Drei Tipps: So erzeugen Sie psychologische Sicherheit

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Boris Gloger stellt drei Ansätze vor, wie Führungskräfte in der Alltagskommunikation mit dem Team eine Ebene des Vertrauens schaffen können.

In der Pandemie wird einmal mehr deutlich: Krisenfest sind insbesondere die Unternehmen, die nicht nur wirtschaftlich gut aufgestellt, sondern auch auf zwischenmenschlicher Ebene punkten können. Klar, New Work hat schon vorher alles auf den Kopf gestellt und schreiende Chefs oder gar wüste Beschimpfungen gehören in den meisten Betrieben der Vergangenheit an. Und doch trauen sich Mitarbeitende noch immer nicht, viele Themen offen anzusprechen – ob in Besprechungen, Brainstormings oder beim Meinungsaustausch. Um sich in wissensbasierten Organisationen vollständig und angstfrei einbringen zu können, ist eine Ebene des Vertrauens jedoch unabdingbar. So gelingt es:

1) Die einfachste Aufgabe ist Zuhören – oder?

Zuhören ist eine Kunst, die Selbstdisziplin benötigt. Wie oft ertappen wir uns dabei, mit den Gedanken abzuschweifen, wenn das Gegenüber spricht? Wie oft geben wir zu schnell eine Antwort oder kommentieren das Gesagte? Die Ursache dahinter ist menschlich: Der Hang zum (Be)werten. Schon die Professoren Rogers und Roethlisberger stellten in einem Essay von 1952 fest: Die Kommunikation wird von der menschlichen „Unart“ erschwert, Gehörtes und Gelesenes sofort bewerten zu wollen. Und mal ehrlich: Wer ist frei von Wertungen?

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Echtes Zuhören erfordert also die volle Aufmerksamkeit und Anteilnahme – und das ist gar nicht so leicht. In der Regel ist es doch so: Innerlich bereiten wir uns schon auf eine mögliche Antwort vor und überlegen, wie wir unsere Sicht der Dinge darstellen. Echtes Zuhören hingegen taucht tief in die Gedankenwelt des anderen ein und bringt den Zuhörenden gegebenenfalls dazu, die Meinung des anderen mit ganz anderen Augen zu sehen. Im ersten Schritt kann das gelingen, wenn wir aufhören, zu kommentieren, während der andere spricht. Dabei unterstützt etwa die Methode der Kreisarbeit. Sie ist darauf ausgelegt, allen Teilnehmenden eine Stimme zu geben und sich zurückzunehmen, bis jede:r Einzelne an der Reihe ist. Dazu gehört auch, die Meinungen der anderen nicht nonverbal, also gestisch oder mimisch, zu bewerten, sondern sie anzunehmen.

2) Kritik vermeiden, Lob verstärken

Ein Konzept, das zwar schon rund 60 Jahren alt ist, dessen Strahlkraft aber nicht an Aktualität eingebüßt hat, ist die Gewaltfreie Kommunikation (GFK) nach Rosenberg. Sie fußt auf vier Säulen: Die objektive Beschreibung eines Sachverhalts, das Betonen der eigenen Gefühle mit Hilfe von Ich-Botschaften, das Formulieren der eigenen Bedürfnisse und Wünsche sowie das Aussprechen einer Bitte. In der Alltagskommunikation sind nicht alle Säulen 1:1 umsetzbar – jedenfalls nicht ständig. Warum? Wir alle sind nicht frei von Vorurteilen und nicht immer in der gleichen Tagesform. Wenn es mal stressig zugeht, ist es leicht passiert: Wir fahren dem anderen ins Wort oder drücken durch Mimik und Gestik eine ablehnende Haltung aus. Meiner Erfahrung nach eignet sich folgendes Vorgehen, um auch im hektischen Arbeitsalltag Kommunikationsvorsätze zu beachten und sensibel zu agieren. Angelehnt an den Gedanken des aufmerksamen Zuhörens, sollten Sie einerseits so wenig wie möglich selbst kommunizieren, andererseits aber auch die Wertschätzung für die Arbeit der anderen mitteilen. Damit konsequent verbunden ist das Vermeiden von (überflüssiger) Kritik. Menschen wissen in der Regel sehr wohl, wenn sie einen Fehler gemacht haben und lernen daraus – ohne, dass sie gesondert darauf hingewiesen werden müssen.

3) Potenziale mit Appreciative Inquiry erkennen

Die achtsame, bestärkende Kommunikation nimmt eine entscheidende Rolle in der Mitarbeiterbindung und -motivation ein. Eine einfache Übung ist, die Mitarbeitenden und die Stimmung im Team zu beobachten und tatsächlich dazu überzugehen, alles Positive anzuerkennen. Hier gilt das Credo nach dem werteorientierten Ansatz der Appreciative Inquiry: “Worauf man seine Aufmerksamkeit richtet, davon bekommt man mehr!” Menschen sind in der Regel darauf konditioniert, auf Fehler zu achten. Der potenzialorientierte Ansatz nach David Cooperrider ermöglicht das Gegenteil. Zwar zielt er ähnlich wie problemorientierte Ansätze auf konkrete Veränderungsmaßnahmen – der Weg dahin ist allerdings diametral anders.

Appreciative Inquiry orientiert sich an fünf Phasen und startet immer mit der Frage: „Wovon möchten wir mehr haben?“ und der Formulierung eines Kernthemas – in diesem Fall beispielsweise „Wie leben wir wertschätzende Kommunikation im Unternehmen?“. Für diesen Prozess sollten Führungskräfte die HR-Abteilung ins Boot holen und im Idealfall alle Mitarbeitenden konkret mit einbeziehen. Partner-Interviews dienen dazu, positive Beispiele zu identifizieren. Auch im weiteren Verlauf nimmt die aktive Beteiligung und damit Förderung des einzelnen Mitarbeitenden eine zentrale Rolle ein – etwa bei der Auseinandersetzung mit konkreten Zukunftsvisionen und der Frage „Wie bringen wir noch mehr Wertschätzung in unsere Alltagskommunikation?“ In der letzten Phase werden dann konkrete Schritte für die Umsetzung festgelegt.

Foto Phasen Appreciative Inquiry

Der Prozess einer AI startet immer mit der Fragestellung, wovon man mehr haben möchte und der Formulierung eines Kernthemas, das untersucht werden soll (Define). In der Discovery-Phase haben sich Partnerinterviews etabliert, in der Mitarbeitende gemeinsam positiv gelebte Beispiele in der Organisation erkunden. Die Dream-Phase zeigt auf, wie die Organisation bei voller Potenzialausschöpfung aussehen würde. Die anschließende Design-Phase dient dazu, einige Aspekte der Vision auszuwählen und diese zu konkretisieren. Die letzte Phase (Destiny) fokussiert konkrete, erste Maßnahmen.

Eine wertschätzende Alltagskommunikation gelingt, wenn Führungskräfte ihr eigenes Verhalten im hektischen Alltag wahrnehmen und sich aktiv damit auseinandersetzen. Darüber hinaus bewährt sich meiner Erfahrung nach, alle Mitarbeitenden einzubeziehen, um dieses Wissen auch in die Organisation zu tragen.

Foto Boris Gloger

Boris Gloger ist Scrum-Pionier und Vordenker für neue Arbeitsformen. Mit seiner Unternehmensberatung borisgloger consulting unterstützt er nicht nur Unternehmen in agilem Organisationsmanagement, sondern treibt auch im eigenen Unternehmen neue Arbeitsweisen im Tagesgeschäft an. Boris Gloger ist Autor mehrerer Fachbücher zu den Themen Agilität und Scrum und hat bis heute mehr als 5000 Manager und Teams in Scrum ausgebildet. Als erster zertifizierter Scrum-Trainer in Deutschland, arbeitet er mit diesem Framework seit nunmehr zwei Jahrzehnten. Foto: ©borisgloger consulting

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