GenAI-Tools können die Arbeitsabläufe im HR-Umfeld konkret verbessern. Ein systematisches Vorgehen ist erforderlich, um die Belegschaft zum erfolgreichen Einsatz von GenAI zu befähigen. Sabrina Albrecht, Chief People Officer bei valantic, schildert, wie ihr Unternehmen bei der Einführung vorgegangen ist.
Generative Künstliche Intelligenz (GenAI) hat das Potenzial, Arbeitsabläufe in nahezu allen Unternehmensbereichen zu verändern. HR-Abteilungen werden dabei auf verschiedenen Ebenen von der Transformation erfasst: So können moderne KI-Assistenten Mitarbeitende schon jetzt spürbar von repetitiven Aufgaben entlasten, etwa beim Verfassen von Stellenanzeigen oder bei der Korrespondenz mit Kandidatinnen und Kandidaten.
Der beispiellose Hype um generative Künstliche Intelligenz ebbt langsam ab und weicht einer Debatte über die tatsächliche Praxistauglichkeit von GenAI. Immer konkreter zeichnen sich die Einsatzszenarien in verschiedenen Aufgabenbereichen ab und es zeigt sich: GenAI ist gekommen, um zu bleiben. Insbesondere im Bereich Human Resources sind die Potenziale reichhaltig. Einer Studie der Boston Consulting Group zufolge hat GenAI das Potenzial, die Produktivität entlang der gesamten Prozesskette in HR-Abteilungen in naher Zukunft um bis zu 30 Prozent zu steigern.
Sollten wir deshalb ab sofort nur noch den KI-Chatbots die Kommunikation mit interessanten Talenten überlassen? Nein, sicher nicht. Sollte KI eigenständig vakante Positionen besetzen? Ebenfalls ein klares Nein. Und dennoch: Vor allem bei klassischen repetitiven Textaufgaben gibt es vielseitige Einsatzmöglichkeiten für sogenannte LLMs (Large Language Models).
Schauen wir uns das Beispiel einer Stellenanzeige an – in vielen Unternehmen fallen davon pro Jahr Hunderte oder sogar Tausende an: Mussten Mitarbeitende im Recruiting früher zur Texterstellung von Anzeigen zunächst im Archiv nach Mustern suchen oder selbständig einen neuen Entwurf erstellen, können sie heute ein KI-Tool mit einem vordefinierten Prompt füttern. Dieser gibt die relevanten Schlüsselwörter und ein Textgerüst vor, woraus sich schnell eine komplette Stellenanzeige generieren lässt, die nur noch feinjustiert werden muss. Statt mehrerer Stunden ist eine solche Aufgabe heute in rund 30 Minuten erledigt.
Passgenaue Kandidatenansprache mit dem richtigen Prompt
Auch für die Zusammenfassung langer Interview-Mitschriften oder für das Active Sourcing kann generative KI eine wertvolle Hilfe sein. Wo das Anschreiben interessanter Kandidatinnen und Kandidaten, etwa bei LinkedIn, früher auf Basis von Word Templates geschah, die vor dem Versand individualisiert werden mussten, kann heute ein vorgefertigter Prompt genutzt werden. In diesen fließt direkt das Kandidatenprofil ein, um passgenaue Texte zu generieren. Auch wenn Formulierungen sicher noch etwas Feinschliff benötigen, lässt sich mit diesem Vorgehen viel Zeit sparen.
Selbst bei der weiterführenden Kommunikation kann generative KI einen wertvollen Beitrag leisten. Schließlich bedarf es oft eines schriftlichen Austauschs mit Dutzenden von Bewerberinnen und Bewerbern, ehe eine wichtige Position besetzt ist. Auch hier lassen sich Inhalte nach strategischen Parametern vereinheitlichen, standardisieren und gleichzeitig ohne großen Mehraufwand im gewünschten Maße individualisieren.
Persönliche Kommunikation von Mensch zu Mensch bleibt wichtig
Auch in der Kommunikation in sozialen Medien kann GenAI unterstützen, etwa bei der Erstellung von Employer Branding Content für Karrierenetzwerke, indem die gewünschte Tonalität und bestimmte Wordings bereits in standardisierten Prompts angelegt sind. Gleichzeitig können in Sekundenschnelle kreative Impulse von der KI einfließen, auf Wunsch spuckt sie direkt mehrere verschiedene Textvarianten zum Vergleich aus. GenAI kann Texte schreiben, die automatisch mit Hashtags und Emojis versehen sind. Ist die KI ausreichend trainiert, platziert sie entsprechende Textelemente treffsicher und steigert damit die Reichweite von Postings.
Während GenAI bei repetitiven Themen ein großer Produktivitätshebel sein kann, bleibt es jedoch wichtig, im richtigen Moment auf persönliche Kommunikation umzuschalten. KI hilft enorm, wenn es darum geht, viele Personen in kurzer Zeit zu adressieren, den tiefer gehenden Austausch mit aussichtsreichen Kandidatinnen und Kandidaten sollten aber weiterhin Menschen übernehmen. Schließlich geht es darum, im Bewerbungsprozess auch eine persönliche Verbindung zu schaffen, was nicht gelingt, wenn man die Konversation vollständig der KI überlässt.
Effizienzgewinne durch generative KI fallen nicht vom Himmel
Ebenso müssen Unternehmen zunächst einige Hürden überwinden, ehe GenAI-Werkzeuge zu den skizzierten Produktivitätsgewinnen führen können. Da wäre zunächst die Datenschutzproblematik: Laut einer Studie des Netzwerkausrüsters Cisco unter Datenschutzexpertinnen / -experten beschränken 76 Prozent der deutschen Unternehmen die Dateneingabe beim Einsatz von GenAI-Tools, 69 Prozent regeln, welche Werkzeuge Mitarbeitende in der täglichen Arbeit nutzen dürfen. 35 Prozent verbieten den Einsatz aus Datenschutzbedenken gleich vollständig.
Gerade HR-Abteilungen hantieren vielfach mit personenbezogenen Daten. Hier sind Compliance-Vorgaben zum Umgang mit GenAI-Tools essentiell. KI-Softwarelösungen sollten in abgesicherten IT-Umgebungen betrieben werden, sodass keine sensiblen Informationen mit Dritten geteilt werden.
HR muss Enabler für die ganze Belegschaft sein
Klar ist: Die Belegschaft zum Einsatz von GenAI zu befähigen, erfordert eine systematische Herangehensweise. Lediglich ein Tool für die Mitarbeitenden ausrollen und sie dann mit der Technologie allein zu lassen, wäre zu kurz gedacht. In vielen Unternehmen gibt es hierbei aber Nachholbedarf: Der aktuellen TÜV-Weiterbildungsstudie zufolge haben Mitarbeitende bislang nur in jedem achten der befragten Unternehmen KI-Weiterbildungen besucht.
Dabei sind solche Schulungen elementar, um Vorbehalte abzubauen und das richtige Prompting für GenAI-Werkzeuge zu erlernen. Anstelle von Zurückhaltung sollten Unternehmen beim Megathema KI viel mehr proaktiv in das Enablement ihrer Belegschaft investieren. HR muss bei der KI-Transformation zur treibenden Kraft werden.
Im Rahmen der Schulung unserer 4.000 Mitarbeitenden haben wir bei valantic viel positives Feedback für unseren didaktischen Ansatz erhalten. Hierbei haben wir zum Einstieg auf einen Mix aus Theorie und Praxis gesetzt. Initial wurden grundlegende Fragen zu den technologischen Hintergründen von generativer KI geklärt. Wie funktionieren Sprachmodelle? Worauf gilt es mit Blick auf Compliance-Regeln zu achten? Was sind Halluzinationsfallen bei GenAI und wie lassen sie sich umgehen? Doch wir sind überzeugt, dass gleichzeitig ein schneller Einstieg in die Praxis wichtig ist.
Am Ball bleiben: Vertiefung durch individuelle Lernpfade
Mitarbeitende sollten unmittelbar in ihrem Arbeitsumfeld den Einsatz von KI trainieren und realistische Use Cases für ihre Jobrolle kennenlernen. Idealerweise stellen Unternehmen ihren Mitarbeitenden bereits während eines Einführungsworkshop einen persönlichen AI Coworker zur Seite, der in einer sicheren und Compliance-konformen IT-Umgebung gehostet wird, und mit dem sie das Erlernte direkt in die Alltagspraxis überführen können.
Für unsere Mitarbeitenden bei valantic haben wir 2023 ebenfalls einen persönlichen Chatbot ausgerollt, der derzeit das Sprachmodell GPT-4 von OpenAI nutzt. Unsere Kolleginnen und Kollegen können die Lösung seit dem ersten Kennenlernen im Kick Off-Workshop zur Bewältigung ihrer täglichen Aufgaben frei nutzen. Ein Service, den wir auch unseren Kunden anbieten – sowohl mit Blick auf die technologische Infrastruktur als auch das dazugehörige Capability-Building-Programm.
Außerdem ist es wichtig, dass HR den Mitarbeitenden in einem Themenfeld wie KI, das sich so rasend schnell weiterdreht, fortlaufend bei der Weiterentwicklung zur Seite steht. Etwa durch individuelle Lernpfade, die sich auf GenAI-Einsatzszenarien im jeweiligen Arbeitsumfeld beziehen. So haben die Mitarbeitenden die Möglichkeit, beim Thema KI up-to-date zu bleiben und in ihrem Job das Beste aus den neuen Möglichkeiten rauszuholen. Denn es muss klar sein: Generative KI allein wird nicht zu den erhofften Produktivitätsgewinnen führen, es kommt auf qualifizierte Mitarbeitende an, die die KI-Werkzeuge richtig einzusetzen wissen.
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Sabrina Albrecht ist Chief People Officer bei valantic, einer Digitalisierungsberatung mit rund 4.000 Mitarbeitenden. Zuvor verantwortete sie den HR-Bereich bei Deutschlands größtem privaten Bildungsträger, der Cognos AG, und war im Executive Search bei der SR Group tätig.