Schlagzeilen macht.

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Die Kommunikation zwischen Top-Managerinnen / Top-Managern und Betriebsräten: Wie sie sein muss und wie sie sich verändert hat

Heute bestehen gegenseitige Erwartungen zwischen Betriebsrat und Management hinsichtlich einer transparenten, klaren und respektvollen Kommunikation, um gemeinsam tragfähige Lösungen für aktuelle Herausforderungen zu entwickeln. Die Kommunikation ist dadurch heute anspruchsvoller als in der Vergangenheit, da wirtschaftliche, rechtliche und gesellschaftliche Faktoren stark ineinandergreifen und eine Komplexität erzeugen, die nicht mit einfachen Ursache-Wirkungsbeziehungen erklärbar sind.

VW als Lehrstück: Warum Top-Manager:innen besser mit Betriebsräten kommunizieren müssen
©Volkswagen AG / Matthias Leitzke

Bei VW beispielsweise ist das Verhältnis zwischen Betriebsrat und Unternehmensführung durch gegenseitige Abhängigkeit geprägt: Die Belegschaft ist einer der wichtigsten Erfolgsfaktoren, gleichzeitig beeinflussen Entscheidungen des Managements bspw. zur Standortplanung oder Investitionen unmittelbar die Zufriedenheit der Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter.

Die Situation kennen viele Großkonzerne aktuell nur zu gut. Was Top-Managerinnen / Top-Manager daher heute auf jeden Fall mitbringen müssen, sind Charisma, Empathie, Mut und eine gewisses Maß an Risikobereitschaft, um die verschiedenen Interessen von Belegschaft, Betriebsrat und weiteren Stakeholdern miteinander verbinden zu können und glaubhafte Lösungswege für Konflikte aufzuzeigen. Der klassische – und leider hierzulande immer noch häufig anzutreffende – Managementansatz, bei dem Entscheidungen top-down getroffen wurden, funktioniert unter den heutigen dynamischen Rahmenbedingungen größtenteils nicht mehr.

Eine mangelnde Kommunikationskompetenz führt oft dazu, dass Missverständnisse oder sogar Konflikte entstehen, die den Zusammenhalt, die Stimmung und die Effizienz im Unternehmen beeinträchtigen. Insbesondere Top-Managerinnen / Top-Manager müssen sowohl „am Unternehmen arbeiten“, indem sie die langfristige Vision und Werte pflegen, als auch „im Unternehmen“ agieren, also nahbar und für alle Ebenen ansprechbar sein, um deren Bedürfnisse, Ideen kennenzulernen, aber auch Ängste zu verstehen.

Die Bedeutung der Kommunikationsfähigkeit für den Unternehmenserfolg

Unternehmen erkennen das zunehmend und wissen um die Bedeutung und Schlüsselrolle, die die Kommunikationsfähigkeit bei erfolgreichen Führungskräften einnimmt. Gute Kommunikation mit dem Betriebsrat trägt beispielsweise zur Vermeidung von Konflikten bei, fördert das Vertrauen, die Zuversicht und erleichtert den Umsetzungsprozess von unternehmerischen Veränderungen.

Managerinnen / Manager sehen die Kommunikation und die Förderung von Austausch zunehmend als zentralen Kernprozess moderner Führungsarbeit. Sie wissen aber auch, dass damit ein erhebliches zeitliches Investment verbunden ist. Für viele Top-Managerinnen / Top-Manager ist die direkte Kommunikation und der gemeinsamen Aushandlungsprozess von tragfähigen Lösungen mit dem Betriebsrat eine Herausforderung, die weit über klassische Managementfähigkeiten hinausgeht.

Managerinnen / Manager müssen nicht nur die Unternehmensziele im Blick haben, sondern auch die Interessen der vielfältigen Stakeholder einbeziehen und dies gegenüber dem Betriebsrat vermitteln. Die Herausforderung liegt dabei häufig darin, komplexe wirtschaftliche Entscheidungen verständlich und transparent zu kommunizieren, was nicht immer gelingt.

Foto Bill Anderson
Bill Anderson ©Bayer AG

Ein gutes Beispiel ist der CEO von Bayer. Bill Anderson, ein Amerikaner, der einen klaren Kontrast zum Bild vieler anderer Top-Managerinnen / Top-Manager in Europa abgibt. In seiner Anfangszeit hat er sich die Zeit genommen, mit allen Ebenen im Unternehmen (Führungskräfte, Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter, Interessengruppen) persönlich zu sprechen und deren Anliegen, Bedürfnisse und Sorgen zu verstehen. Nur so entstand eine Basis für eine vertrauensvolle Kommunikationsebene, die heute bei vielen Manager-Betriebsrat-Beziehungen schlicht brüchig ist oder gar ganz fehlt.

Fehlende Vermittlungskompetenz und der Einfluss von Personalberatern

Doch wessen Versäumnis ist das? In vielen Fällen mangelt es Managern / Managerinnen an der Fähigkeit zur Vermittlung ganz einfach deswegen, da sie diese nicht im Rahmen ihrer Ausbildung erlernt haben. Kommunikationsfähigkeiten werden oft nicht als zentrale Kernkompetenz in den Managementprogrammen vermittelt, und so stehen viele Führungskräfte vor der Aufgabe, diese Fähigkeiten erst im Laufe ihrer Karriere zu entwickeln. Doch gerade bei Themen wie der Digitalisierung oder Transformation der Arbeitswelt ist eine Vermittlungskompetenz wichtig, um den Betriebsrat mit ins Boot zu holen und langfristige, gemeinsam getragene Lösungen zu finden.

Personalberaterinnen / Personalberater können hier eine wichtige Rolle spielen, wenn es darum geht, Kommunikationskompetenzen abseits der reinen fachlichen Eignung bei potenziellen Führungskräften zu identifizieren. Sie nutzen dafür verschiedene diagnostische Instrumente, um die Kommunikations- und Vermittlungsfähigkeiten der Kandidaten zu prüfen.

Folgen fehlender Kommunikationsfähigkeiten und potenzielle Gefahren für die deutsche Wirtschaft

Unternehmen haben erkannt, dass diese Fähigkeit zum Handwerkszeug von Top-Managerinnen / Top-Managern gehören muss, denn sie erleben die Konsequenzen eines Fehlens dieser Eigenschaft hautnah – nicht zuletzt im Niedergang der Relevanz bei Kunden und am Markt insgesamt. Denn ein Mangel an Kommunikationsfähigkeiten bei Führungskräften hat nicht nur theoretisch weitreichende Konsequenzen für das Unternehmen: Fehlt die Fähigkeit, zwischen verschiedenen Interessensgruppen zu vermitteln, kann das zu erheblichen Spannungen führen.

Betriebsratsgremien haben beispielsweise das gesetzliche Recht, bei vielen Entscheidungen mitzuwirken oder sie zu blockieren. Dies wiederum kann sich negativ auf die Innovationskraft und damit letztendlich auf die Zukunftsfähigkeit und die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens sowie das Engagement der Mitarbeiterinnen auswirken. Ohne eine offene und konstruktive Kommunikation zwischen Management und Betriebsrat entstehen oft Konflikte, die eine erfolgreiche Umsetzung strategischer Initiativen nachhaltig behindern.

Foto Volkswagen Wolfsburg
©Volkswagen AG / Kai-Uwe Knoth

Gerade die Automobilindustrie befindet sich in einem großen Wandel, der nach einer angemessenen Kommunikation verlangt. Die Transformation hin zu Elektromobilität und Digitalisierung setzt alle Beteiligten unter Druck und erfordert große Investitionen und eine Neuorientierung. Dieser Transformationsprozess kann nur im Schulterschluss aller Beteiligten, insbesondere zwischen Management und Betriebsrat, erfolgreich gelingen.

Die Kommunikationsfähigkeit von Top-Managerinnen / Top-Managern, insbesondere im Umgang mit Betriebsräten, ist für den langfristigen Unternehmenserfolg unerlässlich. Die Fähigkeit zur Vermittlung zwischen verschiedenen Stakeholdern ist zu einem wichtigsten Erfolgsfaktoren für Führungskräfte geworden. Während Unternehmen zunehmend in die Entwicklung dieser Kompetenzen investieren, bleibt die Identifikation solcher Fähigkeiten eine Herausforderung. Egal, ob man inhouse nach Managern mit dieser Kompetenz sucht oder entsprechende Kandidaten von außen finden und für sich gewinnen muss.

Langfristig ist eine klare, transparente Kommunikation die Basis für Vertrauen, Zusammenarbeit und Fortschritt im Unternehmen. Der Umgang mit dem Betriebsrat ist ein Paradebeispiel dafür, wie sehr Kommunikationsfähigkeiten über den Erfolg oder Misserfolg von unternehmerischen Initiativen entscheiden können. Gerade in einem Umfeld wie dem von Volkswagen zeigt sich, dass eine starke Führungskommunikation die Basis für den langfristigen Erfolg ist. Es liegt an den Unternehmen, Kommunikationsfähigkeiten als strategische Kompetenz zu fördern und Managerinnen / Managern entsprechend auszuwählen und weiterzubilden.

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Foto Kaan Bludau

Kaan Bludau ist Gründer und Geschäftsführer der BludauPartners Executive Consultants GmbH und Inhaber der GEMINI Executive Search GmbH. Seit über 25 Jahren betreut Bludau marktführende Mittelständler, Großkonzerne und Familienbetriebe bei der Besetzung von Management- und Spezialistenpositionen.

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