Blue Hiring: Die Haltung muss stimmen

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Die Haltung muss im Blue-Collar-Recruiting stimmen, sagt Stephan Rathgeber, Vice President Brand & Marketing bei onlyfy by XING und einer der Autoren des Buches „Blue Hiring: Zeit zum Umdenken“. Offenheit ist gefragt. Was das konkret bedeutet und wie Unternehmen heute erfolgreich Blue-Collar-Kräfte gewinnen, erfahren Sie im Interview.

Schreibtischjobs stehen unverändert im Fokus des Recruitings vieler Unternehmen. Angesichts des teilweise dramatischen Mangels an Kräften in vielen Branchen sollte sich hier schnell etwas ändern. 93 Prozent der befragten Personalverantwortlichen tun sich damit schwer, Arbeitskräfte zu finden, so die Blue-Collar-Studie von onlyfy by XING. Der Wettbewerb um Talente ist längst in Produktionshallen oder Krankenhausfluren angekommen.

Dabei ist die Lösung eigentlich recht einfach – und so manche Unternehmen zeigen, dass es anders gehen kann. Offenheit ist gefragt, sagt Stephan Rathgeber. Offen sein für unterschiedliche Lebensläufe, für nicht perfekte Bewerbungsunterlagen – und für neue Rekrutierungswege. Warum auch soll Blue Collar zähe Bewerbungsprozesse gut finden, die bei White Collar Bewerbungsallergien auslösen?

Jetzt sollten andere Blickwinkel in das Recruiting einfließen, bisher gehegte Glaubenssätze verabschiedet werden, finden die Autorinnen und Autoren des Buches „Blue Hiring: Zeit zum Umdenken“. Kira Niklas, Stephan Rathgeber und Julian Stahl geben dort gemeinsam mit 14 Gastautorinnen und -Autoren einen umfassenden Überblick über die Situation auf dem Arbeitsmarkt sowie Praxistipps für den Recruitingalltag.

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Wir haben mit Stephan Rathgeber darüber gesprochen, was Blue-Collar-Recruiting heute ausmachen sollte und wie Sie erfolgreich neue Arbeitskräfte gewinnen. Denn eines ist sicher, so die Autorinnen und Autoren des Buches: Die Zukunft des Recruitings ist blau.

Buchcover Blue Hiring: Zeit zum Umdenken

onlyfy by XING hat ein Buch zu “Blue Hiring” herausgegeben. Was ist unter diesem Begriff zu verstehen?

Stephan Rathgeber: Ein Großteil der arbeitenden Bevölkerung in Deutschland geht einer vornehmlich körperlich geprägten Arbeit oder auch einem sogenannten Blue-Collar-Beruf nach. Sie sitzen an Supermarktkassen, bauen Häuser, sorgen dafür, dass wir eine funktionierende Heizung und warmes Wasser haben oder kümmern sich als Pflegekräfte um ältere oder kranke Menschen. Obwohl diese Tätigkeiten nicht nur eine entscheidende Rolle für das Funktionieren unserer Gesellschaft, sondern auch für unseren Komfort spielen, werden die Menschen dahinter im klassischen Recruiting oft übersehen.

Der Fokus der Recruitingaktivitäten vieler Unternehmen liegt oft weiterhin auf Schreibtischjobs und Wissensarbeitenden. Tatsächlich aber sind sehr viele Unternehmen im Blue-Collar-Bereich stark vom Fach- und Arbeitskräftemangel betroffen. Darum habe ich gemeinsam mit meiner Kollegin Kira Niklas und meinem Kollegen Julian Stahl ein Buch darüber geschrieben, was Unternehmen tun können, um sich hier erfolgreicher aufzustellen. In Anlehnung an unser erstes Buch „New Hiring“ haben wir es „Blue Hiring“ genannt. Es gibt einen umfassenden Überblick über die aktuelle Situation sowie Praxistipps für den Recruitingalltag. Darüber hinaus bereichern 14 Gastautorinnen und -Autoren mit ihren Beiträgen das Buch.

Warum ein solches Buch zum jetzigen Zeitpunkt?

Stephan Rathgeber: Auch wenn wir uns aktuell in einer Rezession befinden, ist das Problem des Arbeitskräftemangels in vielen Branchen akut. Wer jemals versucht hat, kurzfristig einen Handwerker zu bekommen, weiß, wovon ich rede. Unternehmen müssen sich jetzt Gedanken darüber machen, wie sie in diesem Umfeld auch langfristig wettbewerbsfähig bleiben können. In Branchen wie dem Handwerk, der Logistik und der Pflege ist die Lage nicht mehr ernst, sondern schon dramatisch. Der Wettbewerb um Talente ist längst auch in Produktionshallen oder Krankenhausfluren angekommen.

Welche besonderen Herausforderungen kennzeichnen die Suche nach Blue Collar-Kräften?

Blue Hiring - Zeit zum Umdenken findet onlyfy by XING
Envato/drazenphoto

Stephan Rathgeber: Es fängt damit an, dass die Kanäle, auf denen Blue-Collar-Beschäftigte nach einer neuen Stelle suchen, ganz andere sind als die für Schreibtischjobs. Private Kontakte und Empfehlungen führen hier die Liste an. Es geht mit administrativen Hürden im Bewerbungsprozess weiter. Wir haben dazu zwei Studien mit forsa durchgeführt, einmal unter Beschäftigten im Blue-Collar-Bereich und einmal mit Personalentscheidern.*

84 Prozent der befragten Personalverantwortlichen in Unternehmen, die vor allem im Blue-Collar-Bereich rekrutieren, wünschen sich einen Lebenslauf, für 66 Prozent soll er lückenlos sein. Jeweils deutlich mehr als die Hälfte wollen eine vollständige Bewerbungsmappe, Zeugnisse und ein Anschreiben sehen.

Beschäftigte dagegen wollen im Bewerbungsprozess vor allem Einfachheit. 45 Prozent der von uns Befragten ist es wichtig, sich auch über mobile Endgeräte bewerben zu können, 35 Prozent würden es gern ohne Anschreiben tun, 20 Prozent gerne ohne Lebenslauf oder über eine One-Click-Bewerbung, zum Beispiel über das eigene Profil auf XING. Mit ein bisschen Flexibilität können Unternehmen ihre Bewerbungsprozesse verschlanken und so viele Hürden schnell aus dem Weg räumen.

Was unterscheidet Blue Hiring von anderen Hiring-Formen?

Stephan Rathgeber: Nicht nur die Kanäle sind anders, sondern auch die Angebote, die für Jobsuchende relevant sind. Wissensarbeiter leben oft in einer privilegierten Bubble und reden über Home Office, Remote Work und darüber, ob der Arbeitgeber Yoga-Kurse anbietet. Die meisten Blue-Collar-Kräfte haben keine Möglichkeit, ihren Arbeitsplatz flexibel zu wählen. Und darum auch ganz andere Bedürfnisse.

Auf der Wunschliste, was ein neuer Arbeitgeber ihnen bieten sollte, liegt bei den von uns befragten Blue-Collar-Beschäftigten mit 74 Prozent die Jobsicherheit vorn, dicht darauf folgen ein höheres Gehalt (71 Prozent), pünktliche Bezahlung (70 Prozent) sowie ein attraktiver Standort (69 Prozent) – also alles sogenannte Hygienefaktoren.

Warum gibt es überhaupt Nachholbedarf in Sachen Blue Hiring? Blue Collar-Kräfte wurden doch schon immer eingestellt und galten bisher nicht als Herausforderung.

Foto Fachkräfte
Envato/ckstockphoto

Stephan Rathgeber: Hier spielen verschiedene Faktoren eine Rolle: der schwerwiegendste ist sicherlich der schon erwähnte Arbeits- und Fachkräftemangel. 93 Prozent der von forsa befragten Personalentscheider haben angegeben, Schwierigkeiten beim Besetzen offener Stellen zu haben. Der dafür am meisten genannte Grund war, dass allgemein zu wenige Arbeitskräfte auf dem Markt (83 Prozent) verfügbar sind.

Branchen wie die Logistik sind massiv vom beginnenden Wegfall der Babyboomer-Generation betroffen – uns gehen beispielsweise die Lkw-Fahrer aus. Wiederum andere Branchen wie die Gastronomie sind durch Corona durcheinander gewirbelt worden und suchen jetzt händeringend Personal. Und die Situation wird sich weiter zuspitzen, denn wir werden bis 2035 rund 7 Millionen Arbeitnehmende verlieren, die in Rente gehen. Es ist eine sehr dynamische Gemengelage.

Welche Recruitingwege erweisen sich als erfolgreich mit Zielrichtung Blue Collar?

Stephan Rathgeber: Der mit Abstand wichtigste Kanal für das Recruiting sind persönliche Empfehlungen beziehungsweise private Kontakte: Jeweils über 90 Prozent der befragten Personalentscheider rekrutieren über diese Quellen, und 61 Prozent der befragten Blue-Collar-Beschäftigten würden bevorzugt auf private Kontakte setzen, wenn sie auf Jobsuche wären. Mit etwas Abstand folgt bei den Personalsuchenden die Bundesagentur für Arbeit (87 Prozent), die jedoch nur 41 Prozent der Blue-Collar-Beschäftigten bei der Jobsuche nutzen würden.

Die Möglichkeiten fachspezifischer Jobportale nehmen 51 Prozent der befragten Personaler sowie 46 Prozent der befragten Blue-Collar-Beschäftigten wahr, wenn sie einen neuen Job suchen. Und genau hier steckt noch jede Menge Potenzial. Es gibt bei Blue-Collar-Beschäftigten die Bereitschaft zur Bewerbung über digitale Kanäle, und Unternehmen können von Lösungen wie unserer Talent Acquistion Platform onlyfy one profitieren.

Was sollte sich im Recruiting der Unternehmen mit Zielrichtung Blue Collar ändern?

Foto Betreuung im Krankenhaus
Envato/halfpoint

Stephan Rathgeber: Auch die beste Umsetzung nützt nichts, wenn die Haltung nicht stimmt. Darum heißt unser ultimativer Tipp: Offenheit. Offen sein für unterschiedliche Lebensläufe und Quereinsteigende – nicht starr auf einem lückenlosen und linearen Lebenslauf beharren, sondern auch mal über den Tellerrand schauen. Aber auch offen sein für neue Rekrutierungswege. Wie erkennt man, welche Recruiting-Methode am besten für das eigene Unternehmen funktioniert?

Ganz einfach: indem man nachfragt, wie Bewerbende auf ein Stellenangebot aufmerksam geworden sind. Sinnvoll ist auch, den wichtigen Kanal persönliche Empfehlungen und private Kontakte gezielt zu nutzen und auszubauen. Genau so sollte man betriebliche Abläufe und Arbeitsbedingungen hinterfragen. Ihre Optimierung fördert nicht nur die Bindung der Mitarbeitenden, sondern auch die Attraktivität als Arbeitgeber.

Sprechen wir über Employer Branding für Blue Collar Fachkräfte: Wie sollte das in der Kommunikation aussehen? 

Stephan Rathgeber: Employer Branding ist weit mehr als eine Liste von Vorteilen, die ein Arbeitgeber bietet. Es geht um eine authentische und transparente Außendarstellung. Einer unserer Gastbeiträge stammt von einem Industrieunternehmen in Norddeutschland, das sehr erfolgreich eine Employer-Branding-Kampagne durchgeführt hat. Hier wird kollaborativ rekrutiert: der Einstellungsprozess ist ein Teamsport, und die Führungskräfte sind voll involviert. Das gesamte Unternehmen bewirbt sich beim Jobsuchenden, nicht umgekehrt. Und solch eine Vorgehensweise hat einen positiven Abstrahleffekt – weil sie direkt und ehrlich ist.

Wer profitiert vor allem von dem Buch? Wer sollte es auf jeden Fall lesen?

Stephan Rathgeber: In dem Buch geht es nicht nur um unsere eigenen Erfahrungen und Erkenntnisse auf Basis der von uns beauftragten Studien, sondern wir haben auch insgesamt 14 Gastautorinnen und -autoren gewinnen können. Sie reichen vom Wirtschaftswissenschaftler Enzo Weber über den Autor Martin Gaedt und die Wirtschaftspsychologin Vera Starker bis hin zu Personalentscheidenden in Blue-Collar-Branchen, zu denen unter anderem auch Ex-Fußballprofi Holger Stanislawski gehört.

Sie alle beleuchten die Thematik aus unterschiedlichen Blickwinkeln und geben wertvolle Tipps für den Recruitingalltag. Unser Ziel war es, Unternehmen einen Leitfaden an die Hand zu geben, der dabei helfen kann, ihre unmittelbaren Probleme zu lösen. Und ich finde, das ist uns gelungen. Darum würde ich sagen: Pflichtlektüre für alle, die mit dem Thema Recruiting zu tun haben. Das Buch „Blue Hiring: Zeit zum Umdenken“ kann hier kostenfrei heruntergeladen werden: https://onlyfy.com/de/downloads/blue-hiring/

* forsa-Umfrage im Juni/Juli 2023 unter 200 Personalentscheidern und 1.006 Blue-Collar-Beschäftigten in Deutschland im Auftrag von onlyfy by XING. Es wurden nur Personalentscheider befragt, die Blue-Collar-Beschäftigte rekrutieren und in Unternehmen ab 20 Mitarbeitenden in den Branchen Bergbau, Herstellung von Waren, Energieversorgung, Wasser- und Abfallentsorgung, Bau, Handel, Verkehr, Beherbergung und Gastronomie sowie Gesundheits- und Sozialwesen beschäftigt sind. Von ihnen rekrutieren 162 überwiegend im Blue Collar- und 38 gleichermaßen im Blue- und White-Collar-Bereich.

Das Interview führte Helge Weinberg, Herausgeber HR JOURNAL.


Blue Hiring: Zeit zum Umdenken

Buchcover Blue Hiring: Zeit zum Umdenken

Kira Niklas, Stephan Rathgeber, Dr. Julian Stahl (Hrsg.)
Blue Hiring: Zeit zum Umdenken
Wie man erfolgreich Arbeitskräfte in Industrie, Handel und Dienstleistung gewinnt
299 Seiten, © 2023 New Work SE, Hamburg
Download: https://onlyfy.com/de/downloads/blue-hiring/

 

Die weiteren Autorinnen und Autoren des Buches:

Gunda Conrady, Martin Gaedt, Roman Gaida, Veronika Gersdorf, Uwe Habicher, Kathrin Hess, Nadja Nardini, Sabine Pfeiffer, Holger Stanislawski, Vera Starker, Sibylle Stippler, Petra von Strombeck, Enzo Weber, Catherine Weller


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Foto Stephan Rathgeber

Stephan Rathgeber als Vice President Brand & Marketing bei onlyfy by XING für die New Work SE tätig. Er bringt eine nachgewiesene Erfolgsbilanz in Innovation und Execution in verschiedenen Rollen bei Siemens Healthineers, der ManpowerGroup, Hays und der New Work SE mit. Seine Themen sind Leadership, Recruiting und New Hiring. Ein wesentlicher Teil seines Ansatzes besteht darin, Menschen zusammenzubringen und sie zu befähigen, ihr volles Potenzial auszuschöpfen. Stephan hat zwei Söhne, wohnt in Erlangen, ist leidenschaftlicher Ex-Handballer und Hobbygärtner. Foto: Anna Nguyen

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