Das Miteinander kommt zu kurz. Markus Schunk, CEO von HRworks, ist fest davon überzeugt, dass 100 Prozent Remote-Arbeit den Mittelstand in eine Sackgasse führt.
In den letzten anderthalb Jahren hat die Arbeitswelt einen noch nie dagewesenen Wandel erlebt: Aus einem Großteil der Büroangestellten wurde von einem auf den anderen Tag Heimarbeiter. Das Homeoffice – bis März 2020 für viele noch seltener Luxus – musste plötzlich realisiert und Herausforderungen bei den Umstrukturierungen in Windeseile gemeistert werden. Und noch immer beeinflusst die Pandemie unser Arbeitsleben. Lockerungen, erneute Infektionswellen und häufig wechselnde Corona-Schutzmaßnahmen erfordern ein hohes Maß an Flexibilität bei Arbeitgebern und Arbeitnehmern gleichermaßen. Doch auf Dauer – vor allem im Anschluss an das Pandemiegeschehen – kann dauerhaftes Remote Work allein keine Alternative sein.
Homeoffice ist nicht das Gelbe vom Ei
Das Homeoffice kam mit Freiheiten und Einschränkungen zugleich – letztere vor allem bedingt durch geschlossene Schulen und andere Kinder-Betreuungseinrichtungen in diversen Lockdowns. Schien es anfangs noch praktisch, dass zwischenzeitlich eine Maschine Wäsche angeworfen oder die Mittagspause zum Sport genutzt werden konnte, war doch schnell klar: die Vermischung von Beruflichem und Privatem ist nicht immer von Vorteil. Stichworte: Belastung durch Home-Schooling und Arbeit, ständige Erreichbarkeit, ausufernde Arbeitszeiten, fehlender persönlicher Austausch etc.
Zudem waren nur wenige Firmen und Angestellte für das langfristige Arbeiten zuhause aufgestellt. Neben den technischen Voraussetzungen mit Cloud-Strukturen, Laptops und mobiler Erreichbarkeit machte sich das vor allem bei der Arbeitsausrüstung bemerkbar. Denn Schreibtische und ergonomische Bürostühle haben nicht in jeder Wohnung Platz. Besonders nicht dann, wenn mehrere Erwerbstätige pro Haushalt im Homeoffice ohne eigenes Arbeitszimmer sind.
Und nach mehreren Monaten Zuhause kristallisierte sich ein weiteres Problem heraus: Die Gemeinschaft verschwand. Sicherlich wurde versucht, mit regelmäßigen Teams- oder Zoom-Meetings Abhilfe zu schaffen, aber letztendlich blieb doch jeder allein am heimischen Schreibtisch. Der Plausch in der Büroküche oder die kurze Abstimmung über zwei Schreibtische hinweg blieben aus. Dafür hielten Missverständnisse und kommunikative Schwierigkeiten Einzug. Nicht die besten Voraussetzungen für ein gutes Miteinander.
Digitale Transformation dank Krise – mit Einschränkungen
Doch die plötzlichen Umstellungen hatten auch ihr Gutes, denn sie haben dazu geführt, dass wir alle digitaler wurden. Tat sich vor allem der Mittelstand vorher oft in dieser Hinsicht noch schwer, brachte die Corona-Krise gezwungenermaßen eine großangelegte digitale Transformation mit sich. Fast jeder Büromitarbeiter ist inzwischen Zoom-Calls gewöhnt und teilt Dateien in der Cloud, ohne mit der Wimper zu zucken.
Wer denkt, dass dieser Wandel nach gut anderthalb Jahren vollbracht ist, hat jedoch weit gefehlt. Zwar sind erste Strukturen geschaffen, aber oft ist vor allem der Unternehmenskern – die HR – noch nicht digitalisiert. Und wie sollen sich Unternehmen als digital ausgereift bezeichnen, wenn Urlaubs- und Reiseanträge immer noch auf Papier eingereicht werden müssen? Eine echte Digitalisierung ist erst dann möglich, wenn die internen Prozesse digitalisiert wurden. Hier besteht dringender Handlungsbedarf, denn eine Digitalisierung, die nicht zu Ende gedacht wurde, kommt irgendwann an ihre Grenzen – und wirft dann wieder ganz neue Probleme auf. Beispielsweise, wenn Unternehmen an Momentum verlieren und der Konkurrenz hinterherhinken.
Arbeiten in der Zukunft
Die letzten 18 Monate haben uns und unsere Arbeitsweisen verändert. Haben wir das einmal akzeptiert, können wir uns die Frage stellen, wie es von hier an weiter gehen soll. Selbst wenn die Digitalisierung sämtlicher Prozesse, die durch Remote Working überhaupt erst langfristig ermöglicht wird, abgeschlossen ist – wollen wir überhaupt, dass dauerhaftes Homeoffice unsere Zukunft wird? Wir müssen überlegen, wie wir in den nächsten Jahren arbeiten und mit wie viel Flexibilität wir leben wollen.
Denn auch wenn uns das Homeoffice neue Möglichkeiten eröffnet hat, bin ich fest davon überzeugt, dass kleine und mittlere Unternehmen, die zu 100 Prozent auf Remote-Arbeit setzen, verlieren werden. Nicht weil sie schlechter in der Digitalisierung sind als die großen Unternehmen, sondern weil sie davon leben, dass die Gemeinschaft stimmt. Gefährlich wird es also, wenn Mitarbeiter dauerhaft im Homeoffice bleiben. Das liegt vor allem daran, dass dadurch das Miteinander krankt – die gemeinsame Arbeitskultur geht so zu Grunde.
Daher brauchen Unternehmen jetzt und für die Zukunft intelligente hybride Modelle aus Homeoffice und Büro, zugeschnitten auf die Bedürfnisse von Unternehmen und Arbeiternehmern, bei denen die gemeinsame Präsenzarbeit im Fokus steht. Diese Modelle müssen auch auf eine langfristige Nutzung ausgelegt sein. Es ist nur selten sinnig, die Arbeitsweisen der Corona-Zeit vollständig zu übernehmen, da diese vielfach improvisierte Überbrückungslösungen waren. Schließlich waren diese meist als temporäre Mittel gedacht, bevor alle Mitarbeitenden wieder zum Normalzustand zurückkehren.
Neue Möglichkeiten schaffen
Der Mensch ist ein soziales Wesen. Wir sind nicht geschaffen für Arbeit, die zu 100 Prozent remote ist. Das belegt aktuell eine Umfrage der Boston Consulting Group unter 9.000 Angestellten aus 20 Branchen und Berufsgruppen. Bei der Frage nach einem favorisierten Arbeitsmodell gab es einen klaren Sieger: den Mix aus Büro und zwei bis drei Tagen Homeoffice. Nur mit neuen Konzepten schaffen wir es, unsere Arbeitskultur als Erfolgsfaktor zu sichern und für die Zukunft gut aufgestellt zu sein. In unserem Unternehmen setzen wir beispielsweise auf ein hybrides Modell. Das können wir unter anderem auch durch die Technologien, auf die wir setzen, möglich machen.
Markus Schunk ist der CEO des Software-Anbieters HRworks, einem der erfolgreichsten deutschen HR-Software-Anbietern. Schunk verfügt über langjährige Erfahrung in der Entwicklung und im Ausbau digitaler Plattformen und skalierbarer SaaS-Unternehmen.