Welche Art von Fortbildung wünschen sich Führungskräfte? Lukas Heinzmann und Daniela Bernhardt von gyde stellen drei Faktoren für gelungene und zeitgemäße Weiterbildungsangebote vor.
“Gute Mitarbeiterinnen / Mitarbeiter kündigen nicht ihren Job, sondern ihrer Chefin/ihrem Chef.” Bestimmt kennen Sie diesen Spruch genau wie ich zur Genüge aus Marketingmaterialien von Trainings- oder Coaching-Anbietern. So abgedroschen der Spruch auch klingen mag, er war selten so wahr wie heute. “The great resignation”, die massenhaften Jobwechsel, die wir in den letzten Monaten beobachten konnten, zeigen sehr deutlich, dass Arbeitnehmerinnen / Arbeitnehmer immer weniger gewillt sind, in einem für sie unpassenden Arbeitsumfeld zu arbeiten.
Wir stecken mittendrin in der Ära des Arbeitnehmer-/Arbeitehmerinnenmarktes. Es gilt heute nicht mehr nur, passende Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu finden, sondern vor allem, diese langfristig zu halten und an das eigene Unternehmen zu binden.
Ohne gute Führung geht es nicht
Ein entscheidender Faktor, der auf die Bindung und -zufriedenheit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzahlt, ist die Qualität der Führung im Unternehmen. Das zeigen zahlreiche Studien, wie etwa die State of Workplace Empathy Study aus dem Jahr 2021. Hier gaben ganze 92 Prozent der Befragten an, dass mehr Empathie ihres/ihrer Vorgesetzten sie dazu veranlassen würde, bei ihrem Arbeitgeber zu bleiben.
Es stellt sich also zwangsläufig die Frage: Wie können Unternehmen ihre Führungskräfte wirksam fördern und die Qualität von Führung steigern?
Wir von gyde, einem digitalen Anbieter für Führungskräfteentwicklung, haben uns im letzten Jahr intensiv mit dieser Frage auseinandergesetzt und über 100 Zielgruppen-Interviews mit Führungskräften und HR-Verantwortlichen geführt. Das Ergebnis: Viele Führungskräfte wünschen sich für die Bewältigung ihrer vielfältigen Aufgaben Unterstützung durch ihr Unternehmen, sind aber mit den bestehenden unternehmensinternen und -externen Weiterbildungsangeboten unzufrieden.
Welche Art von Fortbildung wünschen sich Führungskräfte?
Wie muss das neue Lernen in und für Unternehmen aussehen? Wir konnten im Rahmen unserer Zielgruppen-Interviews die folgenden drei Faktoren für gelungene und zeitgemäße Weiterbildungsangebote herausarbeiten:
1. Weiterbildung sollte individuell relevant sein:
Aktuelle Herausforderungen
What’s in it for me? Viele Führungskräfte berichteten in unseren Interviews davon, dass sie Trainings oft absagen, weil sie wenig Bezug zu ihren tatsächlichen aktuellen Problemen sehen. Wie kann das sein, wo sich doch so viele Personalabteilungen vorab genau überlegen, welche Themen für ihre Führungskräfte relevant sein könnten?
Wir sehen hier vor allem zwei Gründe: Erstens, es findet zu wenig Austausch zwischen HR/Personalentwicklung und Führungskräften statt. Die individuellen Bedarfe werden nicht klar genug ermittelt und kommuniziert. Und zweitens, Unternehmen versuchen, zwei Dinge zusammenzubringen, die nur vordergründig gut zusammenpassen: Training und Teambuilding. Führungskräfte sollen Wissen erwerben und gleichzeitig miteinander vernetzt und enger zusammengebracht werden.
In der Praxis führt dies oft dazu, dass man sich auf ein “Kompromissthema” einigt, das gleichermaßen gut für alle Teilnehmerinnen / Teilnehmer passen soll – es aber de facto nicht tut. Das persönliche Interesse und die Motivation derer, die sich in dem Thema nicht wiederfinden, sinken. Gleichzeitig kommt der für das Teambuilding so wichtige direkte Austausch zwischen den Teilnehmerinnen / Teilnehmern im Rahmen klassischer Seminarformate häufig zu kurz. So hat man am Ende weder ein gutes Training noch eine gute Teambuildingmaßnahme umgesetzt.
Lösungsvorschlag 1 – So gelingt Weiterbildung
Wir schlagen vor, zwischen Personalentwicklung und Führungskräften kurze, regelmäßige Austausche zu etablieren, in denen Entwicklungsbedarfe der Führungskräfte fokussiert besprochen werden, um HR-seitig besser verstehen zu können, was die Führungskräfte wirklich brauchen. Zudem empfehlen wir, Schulung und Teambuilding klar zu trennen: Schulungen sollten hochindividuell zugeschnitten sein und genau die Themen adressieren, die die einzelne Führungskraft im Moment braucht.
Eine gemeinsame Schulung mit mehreren Führungskräften sollte nur dann erfolgen, wenn sich die individuellen Bedarfe sehr stark überschneiden. Teambuildings dagegen sollten explizit dafür genutzt werden, gemeinsam eine gute Kultur und Vertrauen aufzubauen.
So kann ein Set-up gefunden werden, das für die Führungskräfte thematisch hochrelevante Themen adressiert und sie mit ihren Kolleg:innen in Kontakt bringt.
2. Weiterbildung sollte effizient sein:
Aktuelle Herausforderungen
Die meisten Führungskräfte tun sich extrem schwer damit, Weiterbildungen in ihren stressigen Arbeitsalltag zu integrieren. Insbesondere klassische Weiterbildungsformate wie ganztägige Blockseminare in Präsenz werden oft als wenig kompatibel mit dem Führungsalltag empfunden. In der Konsequenz berichteten uns viele Führungskräfte, dass sie Seminare aus diesem Grund absagen oder während der Veranstaltung parallel an aktuellen Themen weiterarbeiten (E-Mails beantworten, etc.).
Lösungsvorschlag 2 – So gelingt Weiterbildung
Weiterbildungsangebote, die sich möglichst reibungsfrei in den stressigen Arbeitsalltag der Führungskräfte integrieren lassen, erfordern aus unserer Sicht vor allem zwei Dinge: Zum einen sollten alle Touchpoints möglichst kompakt gestaltet werden. Schulungsunterlagen und -termine beispielsweise sollten schnell zum Punkt kommen und inhaltlich nicht überladen sein. Sie haben mehr davon, wenn alle Führungskräfte einen 10-minütigen Lernhappen absolvieren, als wenn nur 10 Prozent der Führungskräfte eine Unterlage bearbeiten, die mehrere Stunden benötigt. Zum anderen empfiehlt sich ein ausgewogener Mix aus selbstbestimmtem Lernen und verbindlichen Terminen.
Beim Wissensaufbau im Alltag sollte den Führungskräften größtmögliche Flexibilität ermöglicht werden, sie sollten selbst entscheiden können, wann sie wo was wie lange lernen. Gleichzeitig benötigt das Lernen eine gewisse Struktur durch verbindliche, regelmäßige Termine, die festlegen, bis wann die einzelnen Lernhappen absolviert sein sollen.
3. Weiterbildung sollte wirksam sein – fachlich und emotional:
Aktuelle Herausforderungen
Die Mehrheit der Führungskräfte wendet das Wissen aus Weiterbildungen im Alltag nicht oder nicht konsequent genug an. Das liegt oft nicht an den Führungskräften selbst, sondern vielmehr an der Aufbereitung des Lernstoffs: Zu viel Stoff in zu kurzer Zeit, meist ohne Wiederholung. Diese “Druckbetankung” mag gut gemeint sein, hat aber oftmals den Effekt, dass Seminarteilnehmerinnen / -teilnehmer aufgrund der schieren Informationsmenge Schwierigkeiten haben, zu priorisieren, und am Ende gar nichts für sich mitnehmen.
Wenn dann auch noch – wie in den meisten Fällen – ein konsequentes Follow-up fehlt, trainieren die Teilnehmerinnen / Teilnehmer solcher Maßnahmen letztlich, viel Neues zu erfahren und es gleich wieder zu vergessen, oder aber etwas zu wissen und es anschließend nicht zu tun. Streng genommen das Gegenteil dessen, was mit diesen Maßnahmen eigentlich erreicht werden soll.
Auch der emotionale Mehrwert, den die meisten Weiterbildungsprogramme bieten, ist überschaubar. So berichteten es uns die Führungskräfte in unseren Zielgruppen-Interviews. Den Teilnehmerinnen / Teilnehmern wird oft nicht oder kaum die Möglichkeit gegeben, über individuelle Erfahrungen und akute Probleme zu sprechen. Dies ist jedoch Voraussetzung dafür, die eigenen Wahrnehmungen zu validieren und passgenaue Lösungsansätze entwickeln zu können.
Lösungsvorschlag 3 – So gelingt Weiterbildung
Nachhaltiges Lernen erfordert zunächst eine klare Fokussierung: Welche Inhalte sind wirklich wichtig? Statt viele Themen und Theorien nur oberflächlich anzuschneiden, sollten ausgewählte Inhalte gezielt vertieft und in regelmäßigen Abschnitten wieder aufgegriffen werden. Die Lernenden sollten dabei unterstützt werden, relevante Umsetzungskontexte zu identifizieren und allgemeine Handlungsempfehlungen auf den eigenen Führungsalltag zu übertragen.
Ein professionell moderierter Austausch in einer Peergroup kann dabei helfen, neue Perspektiven zu entwickeln, wenn man “mit seinem Latein am Ende” ist. Vor allem aber erfahren die Lernenden, dass sie mit ihren Themen und Herausforderungen nicht allein sind. Und das erleben viele Teilnehmerinnen / Teilnehmer unserer Lernreisen als eines der für sie hilfreichsten Learnings.
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Lukas Heinzmann ist Chief Executive Officer und einer der Gründer des digitalen Leadership-Development-Anbieters gyde. Er ist zuständig für die strategische Ausrichtung des Unternehmens, Vertrieb, Marketing und die Positionierung am Markt. Vor der Gründung von gyde im Jahr 2020 war der 30-Jährige zwei Jahre lang Consultant der digitalen Inhouse Beratung der Mercedes-Benz AG.
Dr. Daniela Bernhardt ist Diplom-Psychologin und bei gyde, einem digitalen Anbieter für Leadership Development, für die Produktentwicklung zuständig. Nach ihrer Promotion hat sie sich in Forschung und Lehre u.a. intensiv mit der sogenannten intention-behaviour-gap beschäftigt, also mit der Frage, wieso es uns Menschen oft nicht gelingt, gefasste Vorsätze auch in die Tat umzusetzen. In diesem Rahmen hat sie 2021 das Buch “Die Psychologie des Schweinehunds - In 6 Schritten vom guten Vorsatz zur neuen Gewohnheit” veröffentlicht.