Empathische Führung übertrumpft Stärke

| | ,

Stärke ist nicht mehr gefragt. Mitarbeitende schätzen vor allem eine empathische Führung. Philipp Riedel, CEO von Avantgarde Experts, beschreibt das Anforderungsprofil einer Führungskraft in 2023. Diese sollte ein echtes Interesse an Bedürfnissen der Mitarbeitenden zeigen. Und entscheidungsfreudig sein.

Wie gehe ich als Führungskraft mit der Vielschichtigkeit an Bedürfnissen meiner Mitarbeitenden um? Und welche Rolle spielt Empathie heute in der Führung? Die repräsentative deutschlandweite Arbeitszufriedenheitsstudie von Avantgarde Experts 2023 eröffnet dazu Einblicke.

Das traditionelle Bild eines Chefs wurde über Jahrzehnte geprägt: Mehr oder weniger autoritär, geht voran, gibt klare Ansagen und weiß immer Bescheid. Auch wenn dies schon längst nicht mehr Realität oder zumindest die Regel ist, ist dieses Image doch in den vielen von uns noch verankert: Wie also sieht heute das Anforderungsprofil einer Führungskraft aus Sicht von Mitarbeitenden aus? Welcher Führungsstil ist gefragt und warum ist ein Umdenken in den Chefetagen besonders jetzt wichtig? Um Antworten darauf zu finden, haben wir im Frühjahr 2023 gemeinsam mit YouGov eine repräsentative Umfrage unter knapp 1.100 deutschen Angestellten durchgeführt.

- Anzeige -
Banner English Edition HR JOURNAL

Arbeitszufriedenheitsstudie 2023

 

Die Multikrisenjahre haben die Anforderungen der Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter an die Unternehmen – und damit auch an ihre Führungskräfte – deutlich verändert. Gleichzeitig liegt die Zufriedenheit auf einem Rekordhoch: 79 Prozent sagen, dass sie „eher zufrieden“ bis „vollkommen zufrieden“ mit ihren Arbeitsbedingungen sind. Das ist der höchste Wert, seitdem wir im Jahr 2016 die Arbeitszufriedenheitsstudie gestartet haben. Die Arbeitszufriedenheit liegt dabei deutlich über dem Vorjahr (68 Prozent) und sogar über dem bisherigen Höchstwert von 2019 (72 Prozent).

Der Wert überrascht zunächst angesichts der Multi-Krisen. Doch offenbar machen die Unternehmen vieles richtig. Dabei sind Männer besonders zufrieden in ihren Jobs: Sie erreichen einen Wert von 83 Prozent (Frauen 76 Prozent). Bezogen aufs Alter bilden die 35- bis 44-Jährigen mit 85 Prozent die zufriedenste Gruppe – im Gegensatz zu den 44- bis 54-Jährigen mit 74 Prozent. Trotz der hohen Arbeitszufriedenheit ist die Wechselbereitschaft aber auffällig hoch – und drastisch gestiegen. In 2022 hatten noch 82 Prozent einen baldigen Jobwechsel verneint. Nun sind es lediglich 62 Prozent, die einen Wechsel für die nächsten sechs Monate ausschließen, Männer sogar nur zu 60 Prozent. Woran liegt dieser vermeintlich widersprüchliche Befund?

Arbeitszufriedenheitsstudie 2023

 

Knackpunkt Führungskraft – empathische Führung zählt

Unter HR-lern gab es früher den Spruch: „Mitarbeiter kommen wegen des Geldes, bleiben wegen der Aufgabe und gehen wegen der Führungskraft.“ Offenbar ist da immer noch etwas dran. Geld ist nach wie vor der alles überragende Faktor – bei der Entscheidung für eine Stelle, Bleiben, aber auch Kündigen. Doch er kann langfristig nicht alles beschönigen, wenn es mit der Führungskraft nicht klappt. Und hier haben sich die Anforderungen und Bedürfnisse deutlich gewandelt, wie wir in unserer Untersuchung herausgefunden haben.

Empathie ist die von den Teilnehmerinnen / Teilnehmer der Studie meist gewünschte Eigenschaft einer Führungskraft (56 Prozent) – und von Platz 2 in 2022 mit 51 Prozent merklich aufgestiegen. Hier müssen Deutschlands Entscheiderinnen / Entscheider besser werden. Ganz anders sah es noch 2022 aus: Da wünschten sich Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer von ihren Führungskräften vor allem ein „starkes Leitbild für Krisen“ (52 Prozent und Platz 1) und Stärke mit 49 Prozent auf dem dritten Rang. Diese beiden „Anforderungsprofile an Führungskräfte“ sind in diesem Jahr förmlich abgestürzt und rangieren mit 26 Prozent auf Platz 7 (Leitbild) und mit 23 Prozent auf Platz 8 (Stärke).

Empathie übertrumpft Stärke. Ein klarer Wertewandel in der Arbeitswelt und vor allem bei den Frauen mit 62 Prozent besonders stark ausgeprägt. Daher ist mehr als Finetuning in der Führung angesagt, um gute Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter im Unternehmen zu halten. Denn gerade beim „Erkennen & Beachten von Mitarbeiterbedürfnissen“ haben Unternehmen noch Nachholbedarf: 32 Prozent empfinden dies als eher schlecht bis sehr schlecht.

Ein weiterer Brennpunkt: 42 Prozent der Studienteilnehmerinnen / -Teilnehmer meinen, sie könnten wertvoller fürs Unternehmen sein oder fühlen sich sogar unterfordert. Das ist leicht mehr als in 2022 mit 41 Prozent. Zum Vergleich: 2017 waren es erst 17 Prozent. Viele Mitarbeitende finden sich also auf der falschen Position wieder. Einmal mehr bedeutet das, dass die Bedürfnisse der Belegschaft nicht ausreichend erkannt werden. Ein großes Manko in Zeiten des Arbeitskräftemangels.

Arbeitszufriedenheitsstudie 2023: Empathische Führung an der Spitze

 

Entscheidungen schaffen Klarheit

Fazit: In Unternehmen ist ein neues Bewusstsein für Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter entstanden. Viele Wohlfühlfaktoren haben sich deutlich verbessert. Dennoch ist ein hoher Anteil an Beschäftigen stets absprungbereit. Neben dem – nur kurzfristig wirkenden – Hygienefaktor „Geld“ müssen daher Führungskräfte umschwenken und ein echtes Interesse an den menschlichen und persönlichen Bedürfnissen der Mitarbeitenden zeigen.

Empathie ist daher auch der Aufsteiger des Jahres bei den Erwartungen an Chefinnen und Chefs. Darauf müssen Führungskräfte eingehen – ohne allerdings in einen Kuschelkurs zu verfallen. Denn Deutschlands Mitarbeitende wollen, auch das ist ein Studienergebnis, gefordert werden. Es gilt also – wie in so vielen Unternehmensbereichen mit Mitarbeiterbezug –, das richtige Fingerspitzengefühl und Klarheit zu zeigen.

Bedürfnisse erkennen und aufnehmen ist das Eine – dann aber auch darauf reagieren und Entscheidungen treffen das Andere. Nicht selten äußern Führungskräfte zwar Verständnis, aber versäumen es, zügig an Lösungen zu arbeiten und Klarheit zu schaffen. Viel schlimmer als ein Beschluss gegen den Wunsch des Mitarbeitenden ist die Unsicherheit durch fehlende Entscheidungen. Führungskräfte, die nicht oder verspätet entscheiden, verlieren Mitarbeiter. Denn im Zweifel schafft sich der Mitarbeitende seine Klarheit selbst und verlässt im schlimmsten Fall das Unternehmen.

Lesen Sie auch die folgenden Beiträge:

Foto Philipp Riedel

Philipp Riedel ist CEO der Personalberatung AVANTGARDE Experts. Seit 2018 treibt er die innovative Ausrichtung des Unternehmens voran. 2024 hat er erfolgreich den Zusammenschluss mit dem internationalen Personalberatungsunternehmen YER gemanagt, um gemeinsam die Marktpositionierung für die Besetzung von Arbeitsrollen in zukunftsfähigen Branchen wie Tech, Mobility und Energie auf dem deutschen Markt zu stärken. Im Sommer 2025 werden AVANTGARDE Experts und Staffxperts zur YER Deutschland GmbH. Foto: Maiwolf

Vorheriger Beitrag

5 Trends: Wie Sie mit Ihrem Recruiting-Text überzeugen

Best Practices: Wie HR die CSRD-Vorgaben umsetzt

Folgender Beitrag