Globale Arbeit hat sich gewandelt: Die Auslandsentsendung ist heute nicht mehr die One-size-fits-all-Lösung, sagt Professorin Marion Festing. Sie stellt drei Erfolgsstrategien für die Zukunft internationaler Arbeit vor.
Eine Auslandsentsendung – für viele Managerinnen und Manager war dies lange Zeit eine Auszeichnung und eine hervorragende Möglichkeit, die für die Karriere so wichtige internationale Erfahrung zu sammeln. Es zeugte vom Vertrauen der Vorgesetzten, im Ausland zu arbeiten, losgelöst von der Zentrale, und doch sehr gut sichtbar. Es betonte aber auch die internationalen Wachstumsambitionen des Unternehmens, dessen Teil man war. Oftmals konnten sich die ins Ausland Entsandten so auch für höhere Aufgaben für noch weiteres Wachstum empfehlen. Auslandsentsendungen galten als Sprungbrett für eine internationale Karriere – und dann kam die Pandemie.
Haben Auslandsentsendungen an Attraktivität verloren?
Ins Ausland entsandte Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter haben in den vergangenen Jahren mit großen Herausforderungen kämpfen müssen. Die Covid-Einschränkungen, etwa beim Reisen und Aufenthalt jenseits des Heimatlandes, haben sicherlich ihren Teil dazu beigetragen, dass Auslandsentsendungen mit mehr Vorbehalten betrachtet werden. Auch die Pandemie-Nachwirkungen wie die zunehmende Akzeptanz von Remote Work und Videocalls sind relevant. Zudem sind auch weltweit schwelende Konflikte nicht zu vernachlässigen. Der russische Angriffskrieg und das Säbelrasseln von China in Richtung Taiwan dürften auch mittelfristig diese Standorte weniger attraktiv als Arbeitsorte für Expats machen.
Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen stellt sich die Frage, ob andere internationale Erfahrungen und vor allem digitale Kommunikationsformen nicht die internationale Tätigkeit vor Ort, d.h. die klassische Auslandsentsendung, ersetzen können. Die gute Nachricht: Wir sehen in unserer praxisorientierten Forschung verschiedenste Möglichkeiten, wie international zusammengearbeitet werden kann.
Erfolgsstrategie 1 für die Zukunft globaler Arbeit: Flexibilität zulassen
Die Auslandsentsendung ist heute nicht mehr die One-size-fits-all-Lösung, um internationale Erfahrung zu sammeln und damit die so wichtige Voraussetzung für eine globale Karriere zu schaffen. Das Portfolio an Möglichkeiten, die Unternehmen anbieten können, ist groß – vom Langzeit-Expat über Kurzzeit-Entsandte und internationale Geschäftsreisende über Commuter-Entsendungen, bei denen man an seinem Heimatort wohnt und quasi international pendelt und die Arbeitswoche in einem anderen Land verbringt, bis hin zur virtuellen Teamarbeit sollten unterschiedlichste Optionen gedacht werden.
Mit diesen Optionen können Unternehmen den individuellen Bedürfnissen von Mitarbeitenden entgegenkommen und so attraktive Beschäftigungs- und Karrieremöglichkeiten bieten, die vor allem im gegenwärtigen Arbeitnehmer-Markt wichtig sind. Hinzu kommt, dass Lebensmodelle im Zuge der Globalisierung flexibler geworden sind und dem Rechenschaft getragen werden muss, etwa der Situation von sogenannten ‘dual career couples’, gleichgeschlechtlichen Partnerschaften oder Patchwork Familien.
Internationale Erfahrungen erwirbt man auch nicht mehr primär im Berufsleben, sondern wenn zum Beispiel Eltern aus unterschiedlichen Ländern stammen und Kinder quasi bikulturell aufgewachsen sind, durch Auslandstätigkeiten der Eltern, in die die ganze Familie involviert war (sogenannte Expat-Kids) oder häufiges und intensives Reisen. Zudem nehmen immer mehr junge Menschen die Möglichkeit wahr, einige Zeit im Ausland zu verbringen und in einer anderen Sprache zu studieren.
Erfolgsstrategie 2 für die Zukunft globaler Arbeit: Individuellere Gehaltsmodelle
Auch beim Gehalt verabschieden sich Unternehmen zunehmend von Standardlösungen. Zwar sind Auslandseinsätze in der Regel immer noch mit einer hohen Vergütung und vor allem entsprechendem Prestige verbunden, so sehen wir auch hier eine größere Individualisierung. Wurde in der Vergangenheit häufig der sogenannte Balance Sheet Approach verwendet, der Entsandten mindestens die gleiche Kaufkraft im Ausland sicherte und darüber hinaus verschiedene Zulagen bot, wird heute immer häufiger der sogenannte Local-Plus-Ansatz gewählt.
Dies bedeutet, dass zusätzlich zum lokal für die Position üblichen Gehalt Zusatzleistungen verhandelt werden können, die für die individuellen Bedürfnisse der Entsandten wichtig sind. Darüber hinaus sollten Unternehmen genau schauen, was die Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer wirklich wollen und was ihnen wichtig ist. Im Zweifel ist das dann nicht die Kostenübernahme für ein Haus im Ausland, sondern es tut auch eine Wohnung, wenn dafür ein Flug mehr in die Heimat übernommen wird. Wichtig ist jedoch, auch Mitarbeitende, die international arbeiten, ohne den Wohnort zu wechseln, entsprechend ihrer Erfahrung zu vergüten.
Erfolgsstrategie 3 für die Zukunft globaler Arbeit: Interkulturelle Kompetenzen trainieren
Unser Verständnis für Kultur und Interkulturalität hat sich weiterentwickelt. Genauso, wie es nicht „die US-Kultur“ oder die „deutsche Kultur“ gibt, erleben wir das überall weltweit: Menschen und ihre Vorstellungen von Zusammenarbeit und Zusammenleben unterscheiden sich auch innerhalb von einem Land oder einer Region. Umso wichtiger sind interkulturelle Kompetenzen.
Wir erleben das sehr häufig: Die Unternehmen, die mit unserem Serious Game „Moving Tomorrow“ bereits an interkulturellen Kompetenzen arbeiten, spiegeln uns, wie wichtig diese sind und wir wirkungsvoll ihr Ausbau in internationalen Management-Positionen ist. Sich zunächst bewusst zu machen, dass globale Arbeit ein erhöhtes Maß von (inter-)kulturellen Kompetenzen benötigt, ist daher ein erster wichtiger Schritt, der durch konkrete Maßnahmen wie Trainings in eine gute Zukunft führen kann.
Die Zukunft globaler Arbeit baut auf gute HR
Globale Arbeit hat sich gewandelt: Es sind nicht mehr nur die klassischen Auslandsentsendungen, die für globale Karrieren ausschlaggebend sind, sondern flexible Lösungen globaler Arbeit bis hin zum Remote-Konzept. Umso wichtiger ist bei all dem Wandel eine gute HR, die zeitgeistige Lösungen für individuelle Bedürfnisse findet. Nur durch sie werden langfristig internationale Strukturen gewinnbringend für das Unternehmen sein können und das gewünschte Wachstum ermöglichen.
Das Buch zum Thema
Allen Engle, Marion Festing, Peter J Dowling
International Human Resource Management
8th Edition, Cengage Learning EMEA 2023, 452 pages
Lesen Sie auch die folgenden Beiträge:
- Workation im Ausland: Was HR rechtlich beachten sollte
- Auslandsaufenthalte: Über das Gewohnte hinausstrecken
- Auslandsentsendungen: Neue Rollen und Aufgaben für HR
Prof. Dr. Marion Festing ist Professorin der ESCP Business School Berlin. Sie leitet dort den Lehrstuhl für Human Resource Management und Intercultural Leadership und forscht unter anderem zu den Themen Talent Management, internationales Personalmanagement, (Gender) Diversity und Female Leadership. Sie ist Co-Autorin des internationalen Standardwerks „International Human Resource Management“, das kürzlich in aktualisierter Auflage erschienen ist (Dowling, P. J., Festing, M., & Engle, A. D. (2023): International human resource management (8th ed.). Andover/UK: Cengage Learning EMEA.). Foto: © David Ausserhofer