Die Babyboomer gehen in Rente. Das stellt Unternehmen vor eine gewaltige Aufgabe. Janet Haupka, Managing Partnerin bei der Personalberatung DONE!Berlin, erklärt, wie interne Talente in einem dynamisch angelegten Entwicklungsprogramm dafür die Lösung sind.
Knapp 13 Millionen Erwerbstätige gehen bis 2036 in Rente. Oder anders ausgedrückt: Fast ein Drittel aller Beschäftigten, die heute noch arbeiten, ist dann im Ruhestand. An diese Entwicklung haben viele Personalerinnen / Personaler ihre Nachfolgepläne noch nicht angepasst. Doch das sichert Kontinuität und Wachstum. Denn können eine Fülle kritischer Rollen und Führungspositionen langfristig nicht besetzt werden, kann das ein Unternehmen handlungsunfähig machen.
Deshalb ist es notwendig, eine wirksame Nachfolgestrategie für die nächsten zehn Jahre zu entwickeln. Da das Recruiting externer Kandidatinnen / Kandidaten aufgrund des zunehmenden Fachkräftemangels schwieriger wird, sollten Personalverantwortliche ihre Strategie auf die Weiterbildung interner Talente konzentrieren.
Mit Babyboomern im Dialog stehen
Um eine valide Nachfolgestrategie aufzusetzen und kontinuierlich an die aktuelle Situation anzupassen, braucht es stetig neue Daten. Das theoretische Renteneintrittsalter ihrer Mitarbeitenden ist HRlern bekannt. Doch wissen sie oft nicht, wie ihre tatsächliche Planung aussieht. Deshalb sollten sie sich regelmäßig mit seniorigen Kolleginnen und Kollegen austauschen.
Um zu überprüfen, wann sie in Rente gehen wollen, ob sie Vorruhestandslösungen oder Altersteilzeitprogramme favorisieren oder ob sie auch bereit wären, über flexible Renteneintritte oder sogar flexible Arbeitsmodelle wie temporäre Einsätze bei Elternzeitvertretungen oder Sabbaticals – trotz Ruhestand – nachzudenken. Auch kann die Situation eines jeden einzelnen sich ad hoc ändern – beispielsweise durch schwere Krankheiten, die zum Vorruhestand führen. Im Dialog zu sein, lässt keine Überraschungen aufkommen.
Interne Talente für die Zukunft auswählen
Bei der Nachfolgeplanung spielt People Analytics eine entscheidende Rolle. Dieses Instrument sorgt auch dafür, dass interne Talente frühzeitig identifiziert werden können. Denn die Analyse von Daten zu Demografie, Fachkenntnissen, Soft Skills, zur Gehaltsstruktur, zur Zufriedenheit, zu Weiterbildungsmaßnahmen oder auch zu historischen Entwicklungspfaden ermöglicht Personalerinnen / Personalern, interne Talente zu erkennen und in ihrer Weiterentwicklung zu begleiten.
Dabei gilt es zu beachten, dass die Einschätzung auf zukunftsfähigen Kompetenzen liegt. Hierzu zählen eindeutig Soft Skills, wie Empathie, Diplomatie, Toleranz, Vertrauen, Offenheit, Teamwork, Flexibilität und interkulturelle und kommunikative Kompetenzen. Denn Fachkenntnisse können über die Jahre durch Schulungen aufgebaut werden. Aber Charakterstärken sind nur schwer anzutrainieren. Aber solche Fähigkeiten sind für Führungskräfte in Zukunft unverzichtbar.
Denn es ist davon auszugehen, dass Abteilungen verstärkt integriert zusammenarbeiten und zukünftig mehr Quereinsteigende, Menschen aus anderen Ländern oder mit Beeinträchtigungen im Team und in Schlüsselpositionen sein werden. Dafür braucht es eine integrative, respektvolle und vertrauenswürdige Arbeitsumgebung – und Managerinnen / Manager, die eine solche Atmosphäre gestalten.
Nachfolgeplanung agil anlegen
Entwicklungspläne für potenzielle Kandidatinnen und Kandidaten sollten nicht auf bestimmte Positionen zugeschnitten sein. Denn eine starre Nachfolgeregelung birgt das Risiko, dass eine ausgewählte Person sich anders entwickelt als gedacht. Während eine dynamische Nachfolgeplanung, die verschiedene Kandidatinnen und Kandidaten und Szenarien berücksichtigt, das Risiko minimiert und widerstandsfähiger ist.
Das bedeutet, eine breite Gruppe von Talenten zu entwickeln, anstatt sich auf wenige Mitarbeitende zu konzentrieren. Dabei hilft es, diese Kandidatinnen und Kandidaten in verschiedenen Abteilungen und auf den unterschiedlichsten Positionen über die Jahre einzusetzen. Auch unterstützen konstruktive und regelmäßige Feedback-Gespräche, Job-Shadowing-Konzepte, fach- und generationsübergreifende Mentoren-Programme und ein kooperativer Führungsstil den Aufbauprozess.
Gerade durch diesen lernen junge Talente, Verantwortung zu übernehmen, Ideen einzubringen, Projekte voranzutreiben und erste Führungserfahrungen zu sammeln. Durch solche Maßnahmen entwickeln sich alle Mitarbeitenden weiter. Das trägt allgemein zur Motivation bei.
Der interne Talent-Pool sollte breit und agil sein
Kurzum: Der interne Talent-Pool sollte breit und agil, nicht starr nach traditionellen Karrierepfaden angelegt sein. Zukunftsrelevante Soft Skills bleiben dabei der Kompass, um interne Talente auszuwählen. Rechtzeitig vor der geplanten Jobübernahme kann immer noch eine Shortlist geeigneter Nachfolgerinnen / Nachfolger erstellt werden. Sie erhalten dann ein intensives Leadership-Training und begleiten die Führungskraft, die sie ersetzen sollen. So können sie, aber auch Personalverantwortliche in dieser letzten Testphase, noch einmal herausfinden, ob die Stelle zu ihnen passt.
Zwar erfordert die umfassende Förderung von Mitarbeitenden zusätzliche Arbeit und Investitionen, doch sie zahlen sich aus. Denn eine proaktive Personalentwicklung und klare Aufstiegsmöglichkeiten erhöhen die Anerkennung, das Engagement und die Loyalität. Darüber hinaus steigert dieser Ansatz die Effizienz und Geschwindigkeit im Rekrutierungsprozess. Dabei wird es auch immer wieder vorkommen, dass HR auf externe Kandidatinnen und Kandidaten zurückgreifen muss.
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Janet Haupka ist HR-Expertin und eine von zwei Geschäftsführerinnen bei DONE!Berlin - einer Personalberatung für Startups und Mittelständler. Sie baut in Unternehmen Teams und Prozesse auf und berät das Management. Foto: ©Cherie Birkner