Nicht mehr zeitgemäß sind die Fragebögen zu Gefährdungsbeurteilungen psychischer Belastungen, sagt Jan-Frederik Kolthoff von move UP. Psychische Gefährdungsbeurteilungen sollten die New Work Perspektive und Themen wie Flexibilität, Agilität oder Digitalisierung berücksichtigen.
Digitalisierung von Arbeitsprozessen, flache Hierarchien und flexibles Arbeiten: Durch den fortwährenden Ausbau der digitalen Arbeitswelt, den Fachkräftemangel und den neuen Wertevorstelllungen von Generation Y und Z, befindet sich unsere Arbeitswelt in einem Wandel. Begriffe wie New Work und Arbeitswelt 4.0 sind in aller Munde und immer mehr Unternehmen und Konzerne passen ihr Arbeitsmodell an. Ein Teil des neuen, zeitgemäßen Arbeitsmodells ist der Fokus und gesteigerte Wert, den Arbeitgebende der Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zukommen lassen. Das hilft nicht nur, Menschen vor Burnout und Co. zu bewahren, sondern auch, junge Menschen für das Unternehmen anzuwerben.
Mit New Work gehen Maßnahmen zur Implementierung von Gesundheitsthemen, sowohl psychisch als auch physisch, einher. Insbesondere seit Beginn des neuen Jahres 2023 rückt die psychische Gesundheit in den Fokus vieler Unternehmen. Und das nicht zuletzt aufgrund einer strengeren Verordnung im Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) zur Gefährdungsbeurteilungspflicht des Arbeitsplatzes durch den Arbeitgebenden.
Worum geht es bei einer Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung?
Die Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastungen am Arbeitsplatz (GB Psych) befasst sich mit der Aufnahme, Einordnung und Bewertung aller erfassbaren Einflüsse, die von außen auf den Mitarbeitenden zukommen und psychisch auf ihn oder sie einwirken. So gestaltet die GB Psych letztendlich Arbeitsplätze zugunsten der psychischen Leistungsfähigkeit und Gesundheit der Arbeitnehmenden.
Insbesondere in der aktuellen Zeit ist die Psyche von Arbeitnehmenden ein großes Thema und die GB Psych damit hochgradig relevant. Losgetreten durch die Corona-Pandemie, veröffentlichten unter anderem Krankenkassen, Universitäten und Institute innerhalb der letzten drei Jahre zahlreiche Studien, die auf die zunehmende, psychische Belastung von Arbeitnehmenden aufmerksam machten. Demnach steigen die Zahlen von Depression, Burnout, psychischer Belastung und Stress am Arbeitsplatz beharrlich an.
Unsere Arbeitswelt gewinnt zunehmend an Komplexität und Schnelligkeit, die voranschreitende Digitalisierung birgt neben der Vereinfachung von Arbeitsschritten auch das Gefühl von ständiger Erreichbarkeit und wachsender, digitaler Müdigkeit. Die Herausforderungen, mit denen sich Angestellte im alltäglichen Arbeitsleben konfrontiert sehen, nehmen zu und somit auch die Belastungen auf ihre Psyche.
Neue Arbeitswelt bringt neue Belastungsfaktoren
New Work meint Veränderung, das ist wohl klar. Neben altbekannter Belastungsfaktoren wie fehlender Rollenklarheit, sozialer Belastungen durch Kolleginnen, Kollegen oder Vorgesetzten und entgrenzter Arbeitszeiten birgt die in vielerlei Hinsicht positive Entwicklung der Arbeitswelt auch neue Herausforderungen für die Angestellten. Arbeitsmodelle mit Homeoffice, vier-Tage-Woche und digitaler Zusammenarbeit bringen neue Gefahrenquellen bei Arbeitsaufgaben und -abläufen sowie sozialen Beziehungen oder Arbeitszeiten mit sich, auf die es rechtzeitig zu reagieren gilt.
So bergen gesteigerte Verantwortung und Autonomie im Job auch die Gefahr von Überforderung und Stress aufgrund von mangelnder Unterstützung oder unklaren Aufgaben. Neue Technologien vereinfachen Arbeitsschritte und bringen Effizienz, können aber gleichzeitig zu digitaler Müdigkeit und Überlastung aufgrund von ständiger Erreichbarkeit und ständigem Lernen führen.
Viele Fragebögen finden jedoch seit über 20 Jahren unverändert Anwendung in Unternehmen und entsprechen nicht mehr dem aktuellen Zeitgeist. Insbesondere die New Work Perspektive wird in den standardisierten „paper and pencil Fragebögen“ selten berücksichtigt. Umfassende Wettbewerbsanalysen sind mittlerweile zu dem Schluss gekommen, dass beinahe bei jedem Fragebogen mindestens ein wichtiger Aspekt fehlt.
So fehlen wissenschaftlich validierten Fragebögen wichtige Belastungsfaktoren oder sie sind sehr zeitaufwändig auszufüllen. Anderen fehlt die New Work Perspektive und Themen wie Flexibilität, Agilität oder Digitalisierung werden vernachlässigt. Kurz: Viele Fragebögen sind einfach nicht mehr zeitgemäß. Neue Tools und Fragebögen müssen her, die umfangreicher und aktueller auf die Bedarfe der Angestellten reagieren und sich den stetig wandelnden Bedingungen und daraus resultierenden Konflikt- und Knotenpunkten anpassen.
Psychische Gefährdungsbeurteilung: Neue Fragebögen müssen her
Eine umfangreich durchgeführte GB Psych erkennt Belastungsquellen am Arbeitsplatz bestenfalls bereits bei deren Entstehung und verhindert, dass sich potentiell dauerhafte Belastungsfaktoren überhaupt erst im Unternehmen ausbreiten. Richtig durchgeführt fungiert sie so als eine Art Frühwarnsystem und verhilft Unternehmen zu gesteigerter Arbeitsmotivation, Arbeitszufriedenheit und Gesundheit sowie zu einer stärkeren Mitarbeiterbindung ans Unternehmen. Insbesondere in Zeiten von Fachkräftemangel und Arbeitnehmendenmarkt bringt eine GB Psych auch im Employer Branding einen entscheidenden Vorteil.
Das Herzstück einer GB Psych bildet ihr Fragebogen. Hier müssen dringend neue Tools her – zeitgemäß, mit ansprechendem Design, einer einfachen Anwendung und geringem Zeitaufwand. Inhaltlich ist ein zeitgemäßes Fragebogen-Tool gut strukturiert, greifbar, modernisiert und insbesondere wissenschaftlich fundiert. Welche Faktoren im Einzelnen zu berücksichtigen sind, ist mit Hinblick auf die konkreten Anforderungen und Bedingungen der Arbeit zu entscheiden.
Gemäß den Leitlinien der GDA sind „Branchen- und tätigkeitsübergreifend relevante Schlüsselfaktoren der Gefährdungsbeurteilung psychischer Belastung die Gestaltung von Arbeitsintensität, Arbeitszeit, Handlungsspielraum und sozialen Beziehungen, insbesondere zu Vorgesetzten, sowie die Gestaltung der Arbeitsumgebungsbedingungen, insbesondere die Belastung durch Lärm.“ Zusätzlich sollten neue Entwicklungen der Arbeitswelt 4.0 Inhalt eines modernen Fragebogen-Tools sein.
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Nach einem dualen Physiotherapiestudium und verschiedenen Stationen als Athletiktrainer und Physiotherapeut in der Bundesliga gründete Jan-Frederik Kolthoff die move UP Gesellschaft für Gesundheitsmanagement, eine der führenden 360° Dienstleistern für betriebliches Gesundheitsmanagement. Vor und während der move UP war Jan-Frederik Kolthoff an der Gründung verschiedener Start Ups und Kommunikationsagenturen beteiligt.