„Wir sind in einem Permanent Beta-Zustand“

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Die Themen sind nie ‚fertig‘. HR im Jahr 2022: Nelli Schieke von Swiss Life Deutschland im Interview über ein Unternehmen im Permanent Beta, im stetigen Wandel.

Dynamisch, flexibel, gestaltend und kommunikationsstark – das soll HR sein? In so manchen Unternehmen ist das so, viele dürften mit der Zeit nachziehen. Die Pandemie beschleunigte eine Transformation, deren Ende nicht absehbar ist. Die Ansprüche an HR sind massiv gewachsen – und „die Themen sind nie fertig“, sagt Nelli Schieke, Bereichsleiterin Personal bei Swiss Life Deutschland.

Themen gibt es genug. Beispielsweise das Flex-Office, das Modell der zukünftigen Zusammenarbeit im Büro. Hier kommt das „A-Team“ zum Einsatz („A“ = Ambassador). In jedem Jahr gibt es ein Fokusthema bei Swiss Life, in diesem Jahr ist es „Vertrauen“. Was bedeutet das konkret? Es gibt den „Swiss Life Way of Work“: Die New Work-Initiative beobachtet Trends der Arbeitswelt und setzt diese an das Unternehmen angepasst um. Erfahren Sie hier mehr über HR im Jahr 2022, am Beispiel eines Unternehmens im stetigen Wandel.

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Was ist momentan die größte Herausforderung in Ihrer Arbeit?

Nelli Schieke: Die Geschwindigkeit, mit der sich alles Bekannte überholt: Bürowelten verändern sich, mobiles Arbeiten gewinnt an Stellenwert, die Rückkehr ins Büro verzögert sich immer wieder. Aus meiner Sicht haben viele Entscheidungen eine extrem kurze Halbwertszeit und man ist in einem ‚permanenten beta‘ Zustand – die Themen sind nie ‚fertig‘. Als Unternehmen in der Versicherungs- und Finanzbranche sind wir inmitten verschiedener Transformationen, wie zum Beispiel die Ausrichtung auf Agilität, neuen Anforderungen von Kundinnen und Kunden und tiefgreifenden Veränderungen in der Arbeitswelt. In unserer unsicheren und komplexen Welt wollen wir flexibel sein und gleichzeitig unsere Identität beibehalten.

Viele Menschen würden gerne ihre Kolleginnen und Kollegen endlich wieder live treffen. Wie bewahren Sie das Teamgefühl, auch wenn alle remote arbeiten (müssen)?

Nelli Schieke: Wir haben jederzeit dafür gesorgt, die Verbindung nicht abbrechen zu lassen. Unsere Kultur des Mit- und Füreinander ist dabei eine wichtige Basis. Sie trägt uns immer noch. Während der gesamten Corona-Pandemie haben wir immer dafür gesorgt, dass alle auf der einen Seite gut informiert, andererseits aber auch in Kontakt bleiben. Das klingt banal, aber ich glaube, dass das „in Kontakt bleiben“ gerade in der virtuellen Welt schnell mal in Vergessenheit gerät. So haben wir eine Bandbreite an Formaten entwickelt, um auch über Bildschirme Nähe aufzubauen.

Von „weeklies“, virtuellen Kaffeklatsches, virtuellen Team-Events und -Workshops, Check-Ins und Foto-Aktionen – da ist sehr viel dabei. Und auch unsere Kultur-Feedbacks sorgen dafür, dass wir uns mit unserem Mit- und Füreinander beschäftigen und uns ehrlich über unsere Zusammenarbeit austauschen können. Gerade zu Beginn der Pandemie haben wir den Fokus darauf gelegt, mit welchen Skills wir unsere Kultur auch virtuell pflegen können, zum Beispiel mit einer intensiven Führungskräfteentwicklung oder virtuellen Coachings und Trainings. So sind alle Maßnahmen unserer Personalentwicklung – digital wie persönlich darauf ausgerichtet, den Menschen in den Fokus zu rücken.

Wir sind ja mittlerweile alle „pandemieerfahren“. Es gibt Lessons Learned bei der Unternehmensführung, in HR und in der Belegschaft. Was hat sich bei Swiss Life durch die Pandemie dauerhaft verändert?

Nelli Schieke: Eine der wichtigsten Erkenntnisse war, dass mobiles Arbeiten sehr wohl funktioniert bei gleichbleibender, wenn nicht sogar höherer Produktivität. Das zeigen auch die Ergebnisse der Pulsbefragungen, die wir regelmäßig durchführen. Im letzten Jahr haben 94 Prozent die persönliche Produktivität als sehr gut bis gut bewertet. Und die Zusammenarbeit wurde ebenfalls von 96 Prozent der befragten Kolleginnen und Kollegen als sehr gut bis gut bewertet. Unsere Quote für mobiles Arbeiten hat sich innerhalb der letzten zwei Jahre erhöht – mal ganz abgesehen von Corona können Swiss Life-Mitarbeitende bis zu 40 Prozent ihrer Arbeitszeit im Monat mobil arbeiten.

Gleichzeitig wissen wir um die Bedeutung des Büros. Für uns ist es ein zentraler Ort zur Zusammenarbeit, zum Austausch und zur Diskussion. Wir glauben an die Kraft der Begegnung und dass unsere Kultur auch dadurch getragen wird, dass wir uns persönlich sehen. Ich hoffe sehr, dass das bald wieder möglich sein wird. Dank dieser Erfahrungen investieren wir auch bewusst in unsere Standorte, machen sie attraktiver und moderner und entwerfen gemeinsam mit den Kolleginnen und Kollegen unser Flex-Office. Dabei werden wir künftig mit einem Shared Desk-Prinzip im Büro arbeiten, Flächen zur Zusammenarbeit ausbauen und auch die Technik entsprechend ergänzen, damit wir unsere weitestgehend und dauerhaft hybride Arbeitsrealität abbilden.

Wie werden die Menschen in ihrem Unternehmen zukünftig arbeiten?

Nelli Schieke: Hybrid. Allerdings ist das gar nicht so selbstverständlich. Wir testen ganz viele technische Lösungen, aber den heiligen Gral zur hybriden Zusammenarbeit haben wir noch nicht gefunden. Wir haben in den vergangenen Jahren stark an unserer Meeting-Kultur gefeilt. Dabei war es wichtig, Leitlinien aufzustellen und beispielsweise Pausen einen großen Stellenwert einzuräumen. So enden Termine bei uns immer zehn oder fünf Minuten vor Ende einer vollen Stunde. Das ist vor allem im virtuellen Raum wichtig, um nicht von einem Meeting ins nächste zu stolpern. Und der Fokus bleibt so bestehen. Wir haben also sehr gute Meetings in Präsenz und sehr gute Meetings im Virtuellen.

Aber wir sind weiterhin noch auf dem Weg herauszufinden, wie wir Meetings hybrid gestalten können. Gleichwohl haben sich viele Teams in Workshops intensiv damit auseinandergesetzt. Da gibt es dann zum Beispiel für unterschiedliche Anlässe unterschiedliche Meeting-Formate. Wenn es wichtig ist, gemeinsam an Ideen zu arbeiten, kommen die Kolleginnen und Kollegen eher in Präsenz zusammen. Geht es um kurze Absprachen oder „dailies“, dann ist es eher die virtuelle Form.

Ihr CEO Jörg Arnold hatte im Interview mit dem HR JOURNAL gesagt, dass Swiss Life dabei ist, das „Haus der hybriden Arbeitswelt“ einzurichten. Was hat sich daraus ergeben?

Nelli Schieke: Das ist ein guter Vergleich. Wir haben diesem Prozess einen Namen gegeben: „From Headquarters to Heartquarters“. Damit zeigen wir ganz klar, dass wir im Büro vor allem die Begegnung, das Persönliche und das Kreative pflegen möchten. Das ist ein Weg, auf dem wir so viele Menschen und Teams mitnehmen können.

Wie gehen Sie bei so grundlegenden Veränderungen der Arbeitsweisen im Unternehmen vor? Konkret: Beziehen Sie die Belegschaft ein – und wenn ja, wie?

Nelli Schieke: Ja, bei fast allen Themen, die die breite Belegschaft betreffen, sind wir sehr partizipativ unterwegs und möchten Teilhabe bieten. Ich habe ja bereits von unserem Flex-Office gesprochen. Bevor wir ein fertiges Konzept aufs gesamte Haus ausrollen, sind wir zuerst mit fünf Pilotbereichen gestartet. Das heißt, diese Bereiche haben Flex-Office ausprobiert. Getestet, was gut und was weniger gut funktioniert. Damit wir das gut steuern konnten, haben wir unser sogenanntes „A-Team“ ins Leben gerufen. Das „A“ steht für Ambassador, also Botschafter/-in.

Das A-Team setzt sich also aus Kolleginnen und Kollegen aus den Bereichen zusammen, die dann als Scharnier zwischen dem Projektteam und dem jeweiligen Bereich fungieren. Dank der Botschafter/-innen hatten wir jederzeit die Möglichkeit, das Projekt an den Bedürfnissen auszurichten. Wir haben Ideen, Anregungen, aber natürlich auch Kritik bekommen und konnten dank des Inputs, Umfragen und Workshops Herausforderungen viel besser begegnen. Unser Flex-Office ist durch und durch von Mitarbeitenden gestaltet. Das war wirklich eine tolle Energie, die wir jetzt auch für alle weiteren Bereiche mitnehmen. Wir sind sehr gespannt, wie sich die Bürowelten bei uns entwickeln. Man sieht also: Wir nehmen das ernst mit dem Mit- und Füreinander.

In jedem Jahr gibt es ein Fokusthema bei Swiss Life. In diesem Jahr geht es um „Vertrauen“ und „Eigenverantwortung“. Seit 2021 ist in vielen Unternehmen „Vertrauenskultur“ ganz oben auf die Agenda gerückt. Was bedeuten „Vertrauen“ und „Eigenverantwortung“ in ihrem Unternehmen, in welchen Bereichen spielen beide Begriffe besonders eine Rolle?

Nelli Schieke: Beide Themen sind natürlich nicht neu, insbesondere Eigenverantwortung ist ein Anker unserer 2015 gestarteten Kulturreise. Dabei sprechen wir von Autorenschaft vs. Opfer-Verhalten und stellen uns die Fragen: Übernehme ich Verantwortung für mein Handeln? Verstehe ich mich selbst als Gestalter/-in beziehungsweise Autor/-in meines Verhaltens? Und da, wo Eigenverantwortung möglich ist, ist das Vertrauen auch da – die beiden verhalten sich korrelativ zueinander, das eine geht nicht ohne das andere.

In der aktuellen Zeit sind schnelle Entscheidungen von Nöten und komplexe Sachverhalte bestimmen den Arbeitsalltag. Da braucht es Mitarbeitende, die eigenverantwortlich unterwegs sind und Entscheidungen treffen können. Das können sie nur, wenn ihnen der entsprechende Freiraum dafür eingeräumt wird. Das ist das Vertrauen. Das zeichnet uns als Unternehmen aus, dass wir diese Gestaltungsräume schaffen. Und dies noch weiter zu vertiefen wird unsere Aufgabe in diesem Jahr sein.

Es gibt die Initiative „Swiss Life Way of Work“. Sie sind Projektleiterin. Was passiert denn da?

Nelli Schieke: Swiss Life Way of Work ist unsere New Work-Initiative. Wir beobachten Trends der Arbeitswelt und übersetzen diese auf unsere Swiss Life Realität. Immer mit dem Fokus auf Mensch, Raum und Technik. Das spiegelt sich auch in der Zusammensetzung des Teams wider: Gebäudemanagement, Personal, Kommunikation und IT. Mit dieser bereichsübergreifenden Power haben wir das Zeug dazu, immer den speziellen Swiss Life Way of Work zu finden. In den letzten Jahren haben wir so unter anderem mobile Arbeit ins Unternehmen eingeführt, neue Technologie in die Arbeitsabläufe eingeführt, die Meeting-Kultur neu ausgerichtet und unser Flex-Office gestartet.

Dank Corona hat unsere Initiative sehr viel Rückenwind bekommen. Gleichzeitig geht mit Trends und der Umsetzung dieser häufig eine große Veränderung mit sich. Dass die nicht immer alle gut finden, ist selbstverständlich. Da geht es dann auch darum, Bedenken zu nehmen und gemeinsam Lösungen zu entwickeln.

Das HR JOURNAL wird verstärkt das Thema „Focused Company“ aufgreifen. Swiss Life hat sich damit auch befasst. Was haben Sie geändert, was ist noch in der Pipeline?

Nelli Schieke: Wir sehen, dass Mitarbeitende den Wunsch nach mehr Fokussierung und Achtsamkeit im Arbeitsalltag haben und dies auch aktiv angehen. Ich finde den Trend zu einer Focused Company sehr ansprechend. In unseren Teams gibt es erste Initiativen, die darauf einzahlen. Das sind dann zum Beispiel Formate wie Fokuszeiten, in denen man konzentriert arbeiten kann, Zeiten, in denen keine Meetings stattfinden oder speziell eingerichtete Tage, an denen Zeit für die persönliche Entwicklung ist. Das ist also eine Bandbreite an Ideen, die unseren Arbeitsalltag angenehmer und vor allem fokussierter gestalten können.

Und gerade auch innerhalb der zunehmenden Agilität bei uns im Unternehmen bekommen solche Methoden einen hohen Stellenwert. Gleichzeitig geht es unternehmensweit auch darum, Prioritäten richtig zu setzen und sich bewusst zu machen, wofür wir arbeiten. Bei Swiss Life geht es darum, Menschen zu unterstützen, finanziell selbstbestimmt zu leben. Das ist unser Purpose.

Das Interview führte Helge Weinberg, Herausgeber HR JOURNAL.

Lesen Sie auch die folgenden Beiträge: 

Zum Stichwort „Unternehmenskultur“ bei Swiss Life Deutschland siehe auch den Beitrag von Jörg Arnold auf LinkedIn: „Dem Zwischenmenschlichen mehr Platz einräumen“

Zum Stichwort „Focused Company“ siehe auch das Interview mit Daniel J. Hanke im HR JOURNAL.

Foto Nelli Schieke

Nelli Schieke ist seit 20 Jahren bei Swiss Life Deutschland. Hier hat die gelernte BWLerin das Unternehmen in verschiedenen Personalfunktionen durch die diversen Change-Projekte und Reorganisationen begleitet. Als Bereichsleiterin Personal steht sie mit ihrem Team für modernes, nutzerzentriertes Personalmanagement. Als Leiterin der Initiative Swiss Life Way of Work begleitet sie das Unternehmen in die neue Arbeitswelt. Themen wie die einzigartige Kultur, geprägt von Eigenverantwortung, Wertschätzung und Leistung, Führungskräfteentwicklung und Agilität bilden die Schwerpunkte der Personalarbeit.

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