Koalitionsvertrag: Was sich im Arbeitsrecht ändern soll

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Arbeitsrechtler Johannes Simon beleuchtet die wesentlichen Änderungen im Arbeitsrecht durch den Koalitionsvertrag, mit denen HR zukünftig rechnen muss.

Am 24. November 2021 hat sich die sogenannte „Ampel-Koalition“, bestehend aus SPD, den Grünen und der FDP, auf einen Koalitionsvertrag geeinigt. Wie auch in der Vergangenheit spielt hier unter anderem das Arbeitsrecht eine zentrale Rolle. Mit welchen Änderungen zu rechnen ist:

1. Befristungen

Häufiger Streitpunkt in Koalitionsverhandlungen sind befristete Arbeitsverhältnisse und das Befristungsrecht steht auch diesmal auf der Agenda. Änderungen sind hier insbesondere im Bereich der sogenannten Sachgrundbefristung nach § 14 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz zu erwarten. Sachgrundbefristete Arbeitsverträge beim selben Arbeitgeber sollen zukünftig auf eine Gesamtdauer von maximal 6 Jahren begrenzt sein. Ausnahmen hiervon sollen in „eng begrenzten Fällen“ möglich sein. Im Öffentlichen Dienst soll die Möglichkeit der sogenannten Haushaltsbefristung abgeschafft werden.

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2. Arbeitszeit

Flexibilisierung bei der Tageshöchstarbeitszeit

An der Höchstarbeitszeit von 8 Stunden täglich beziehungsweise 48 Stunden wöchentlich soll sich grundsätzlich nichts ändern. Allerdings soll das Arbeitszeitgesetz bei der Tageshöchstarbeitszeit Flexibilisierungsmöglichkeiten einräumen, die noch nicht näher konkretisiert sind. Zudem sollen weitere Öffnungsklauseln für Tarifverträge und/oder Betriebsvereinbarungen im Gesetz verankert werden.

3. Mindestlohn

Der gesetzliche Mindestlohn wird auf EUR 12,00 brutto pro Stunde angehoben. Weitere Erhöhungsschritte durch die unabhängige Mindestlohnkommission sind zukünftig möglich.

4. Homeoffice

Koalitionsvertrag & Arbeitsrecht: Arbeit im Home Office soll flexibilisiert werden.

Die Arbeit im Homeoffice soll flexibilisiert werden. Insbesondere soll Homeoffice als eine Form von mobiler Arbeit eingestuft und von der sogenannten Telearbeit abgegrenzt werden. Damit würde das Homeoffice nicht mehr in den Geltungsbereich der Arbeitsstättenverordnung und den darin geltenden Arbeitsschutzbestimmungen unterfallen. Arbeitnehmer in geeinigten Tätigkeiten sollen einen gesetzlichen Erörterungsanspruch über mobiles Arbeiten gegenüber dem Arbeitgeber erhalten. Dieser kann dem Wunsch auf Homeoffice die (auch aus anderen gesetzlichen Regelungen bereits bekannten) „betrieblichen Belange“ entgegenhalten.

5. Mitbestimmung und Tarifvertragsrecht

Die Betriebsratsarbeit soll weiter digitalisiert werden. So sind Pilotprojekte zur online Betriebsratswahl angedacht. Bisher hatten Arbeitsgerichte der online Betriebsratswahl eine Absage erteilt (vgl. Arbeitsgericht Hamburg v. 7. Juni 2017 – 13 BV 13/16 zur Nichtigkeit einer Online-Betriebsratswahl).

Im Tarifvertragsrecht soll insbesondere die Tarifbindung gestärkt und eine „Tarifflucht“ von Arbeitgebern weiter erschwert werden.

6. Soziale Absicherung

Für Selbstständige soll eine gesetzliche Altersvorsorgepflicht eingeführt werden.

7. Fachkräftesicherung

Ein Qualifizierungsgeld soll eingeführt werden.

Einem Personalabbau in der Krise soll weiter vorgebeugt werden, um Fachkräfte in Unternehmen zu halten. Neben dem Kurzarbeitergeld soll ein daran angelehntes Qualifizierungsgeld eingeführt werden, um im Falle von Unternehmensrestrukturierungen Beschäftigten durch Qualifizierung eine Beschäftigungssicherung zu bieten.

8. Koalitionsvertrag & Arbeitsrecht: Fazit

Im Koalitionsvertrag sind neben den Dauerbrennern wie Befristung und Arbeitszeit auch Themen geregelt, die in der Corona-Pandemie zunehmend an Bedeutung gewonnen haben. Zu nennen sind hier eine Digitalisierung der Betriebsratsarbeit, die Ausweitung von Homeoffice-Tätigkeit sowie die Schaffung von Mitteln zur Beschäftigungs- und Fachkräftesicherung in Krisenzeiten.

Photos: ©Twenty20/@south_nostalghia / ©Twenty20/@5byseven / ©Envato/duallogic

Foto Johannes Simon

Johannes Simon, LL.M. (Durham), Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht, ist Partner am Düsseldorfer Standort der Wirtschaftskanzlei Taylor Wessing. Er berät Unternehmen in allen Fragen des Individual- und Kollektivarbeitsrechts mit Fokus auf Fremdpersonal-Compliance, Personalflexibilisierung, innerbetrieblichen Outsourcing, arbeitsrechtlichen Restrukturierungen und dem Recht der Unternehmensmitbestimmung.

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